China blockiert neue Untersuchung
Suche nach Virus-Ursprung. Peking wendet sich strikt gegen WHO-Pläne für weitere Inspektionen. Staatsmedien insinuieren, das Virus könnte aus den USA stammen.
Peking. Der Staatsrat in Peking rief kurzfristig zu einer morgendlichen Pressekonferenz, um sich zur „Suche nach dem Ursprung“des Coronavirus zu Wort zu melden. In China ist das eine überaus sensible Frage, und das Interesse der ausländischen Medien war groß. Dabei stand bereits im Vorfeld der Veranstaltung am Donnerstag fest, dass die Botschaft der Regierung bis zur letzten Silbe durchchoreografiert sein würde. Und diese lautete, auf den Punkt gebracht: Es wird keine weiteren Untersuchungen in China geben.
Seit vergangener Woche ist Peking erneut unter Zugzwang: Der ansonsten eher diplomatische, für seine China-Affinität berüchtigte Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, hatte selten deutliche Worte an die Volksrepublik gerichtet: Man habe die Möglichkeit eines Labor-Leaks „verfrüht“ausgeschlossen. Stattdessen solle Peking endlich die Rohdaten der ersten Patienten aus Wuhan übermitteln und transparenter agieren. Zugleich schlug Ghebreyesus eine zweite Phase von Untersuchungen vor, die unter anderem Inspektionen von Tiermärkten und Viruslaboren in Wuhan vorsehen – in der Stadt also, in der die ersten Fälle des Virus nachgewiesen wurden.
Nun also folgt Chinas Replik: Diesen Plan der Ursprungssuche könne man nicht akzeptieren, sagte Zeng Yixin, Vizechef der nationalen Gesundheitsbehörden. Der Beamte zeigte sich sogar regelrecht schockiert vom WHOVorschlag, denn dieser sei „respektlos gegenüber dem gesunden Menschenverstand und verstößt gegen die Wissenschaft“.
US-Biowaffenlabor im Visier
Stattdessen holt China zur Gegenoffensive aus: Man habe einen eigenen Vorschlag für die zweite Phase der Ursprungssuche des Virus. Diese solle im Ausland weitergeführt werden. Wo genau, das ließ die Regierung offen.
Doch eine orchestrierte Kampagne der Staatsmedien gibt Aufschluss: Mehr als fünf Millionen Chinesen haben eine von der ultranationalistischen „Global Times“initiierte Petition unterzeichnet, die eine WHO-Untersuchung des US-Biowaffenlabors Fort Detrick fordert.
Diese Hypothese streuen chinesische Regierungsvertreter gezielt bereits seit vergangenem Jahr, um die Aufmerksamkeit von
China als möglichem Virus-Ursprungsland wegzulenken. Dank des umfassenden Zensurapparats verfängt eine solche Verschwörungstheorie, auch wenn sie nicht einmal annähernd auf irgendwelchen Indizien fußt: Viele Chinesen sind davon überzeugt, dass das Virus aus dem Ausland stammt.
Chinas sture Haltung, nicht auf den internationalen Druck einzugehen, belegt nicht nur das neue Selbstbewusstsein einer Nation, die in wenigen Jahren die größte Volkswirtschaft der Welt sein wird. Es zeigt auch, dass Peking ganz offensichtlich keine Rücksicht mehr darauf nimmt, wie es von der Staatengemeinschaft wahrgenommen wird.
Dabei sorgt Chinas Intransparenz für Unmut. Erst mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie ließ Peking ein WHO-Team ins Land. Die Experten durften nur unter Regierungskontrolle und gemeinsam mit chinesischen Wissenschaftlern eine zweiwöchige Untersuchung durchführen. Viele kritische Daten, darunter die Rohdaten früherer Patienten aus Wuhan, erhielten die WHOForscher jedoch nicht. Dies habe mit der „Privatsphäre der Patienten“zu tun, erklärten nun Pekinger Regierungsvertreter.