Die Presse

Im Ensemblest­ück muss die Buhlschaft ins Wasser gehen

Verena Altenberge­r spielt im Ö-Film „Me, We“eine Flüchtling­shelferin.

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Muss man jetzt immer, wenn man Verena Altenberge­r in einem Artikel erwähnt, den Titel Buhlschaft vor ihren Namen setzen? Wenigstens bis zum Ende der Salzburger Festspiele fühlt man sich stark dazu angehalten. Die Aufregung vor und Begeisteru­ng nach ihrem heurigen Jedermann-Einstand binden das zwiespälti­ge Rollen-Label fest an das Image der 33-jährigen Pongauerin. Theatermuf­fel kennen sie freilich eher aus Film und Fernsehen. Etwa als suchtkrank­e Mutter in Adrian Goigingers Drama „Die beste aller Welten“(2017). Oder aus David Schalkos „M – eine Stadt sucht einen Mörder“(2019), wo sie bereits an der Seite von Lars Eidinger spielte.

Wer bislang noch keine Gelegenhei­t hatte, Altenberge­r auf der Leinwand zu erleben, kann das jetzt nachholen: Am Freitag startet nämlich „Me, We“, ein Ensembledr­ama des aus Südamerika stammenden Wiener Filmemache­rs David Clay Diaz, in heimischen Kinos. Altenberge­r gibt hier eine junge NGO-Volontärin, die nicht mehr tatenlos zusehen, stattdesse­n auf Lesbos Geflüchtet­en helfen will. Passend zum Internet-Auftritt der Schauspiel­erin: Das Statement „Refugees welcome“ziert Altenberge­rs Facebook- und Twitter-Accounts. Doch die Rolle ist komplexer, als der erste Blick verrät. Marie (so symbolisch heißt diese – wie sich später herausstel­lt – Tochter aus wohlbehüte­tem Hause) steckt voller Engagement und gutem Willen. Trotzdem muss sie bald erkennen, dass „Hilfe vor Ort“nicht so einfach ist, wie sie es sich aus weiter, bürgerlich­er Ferne ausgemalt hat. Als das lokale NGO-Rettungssc­hiff seine Einsatzgen­ehmigung verliert, versucht Marie, auf eigene Faust nach Menschen in Seenot zu suchen. Und landet daraufhin selbst haltlos im Wasser.

Altenberge­rs bodenständ­ige Ausstrahlu­ng verleiht der Figur jene Erdung, die das Drehbuch von Diaz und Senad Halilbasiˇ­c´ schuldig bleibt. Zwar wirkt das Erzählgefl­echt rund um ungleiche Europäer, die an ihrem Umgang mit notgedrung­ener Migration reifen oder verzweifel­n, weniger konstruier­t als Diaz’ Debüt „Agonie“. Die Skriptblät­ter rascheln aber weiterhin unüberhörb­ar. Der DiagonaleS­chauspielp­reis für Lukas Miko in der Rolle eines überforder­ten Heimleiter­s wirkt immerhin verdient. Wer mehr Altenberge­r will, kann sie nächste Woche in „Generation Beziehungs­unfähig“sehen – allerdings nur in einer Kleinstrol­le. (and)

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