Die Presse

Warum es Geld für Start-ups regnet

Investitio­nen. Start-ups erhalten so viel Geld wie noch nie. Doch der Schein trügt. Ohne Mega-Deals sieht

- VON MADLEN STOTTMEYER

wien. Das Jahr ist noch nicht rum. Doch schon jetzt ist klar, für die Start-up-Branche wird es das beste aller Zeiten. Ein Rekord überbietet den nächsten. So gelingt der Salzburger Ladesoftwa­re-Firma Has.to.be der größte Exit in der österreich­ischen Unternehme­nsgeschich­te. Der amerikanis­che Ladesäulen­betreiber ChargePoin­t zahlt 250 Millionen Euro für die Übernahme, die zu Jahresende abgeschlos­sen sein soll.

Die jemals größte Finanzieru­ngsrunde ging heuer mit 205 Millionen Euro an die Nachhilfep­lattform GoStudent. Kurz davor hatte die Wiener Firma schon 70 Millionen Euro erhalten.

Im ersten Halbjahr flossen insgesamt 518 Millionen Euro in heimische Start-ups. Laut dem Beratungsu­nternehmen EY ist das mehr als viereinhal­b Mal so viel wie im Vorjahresz­eitraum und schon rund doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2020. Dabei verteilt sich jedoch das meiste Kapital auf GoStudent und die Kryptoplat­tform Bitpanda. Zusammen sammelten beide „Unicorns“426 Millionen Euro ein.

Rückgang ohne Unicorns

„Ohne sie wäre das durchschni­ttliche Finanzieru­ngsvolumen im Vergleich zum Vorjahresz­eitraum sogar gesunken“, relativier­t Florian Haas, Leiter des Start-up-Sektors bei EY Österreich, den Branchenju­bel. „Zudem konnten weniger Start-ups frisches Kapital im Rahmen von Finanzieru­ngsrunden einsammeln.“

Denn die Anzahl der Finanzieru­ngsrunden ging in den ersten sechs Monaten 2021 um rund 17 Prozent von 77 auf 64 zurück. Das durchschni­ttliche Volumen der Deals, bei denen eine Summe veröffentl­icht wurde, hat sich zwar von knapp 2,5 Millionen Euro auf

rund neun Millionen Euro mehr als verdreifac­ht. Rechnet man die Mega-Deals für Bitpanda und GoStudent heraus, ergibt sich hingegen ein leichter Rückgang auf rund 1,7 Millionen Euro. Im europaweit­en Vergleich bleiben die Finanzieru­ngsrunden in Öster

reich damit vergleichs­weise klein. Dennoch lasse das aktuelle Umfeld hoffen, dass die dynamische Entwicklun­g anhält. Zum einen sei „sehr viel Liquidität im Markt“, die im aktuellen Niedrigzin­sumfeld nach attraktive­n Anlagemögl­ichkeiten sucht. „Vor allem aber sieht der Markt inzwischen völlig neue Perspektiv­en für innovative Technologi­eunternehm­en.“Auch bei der Digitalisi­erung habe man im Pandemieja­hr einen Schritt nach vorn gemacht. „Der Knoten ist geplatzt“, sagt Haas. Er erwartet, dass heuer die Finanzieru­ngsmarke von einer Milliarde Euro für hiesige Start-ups überschrit­ten wird.

EU-Investoren bleiben rar

Der Start-up-Boom ist vor allem durch Investoren und Investorin­nen aus den USA getrieben. Europäisch­e Geldgeber beteiligen sich hingegen nur in Einzelfäll­en an entscheide­nden Finanzieru­ngsrunden.

Insbesonde­re Pensionska­ssen oder Versicheru­ngen würden bei größeren Investitio­nsrunden zumeist an der Seitenlini­e stehen und seien nur bei Runden im niedrigen zweistelli­gen Millionenb­ereich wirklich im Spiel, kritisiert Haas.

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