„Ich habe kein Parteibuch“
ORF. Am Donnerstag meldete Vize-Finanzdirektor Roland Weißmann Führungsanspruch an: Er will Generaldirektor werden. Der ORF müsse „digitaler, jünger, diverser“werden.
Am Donnerstag trat wie erwartet Roland Weißmann vor die Presse, um seine Bewerbung als ORF-Generaldirektor zu verkünden. Als Location hatte er den Dachboden des 25hours Hotel ausgewählt. Diesen Ort, der durch eine Sammlung alter Schallplatten von Kalibern wie Duke Ellington oder Norah Jones und den RetroChic der Möblierung bürgerlichen Zeitgeist signalisiert, hat schon der herausgeforderte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz für Hintergrundgespräche genutzt. Nun erklärte also Weißmann hier seine Zukunftsvision für den ORF. Es war eine penibel vorgeschriebene Rede, die er mit ebenfalls etwas einstudiert wirkenden Gesten untermauerte. Mehr als einmal parierte er Fragen mit dem Hinweis, er werde die detaillierten Pläne erst dem Stiftungsrat darlegen.
Was also dürfen wir schon wissen? „Auf den ersten Blick ist der ORF gut aufgestellt, auf den zweiten Blick werden die Herausforderungen deutlich: Wir verlieren an Relevanz bei den Jungen, haben zu wenig passende Angebote“, so Weißmann: „Der ORF muss digitaler, jünger, diverser werden.“
„Den Gendergap schließen“
Dafür brauche es das passende Personal: 600 Mitarbeiter werden den ORF in den kommenden Jahren in Richtung Pension verlassen – das biete „die Chance, den Gendergap zu schließen“und in der Zusammensetzung der Mitarbeiter eher die Bevölkerung abzubilden, in dem zum Beispiel Jüngere nachrücken: „Drei Millionen Österreicher sind unter 30, zwei Drittel davon leben nicht in der Stadt, sondern in den Regionen. Darauf müssen wir reagieren.“Eine vermehrte Regionalisierung sei „die perfekte Antithese zur Globalisierung“– da könne man „viel neues Publikum ansprechen“. Es brauche auch entsprechende Veränderungen in der Unternehmenskultur – die gleich im multimedialen Newsroom oder beim geplanten ORF-Player wirksam werden sollen. Er wolle eine „neue Innovationseinheit“und ein eigenes Team für den Kulturwandel aufbauen, so Weißmann. Über die Führungsstruktur in Direktorium und Newsroom, der im kommenden Jahr in Betrieb gehen soll, wollte er noch nichts sagen. Nur so viel: Er habe sein „Team der besten Köpfe“bereits „fast fertig“– es handle sich dabei um „interne und externe Experten“. Was den Newsroom angeht, gebe es „keine gravierenden Unterschiede“zu Wrabetz’ Plänen. Zentraler Punkt, auch wenn Weißmann es nicht aussprach: Es soll ein Führungsteam geben, keinen zentralen Chefredakteur. „Ich bin ein absoluter Teamspieler“, bestätigte Weißmann, was man auch im ORF über seine Führungsqualitäten hört.
Wie bei allen Kontrahenten steht bei ihm das Thema Digitalisierung ganz oben auf der Agenda. „Es reicht nicht, dass der ORF seine Inhalte ins Netz bringt, wir müssen online only für die Jungen produzieren“, sagte er in Richtung Gesetzgeber, der das dem ORF erst erlauben müsste. Die internationale Konkurrenz ziehe zusehends Marktanteile und Werbegeld an sich. „Ich werde auf jeden Fall die Kooperation mit heimischen Medien suchen. Wir stehen vor völlig neuen Aufgaben“, so Weißmann. Für den ORF gehe es auch darum, eine „schlüssige Social-Media-Strategie zu erarbeiten“. Weißmann bekannte sich zur „Strategie 2025“, die Wrabetz erarbeitet und der Stiftungsrat im Dezember beschlossen hat. Ziel ist ein hybrider Auftritt aus klassischen TVund Radiokanälen und digitalen Angeboten. „Die linearen Kanäle werden aber noch für sehr viele Jahre relevant bleiben.“Vor allem, weil dort das Werbegeld verdient wird.
Pressekonferenz „selbst bezahlt“
Zwei Schlagworte kamen in seiner Rede besonders oft: „Ich fühle mich der Unabhängigkeit und Objektivität verpflichtet.“Vor allem im Bereich der Information, die eine wichtige Säule des ORF sei. „Sollte es Angriffe geben, werde ich sie abwehren“, versprach er. Damit zielte Weißmann auf den Vorwurf, er werde von der ÖVP ins Rennen geschickt, weil diese sich von ihm an der ORF-Spitze die Erfüllung ihrer Wünsche erhofft. „Ich hatte, habe und werde nie ein Parteibuch haben“, stellte er klar. „Ich bin auch nicht der Kandidat für eine Partei.“Er fühle sich „zu hundert Prozent“dem ORF, den Mitarbeitern, dem Publikum verpflichtet und hoffe bei der Wahl am 10. August auf große Zustimmung im Stiftungsrat, nicht nur aus dem ÖVPFreundeskreis. „Ich habe mich heute hier beworben, weil ich davon ausgehe, dass ich gewinne.“Auch sein Bewerbungsauftritt komme ohne Unterstützung aus: „Das hier ist eine von mir bezahlte Pressekonferenz, die ich an einem Urlaubstag abhalte.“Dass die Einladung an die Journalisten erst am Vortag um 22.30 Uhr ausgesprochen wurde, sorgte jedenfalls für Verwunderung und bissige Kommentare: „Da hat man offenbar von der Politik gelernt.“