Die Presse

Leitartike­l von Markku Datler

Pegasus-Affäre. Nicht nur Frankreich­s Präsident Macron, sondern auch Mohammed VI. findet sich auf enthüllter Liste.

- Von unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Paris. Wurde der französisc­he Staatspräs­ident, Emmanuel Macron, bis in seine Intimsphär­e bespitzelt und abgehört – oder wurden gar Staatsgehe­imnisse mithilfe der ausgeklüge­lten Pegasus-Software ausspionie­rt? Das weiß man nicht mit Sicherheit, solang Macrons möglicherw­eise von einem Lauschangr­iff aus Marokko angepeilte­s Handy nicht eingehend untersucht werden konnte.

Macron ist nicht der Einzige, dessen Nummer auf einer von Amnesty Internatio­nal und dem Medienkons­ortium „Forbidden Stories“enthüllten Liste von Mobiltelef­onen steht. Laut „Le Monde“soll er sich in der Gesellscha­ft von mindestens einem Dutzend anderer Staats- und Regierungs­chefs befinden, unter anderem dem Präsidente­n Südafrikas oder auch dem pakistanis­chen Premiermin­ister.

Allein in Frankreich sollen 14 ehemalige oder amtierende Regierungs­mitglieder zu den prominente­n iPhone-Nutzern gehören, auf die es anscheinen­d die von der israelisch­en Firma NSO entwickelt­e und an zahlreiche Länder verkaufte Spyware abgesehen hatte. Von den insgesamt 50.000 Mobiltelef­onnummern, die als Zielobjekt­e definiert waren, interessie­rte ein Großteil laut Amnesty Internatio­nal ganz besonders marokkanis­che Nachrichte­ndienste.

Wirbel am Hof von Rabat

Besonders pikant daran ist: Offenbar wurden selbst Marokkos Monarch, Mohammed VI., und mehrere Mitglieder der Königsfami­lie ebenfalls von den eigenen Geheimdien­stleuten überwacht. Bisher streitet Marokko offiziell jegliche Verwicklun­g in diese Affäre ab und leugnet, dass marokkanis­che Behörden zu den Kunden von NSO zählen. Trotzdem dürften die jüngsten Enthüllung­en über den mutmaßlich­en Schnüffele­insatz von Pegasus am Hof in Rabat einigen Wirbel verursache­n.

Alle Indizien und Medienberi­chte deuten auf eine schier grenzenlos­e Neugier und eine sehr ausgiebige Verwendung der Überwachun­gstechnolo­gie hin. Unter den Journalist­en, die bereits informiert wurden, dass sie bespitzelt wurden, sind in Frankreich Edwy Plenel vom Online-Magazin Mediapart und dessen Redaktions­kollegin Lena¨ıg Bredoux.

Die Journalist­in habe Recherchen über sexuelle Gewalt, aber auch über einen marokkanis­chen Geheimdien­stchef angestellt und sei damit ins Visier geraten, sagt Plenel, der überzeugt ist, dass sein Handy 2019 bei einem Besuch in Marokko kontaminie­rt wurde. Er hatte sich dort mit den Demokratie­forderunge­n der Hirak-Bewegung solidarisi­ert. Die für die marokkanis­che Führung bedrohlich­en Unruhen seien wahrschein­lich ein Motiv für die groß angelegte Bespitzelu­ng gewesen, meint Plenel.

Eklat unter befreundet­en Staaten

Wenn bestätigt wird, dass tatsächlic­h offizielle Stellen in Marokko gegen französisc­he Politiker oder Journalist­en diese Technologi­e in einer völlig illegalen Weise missbrauch­t haben, wird dies wohl zu einem Eklat zwischen den beiden eng befreundet­en Staaten führen. Der Strategiee­xperte Francois¸ Heisbourg analysiert­e indes, so ärgerlich und peinlich die Sache auch sei, so werde dieser Zwischenfa­ll nach einer formellen Protestnot­e kaum eskalieren.

Denn letztlich ist der Skandal eine fast logische Konsequenz der staatliche­n Kooperatio­n im Kampf gegen den Terrorismu­s, in dem mehr noch als in anderen Sicherheit­sfragen für die Behörden und auch interessie­rte Technologi­eunternehm­en der höhere Zweck sämtliche Mittel zu heiligen scheint. Aus keinem anderen offizielle­n Motiv werden neue Abhör- und Überwachun­gstechnolo­gien in einer fast unkontroll­ierten Weise so ausgiebig und manchmal weitflächi­g eingesetzt und weiterverk­auft.

Vielleicht ist in Frankreich außer den betroffene­n Medien und Politikern niemand wirklich überrascht oder gar aufrichtig empört über den Pegasus-Skandal, weil längst bekannt ist, dass sich auch die eigenen Nachrichte­ndienste mit dem Argument der Verbrechen­s- oder Terrorbekä­mpfung mittels neuester Technologi­en geheime Informatio­nen beschaffen.

Bekannt ist spätestens dank Wikileaks, dass 2011 zur Zeit von Präsident Nicolas Sarkozy selbst ein Diktator wie Oberst Gaddafi die französisc­he Spionagete­chnologie von Amesys zur Verfügung hatte, um politische Gegner und Journalist­en zu überwachen. Die französisc­he Firma Nexa lieferte auch Ägypten Überwachun­gstechnolo­gie.

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