Freie Fahrt für freie Bürger! Das Auto, das Überzeug
Gastkommentar. Die Geschichte des Autos ist eine Geschichte einer einzigartigen Beschlagnahme. Es war lang Symbol des sozialen Aufstiegs.
Ich, der ich in der Wohnung sitze, sage: „Ich stehe in der Ziegelofengasse.“– Warum das? Denn nicht ich stehe dort, sondern der Wagen, den ich fahre. Mit diesem „Ich“identifiziere ich nicht nur das Auto als meines, mit diesem „Ich“kategorisiere ich mich als das Auto selbst. Das Auto, das bin ich, denn sonst würde ich nicht mit dieser Selbstverständlichkeit „Ich“sagen. Es hat mich. Wir, das Es und das Ich, sind eine Einheit.
Keiner Maschine ist es je gelungen, mit ihrem Besitzer so verschmolzen zu werden wie dem Auto. Diese Überidentifikation ist nicht nur determiniert, sie ist überdeterminiert. Das Verhältnis zum Auto ist nicht pragmatisch und instrumentell, es ist paradigmatisch und emotionell. Direkt libidinös. Wir benutzen es nicht bloß, wir finden uns in ihm wieder. „Ich“sagen nicht nur die zahllosen Autoliebhaber, sondern dieses „Ich“unterläuft uns allen. Da wird nicht schlampig oder gar fahrlässig gesprochen, die Sprache drückt vielmehr diese Innigkeit adäquat aus.
Wird das Es in das Ich hineingenommen, oder wird das Ich dem Es beigegeben? Dominant Letzteres. Das unverwechselbare Ich verschenkt sich an das austauschbare Es. Bei anderen Sachen wäre derlei unmöglich, da mögen diese Gebrauchswerte auch noch so fetischistisch aufgeladen sein. Ich bin nicht meine Stereoanlage, meine Motorsäge, meine E-Gitarre, nicht einmal mein Fernseher. Das bin ich nicht, das habe ich nur. Hier jedoch wird Haben zu Sein.
Das Auto ist kein krudes Ding, Marke: Ich fahre es. Das Auto ist mehr als ein Fahrzeug oder präziser: Es ist dieses Mehr im Laufe des Fordismus geworden. Die Geschichte des Autos ist die Geschichte einer Beschlagnahme. Diese Okkupation verläuft andersherum, als man sie sich gemeinhin vorstellt. Das Fahrzeug ist also mehr als ein Zeug, es ist das Überzeug. Als Autofahrer kommt der
Bürger nicht nur zu sich, sondern über sich. Er ist so von sich selbst als dieser Figur überwältigt, eben überzeugt, dass er die Funktionen des Wagens schier als körperliche wahrnimmt. Getriebe und Gedärme werden eins. Beim Fahren werden die Prothesen (Schalter, Pedale, Knöpfchen, Lenkrad) mehr organisch als mechanisch wahrgenommen. Ich vergrößere mich. Sobald der Motor läuft, synchronisieren sich Fahrer und Fahrzeug.
Autofahren ist eine bürgerliche Leidenschaft. Mit dem Auto ist man scheinbar nicht auf sich zurückgeworfen, im Gegenteil, man stellt etwas dar, man kommt weiter. Es ist die private Mobilisierungsmaschine schlechthin. Signifikat des mobilen und mobilisierten Bürgers. Freie Fahrt für freie Bürger! Das Auto ist auch nicht nur ein, sondern das Symbol des sozialen Aufstiegs, mehr als jede andere Apparatur. Als Mobilie hat es gegenüber allen Immobilien den Vorzug. Man kann es zeigen, es ist vor allem auch laut, macht