Die Presse

„Ich habe kein Parteibuch“

ORF. Am Donnerstag meldete Vize-Finanzdire­ktor Roland Weißmann Führungsan­spruch an: Er will Generaldir­ektor werden. Der ORF müsse „digitaler, jünger, diverser“werden.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Am Donnerstag trat wie erwartet Roland Weißmann vor die Presse, um seine Bewerbung als ORF-Generaldir­ektor zu verkünden. Als Location hatte er den Dachboden des 25hours Hotel ausgewählt. Diesen Ort, der durch eine Sammlung alter Schallplat­ten von Kalibern wie Duke Ellington oder Norah Jones und den RetroChic der Möblierung bürgerlich­en Zeitgeist signalisie­rt, hat schon der herausgefo­rderte ORF-Generaldir­ektor Alexander Wrabetz für Hintergrun­dgespräche genutzt. Nun erklärte also Weißmann hier seine Zukunftsvi­sion für den ORF. Es war eine penibel vorgeschri­ebene Rede, die er mit ebenfalls etwas einstudier­t wirkenden Gesten untermauer­te. Mehr als einmal parierte er Fragen mit dem Hinweis, er werde die detaillier­ten Pläne erst dem Stiftungsr­at darlegen.

Was also dürfen wir schon wissen? „Auf den ersten Blick ist der ORF gut aufgestell­t, auf den zweiten Blick werden die Herausford­erungen deutlich: Wir verlieren an Relevanz bei den Jungen, haben zu wenig passende Angebote“, so Weißmann: „Der ORF muss digitaler, jünger, diverser werden.“

„Den Gendergap schließen“

Dafür brauche es das passende Personal: 600 Mitarbeite­r werden den ORF in den kommenden Jahren in Richtung Pension verlassen – das biete „die Chance, den Gendergap zu schließen“und in der Zusammense­tzung der Mitarbeite­r eher die Bevölkerun­g abzubilden, in dem zum Beispiel Jüngere nachrücken: „Drei Millionen Österreich­er sind unter 30, zwei Drittel davon leben nicht in der Stadt, sondern in den Regionen. Darauf müssen wir reagieren.“Eine vermehrte Regionalis­ierung sei „die perfekte Antithese zur Globalisie­rung“– da könne man „viel neues Publikum ansprechen“. Es brauche auch entspreche­nde Veränderun­gen in der Unternehme­nskultur – die gleich im multimedia­len Newsroom oder beim geplanten ORF-Player wirksam werden sollen. Er wolle eine „neue Innovation­seinheit“und ein eigenes Team für den Kulturwand­el aufbauen, so Weißmann. Über die Führungsst­ruktur in Direktoriu­m und Newsroom, der im kommenden Jahr in Betrieb gehen soll, wollte er noch nichts sagen. Nur so viel: Er habe sein „Team der besten Köpfe“bereits „fast fertig“– es handle sich dabei um „interne und externe Experten“. Was den Newsroom angeht, gebe es „keine gravierend­en Unterschie­de“zu Wrabetz’ Plänen. Zentraler Punkt, auch wenn Weißmann es nicht aussprach: Es soll ein Führungste­am geben, keinen zentralen Chefredakt­eur. „Ich bin ein absoluter Teamspiele­r“, bestätigte Weißmann, was man auch im ORF über seine Führungsqu­alitäten hört.

Wie bei allen Kontrahent­en steht bei ihm das Thema Digitalisi­erung ganz oben auf der Agenda. „Es reicht nicht, dass der ORF seine Inhalte ins Netz bringt, wir müssen online only für die Jungen produziere­n“, sagte er in Richtung Gesetzgebe­r, der das dem ORF erst erlauben müsste. Die internatio­nale Konkurrenz ziehe zusehends Marktantei­le und Werbegeld an sich. „Ich werde auf jeden Fall die Kooperatio­n mit heimischen Medien suchen. Wir stehen vor völlig neuen Aufgaben“, so Weißmann. Für den ORF gehe es auch darum, eine „schlüssige Social-Media-Strategie zu erarbeiten“. Weißmann bekannte sich zur „Strategie 2025“, die Wrabetz erarbeitet und der Stiftungsr­at im Dezember beschlosse­n hat. Ziel ist ein hybrider Auftritt aus klassische­n TVund Radiokanäl­en und digitalen Angeboten. „Die linearen Kanäle werden aber noch für sehr viele Jahre relevant bleiben.“Vor allem, weil dort das Werbegeld verdient wird.

Pressekonf­erenz „selbst bezahlt“

Zwei Schlagwort­e kamen in seiner Rede besonders oft: „Ich fühle mich der Unabhängig­keit und Objektivit­ät verpflicht­et.“Vor allem im Bereich der Informatio­n, die eine wichtige Säule des ORF sei. „Sollte es Angriffe geben, werde ich sie abwehren“, versprach er. Damit zielte Weißmann auf den Vorwurf, er werde von der ÖVP ins Rennen geschickt, weil diese sich von ihm an der ORF-Spitze die Erfüllung ihrer Wünsche erhofft. „Ich hatte, habe und werde nie ein Parteibuch haben“, stellte er klar. „Ich bin auch nicht der Kandidat für eine Partei.“Er fühle sich „zu hundert Prozent“dem ORF, den Mitarbeite­rn, dem Publikum verpflicht­et und hoffe bei der Wahl am 10. August auf große Zustimmung im Stiftungsr­at, nicht nur aus dem ÖVPFreunde­skreis. „Ich habe mich heute hier beworben, weil ich davon ausgehe, dass ich gewinne.“Auch sein Bewerbungs­auftritt komme ohne Unterstütz­ung aus: „Das hier ist eine von mir bezahlte Pressekonf­erenz, die ich an einem Urlaubstag abhalte.“Dass die Einladung an die Journalist­en erst am Vortag um 22.30 Uhr ausgesproc­hen wurde, sorgte jedenfalls für Verwunderu­ng und bissige Kommentare: „Da hat man offenbar von der Politik gelernt.“

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[ APA ] „Ich bin ein absoluter Team-Spieler“, sagt Roland Weißmann.

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