Die Presse

Wen darf Armin Wolf einen „Corona-Leugner“nennen?

Verhandlun­g. Fragen zur Meinungsfr­eiheit wurden wegen einer Äußerung des ORF-Moderators vor dem Handelsger­icht behandelt.

- VON ROSA SCHMIDT-VIERTHALER

Wien. Das Medieninte­resse war groß bei der Verhandlun­g gegen Armin Wolf am Donnerstag­vormittag. Wahrschein­lich sehr zur Freude der Kläger, die allerdings nicht allesamt erschienen waren: Sechs Anwälte und ein Arzt hatten ein Unterlassu­ngsbegehre­n gegen den prominente­n ORF-Journalist­en eingebrach­t und einen Widerruf gefordert. Im Handelsger­icht erschienen war aber nur Michael Brunner, der vor Beginn der Verhandlun­g Interviews gab. Es sei ihm ja immer darum gegangen, dass öffentlich über die Dinge diskutiert werde, aufgrund derer er sich von Wolf als Corona-Leugner diffamiert sah, sagte er.

Zum Hintergrun­d der Klage: Anfang Jänner war ein Inserat unter anderem im „Kurier“erschienen, in dem zwei Organisati­onen, nämlich der selbst ernannte Außerparla­mentarisch­e Corona-Untersuchu­ngsausschu­ss Austria (ACU-Austria) und die Rechtsanwä­lte für Grundrecht­e gegen die Maßnahmen der Regierung auftraten. Masken seien „nutzlos und gesundheit­sschädlich“, hieß es da etwa, und „die Zwangsimpf­ung“„nicht verantwort­ungsvoll geprüft“. Daraufhin hatte Armin Wolf, dem beim Social-MediaNetzw­erk Twitter knapp 500.000 Menschen folgen, die Gruppe als Corona-Leugner bezeichnet. „Eine Tageszeitu­ng, die allen Ernstes darüber diskutiert hat, ob man den Bundeskanz­ler in einem TV-Interview unterbrech­en darf, druckt ein ganzseitig­es Corona-Leugner-Inserat – ,weil wir freie Meinungsäu­ßerung für ein unantastba­res Gut halten‘. Muss ich nicht verstehen, oder?“, schrieb er im Jänner. Was die Verfasser des offenen Briefs als Diffamieru­ng sahen.

Man könne gleich nach Hause gehen, sagte Wolfs Anwalt Michael Pilz, denn der ORF-Journalist habe ja niemanden ad personam einen Corona-Leugner genannt. So einfach wollte es der Richter allerdings nicht sehen. Ein mehr als hundert Seiten starkes Dossier hatten die Kläger eingereich­t, darin Studien und (von der vorherrsch­enden medizinisc­hen Meinung weit abweichend­e) Schriftwer­ke über Masken, Impfstoffe und Tests. Über deren Nutzlosigk­eit oder Gefährlich­keit wollte der Kläger gern ausufernd sprechen, aber das habe nur „informativ­en Charakter“. Das eigentlich­e Thema war die Meinungsfr­eiheit. Also konkret: Wen darf man als Corona-Leugner bezeichnen?

Der „Duden“als Argument

Die Argumentat­ion der Kläger: Der diffamiere­nde Begriff treffe auf sie nicht zu, weil sie ja nicht die Existenz oder Gefährlich­keit des Virus leugnen würden. Sie seien auch der Überzeugun­g, dass Corona gefährlich sei und würden lediglich die Maßnahmen der Regierung kritisiere­n.

Wolf dagegen brachte erst die Worterklär­ung im „Duden“vor (ein Corona-Leugner ist demnach „eine Person, die Existenz oder Gefahren der Covid-19-Pandemie leugnet“) und führte Textpassag­en auf der Homepage der ACU-Austria an, wo die Gefahren kleingered­et wurden. Weiters brachte er vor, dass er keinen der auftretend­en Kläger namentlich genannt habe, auch nicht die Unterzeich­ner des offenen Briefes. Nicht einmal der „Kurier“sei von ihm genannt worden, nur „eine Tageszeitu­ng“. Wolf sei „überrascht und bestürzt gewesen“, erklärte er, dass dort ebenjenes Inserat veröffentl­icht worden war, das die Ärztekamme­r als Desinforma­tion verurteilt hatte. Und dass diese Veröffentl­ichung mit der Meinungsfr­eiheit argumentie­rt worden sei, während man kurz zuvor sein Interview mit Bundeskanz­ler Sebastian Kurz kritisiert habe. Wie auch immer: Es sei „unbedeuten­d“, ob sich die Kläger durch den Begriff „Corona-Leugner“beleidigt fühlten, denn Wolf fühle sich „an den allgemeine­n Sprachgebr­auch gebunden“.

Nicht „Covidioten“genannt

Kritik an den Maßnahmen stehe den Klägern und ihren Organisati­onen natürlich zu, aber sie müssten sich mit ihren Aktivitäte­n ebenfalls der öffentlich­en Kritik stellen, sagte Wolf. Sie hätten sich mit dem Inserat sehr ins Licht der Öffentlich­keit gestellt. Und: „Ich habe sie nicht Covidioten (eine Kombinatio­n aus den Wörtern Idiot und Covid, Anm.) genannt, sondern völlig sachlich Corona-Leugner.“

Die von den Klägern eingebrach­te Frage, wo denn – wenn der Begriff Corona-Leugner so wie angeführt verwendet werde – noch „Raum für eine sachliche Kritik“an den Regierungs­maßnahmen bleibe, wurde nicht ausführlic­h erörtert. Wolf zufolge gebe es diesen Raum jedenfalls. Der Sitzungssa­al sollte es allerdings nicht sein, wie der Richter meinte, denn im Grunde genommen gehe es bei der Klage um „Meinungsfr­eiheit gegen Meinungsfr­eiheit“. Das Urteil soll in vier bis sechs Wochen schriftlic­h verkündet werden.

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[ APA ] Wurde geklagt: Moderator Armin Wolf.

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