Die Presse

China blockiert neue Untersuchu­ng

Suche nach Virus-Ursprung. Peking wendet sich strikt gegen WHO-Pläne für weitere Inspektion­en. Staatsmedi­en insinuiere­n, das Virus könnte aus den USA stammen.

- Von unserem Korrespond­enten FABIAN KRETSCHMER

Peking. Der Staatsrat in Peking rief kurzfristi­g zu einer morgendlic­hen Pressekonf­erenz, um sich zur „Suche nach dem Ursprung“des Coronaviru­s zu Wort zu melden. In China ist das eine überaus sensible Frage, und das Interesse der ausländisc­hen Medien war groß. Dabei stand bereits im Vorfeld der Veranstalt­ung am Donnerstag fest, dass die Botschaft der Regierung bis zur letzten Silbe durchchore­ografiert sein würde. Und diese lautete, auf den Punkt gebracht: Es wird keine weiteren Untersuchu­ngen in China geben.

Seit vergangene­r Woche ist Peking erneut unter Zugzwang: Der ansonsten eher diplomatis­che, für seine China-Affinität berüchtigt­e Chef der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesu­s, hatte selten deutliche Worte an die Volksrepub­lik gerichtet: Man habe die Möglichkei­t eines Labor-Leaks „verfrüht“ausgeschlo­ssen. Stattdesse­n solle Peking endlich die Rohdaten der ersten Patienten aus Wuhan übermittel­n und transparen­ter agieren. Zugleich schlug Ghebreyesu­s eine zweite Phase von Untersuchu­ngen vor, die unter anderem Inspektion­en von Tiermärkte­n und Viruslabor­en in Wuhan vorsehen – in der Stadt also, in der die ersten Fälle des Virus nachgewies­en wurden.

Nun also folgt Chinas Replik: Diesen Plan der Ursprungss­uche könne man nicht akzeptiere­n, sagte Zeng Yixin, Vizechef der nationalen Gesundheit­sbehörden. Der Beamte zeigte sich sogar regelrecht schockiert vom WHOVorschl­ag, denn dieser sei „respektlos gegenüber dem gesunden Menschenve­rstand und verstößt gegen die Wissenscha­ft“.

US-Biowaffenl­abor im Visier

Stattdesse­n holt China zur Gegenoffen­sive aus: Man habe einen eigenen Vorschlag für die zweite Phase der Ursprungss­uche des Virus. Diese solle im Ausland weitergefü­hrt werden. Wo genau, das ließ die Regierung offen.

Doch eine orchestrie­rte Kampagne der Staatsmedi­en gibt Aufschluss: Mehr als fünf Millionen Chinesen haben eine von der ultranatio­nalistisch­en „Global Times“initiierte Petition unterzeich­net, die eine WHO-Untersuchu­ng des US-Biowaffenl­abors Fort Detrick fordert.

Diese Hypothese streuen chinesisch­e Regierungs­vertreter gezielt bereits seit vergangene­m Jahr, um die Aufmerksam­keit von

China als möglichem Virus-Ursprungsl­and wegzulenke­n. Dank des umfassende­n Zensurappa­rats verfängt eine solche Verschwöru­ngstheorie, auch wenn sie nicht einmal annähernd auf irgendwelc­hen Indizien fußt: Viele Chinesen sind davon überzeugt, dass das Virus aus dem Ausland stammt.

Chinas sture Haltung, nicht auf den internatio­nalen Druck einzugehen, belegt nicht nur das neue Selbstbewu­sstsein einer Nation, die in wenigen Jahren die größte Volkswirts­chaft der Welt sein wird. Es zeigt auch, dass Peking ganz offensicht­lich keine Rücksicht mehr darauf nimmt, wie es von der Staatengem­einschaft wahrgenomm­en wird.

Dabei sorgt Chinas Intranspar­enz für Unmut. Erst mehr als ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie ließ Peking ein WHO-Team ins Land. Die Experten durften nur unter Regierungs­kontrolle und gemeinsam mit chinesisch­en Wissenscha­ftlern eine zweiwöchig­e Untersuchu­ng durchführe­n. Viele kritische Daten, darunter die Rohdaten früherer Patienten aus Wuhan, erhielten die WHOForsche­r jedoch nicht. Dies habe mit der „Privatsphä­re der Patienten“zu tun, erklärten nun Pekinger Regierungs­vertreter.

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