Habsburgs Doppeladler ist allgegenwärtig
Die Wappen auf Wiener Kirchen und Palais mit neuen Augen betrachtet.
Sein gesamtes Berufsleben durfte Michael Göbl seine Leidenschaft für Archive leben. Das Allgemeine Verwaltungsarchiv, das Haus-, Hof- und Staatsarchiv – hier diente er der Geschichtsforschung im österreichischen Rahmen, aber auch international. Wer also, fragen wir, wäre besser geeignet, über die unzähligen Wappen an Palais, Kirchen, Denkmälern, Verwaltungs- und Kulturbauten in Wien zu referieren? Diese Zeichen sind im öffentlichen Raum sichtbar und verleihen den Bauwerken ihre Identität. Wie oft sind wir als „Eingeborene“schon achtlos an ihnen vorübergegangen! Sie sind stumm, können sich nicht mitteilen. Daher braucht es sachkundige Information. Und die liefert uns Michael Göbl anhand von 155 Fotografien verschiedenster Wappengattungen, die im historischen Wien zu sehen sind.
Aber wo beginnen? Zunächst bei der einstigen kaiserlich-königlichen Residenz, der Herzkammer einer Vielvölkermonarchie. Selbst der achtloseste Wiener wird sich an den Doppeladler über dem Eingang zum Schweizerhof erinnern, eventuell auch an jenen hoch droben über dem Reichskanzleitrakt und über der Neuen Hofburg am Heldenplatz. Es entbehrt nicht eines gewissen österreichischen Charmes, dass den diversen republikanischen Bundespräsidenten – egal ob schwarz, rot oder grün – das habsburgische Hoheitszeichen unablässig über die Schulter guckt. Unübersehbar prangt der Doppeladler aber auch auf dem Dach des Stephansdoms, ebenso auf der Turmspitze. Er existiert in Wien in vielfältiger Form, er ist allgegenwärtig. Selbst die Portale der einstigen Hoflieferanten schmücken sich eitel damit.
Dieses heraldische Tier hat – in etwas abgeänderter Form – merkwürdigerweise über dem Eingang des Justizpalastes alle turbulenten Zeiten überlebt. Im „Ständestaat“der Zwischenkriegszeit, also von 1934 bis 1938, galt ein schwarzer Doppeladler mit Heiligenschein als Symbol der Kontinuität zur erloschenen Monarchie. Und so eilen die Beamten, die Richter, Advokaten und Klienten täglich unter dem Zeichen der Dollfuß-SchuschniggÄra ins Gebäude.
Besonders prächtig und kostbar ausgeführt sind natürlich stets die Hauswappen der Adeligen. Ein solcher war auch der Bauherr des Erzbischöflichen Palais, Fürstbischof Sigismund Graf Kollonitz (von Kollograd). 1727 erhielt er den Kardinalshut und der bedeckt seither auch das erzbischöfliche Wappen. Dass der zur Zeit amtierende Erzbischof ebenfalls einem alten Adelsgeschlecht entstammt, hat damit freilich nichts zu tun.
Von Pallavicini bis Palffy´
Trauttmansdorff und Walterskirchen, Schwarzenberg und Schönborn, Batthya-´ ny und Pallavicini, Palffy´ und Montenuovo, Ogilvy und Kolowrat, Lobkowitz und Liechtenstein – sie alle ließen ihre Innenstadtpalais mit Heraldik der feinsten Art schmücken. Dazu kamen später die neuen Reichen, etwa Schey, Wertheim oder Rothschild. Nach den Verwaltungsgebäuden, den Wappen an Palais, Kirchen und Ordenshäusern, widmet sich der Autor ausführlich den Städte-, Gewerbeund Bezirkswappen. Und letztlich ist – und man dankt dafür – ein Adressenregister angeführt.
Das Buch lädt ein zu einer Entdeckungsreise durch die inneren Stadtbezirke mit einem geschärften Blick auf die Häuserfassaden. So anregend kann plötzlich ein Spaziergang werden.