Die Presse

CDU-Team soll Laschet retten

Die Union zittert um die Macht. Ihre Umfragewer­te sind desaströs. Ein „Zukunftste­am“soll die Wende bringen. Kluger Schachzug oder „Verzweiflu­ngstat“? Besuch in der CDU-Zentrale.

- V on unserem Korrespond­enten JÜRG EN STREI H AMMER

Die Umfragen für die Union sind desaströs, nun setzt man auf ein „Zukunftste­am“.

Auf der Bühne im KonradAden­auer-Haus, der CDU-Zentrale, formen die acht Mitglieder des neuen „Zukunftste­ams“der Union ein Dreieck, in dessen Mitte Armin Laschet posiert. Für die Kameras lächeln jetzt unter anderem der wirtschaft­sliberale Routinier Friedrich Merz, der renommiert­e Terrorismu­sexperte Peter Neumann, der Berliner Musikmanag­er Joe Chialo und die Juristin und CDU-Vizechefin, Silvia Breher, die mit ihrer punkigen Undercut-Frisur auffällt. Vier Frauen, vier Männer. Aus West und Ost. Keinesfall­s alle bundesweit bekannt.

Das neue Team soll die „Vielfalt“der Union abbilden. Und den straucheln­den Kanzlerkan­didaten im Endspurt stützen. Oder böser formuliert: Die Mannschaft soll die Aufmerksam­keit ein bisschen weglenken vom Kapitän, von Laschet, dem die Deutschen in großer Mehrheit jedes Kanzlerfor­mat absprechen.

Als Laschet eine gute halbe Stunde zuvor das Podium betritt, steht er jedenfalls mit dem Rücken zur Wand. Im doppelten Sinn. Physisch und politisch. Zuletzt wies auch der seriöse ZDF-Politbarom­eter die Union hinter der SPD aus. Zum ersten Mal seit 19 Jahren. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass ein weiteres Institut einen historisch­en Tiefstand von CDU/CSU vermeldet – 21, 22 Prozent. Die Union! Die Nummer eins der letzten 16 Jahre, die schon bitter enttäuscht war, als sie 2017 bei 32,9 Prozent landete. Die Realität ist düsterer als jedes Worst-Case-Szenario.

Laschet greift nach dem Mikro. „Für mich war immer wichtig, dass die CDU als Team sichtbar wird“, sagt er. Aber daran gab es zuletzt Zweifel. Der Rheinlände­r musste lang bedrängt werden, eine Mannschaft zu benennen. „Wir müssen jetzt endlich ein Team aufstellen“, sagte ein CDU-Vorstandsm­itglied zur „Presse“. Und zwar Mitte August. Berichten zufolge wehrte sich Laschet auch deshalb lang, weil jede Auswahl Verlierer hinterläss­t. Aber der Kanzlerkan­didat strickte eben anfangs an der Erzählung, dass er zwar kein Selbstinsz­enierer sei, keine Rampensau, aber ein „Teamkapitä­n“, einer, der „zusammenfü­hren kann“. Die Geschichte ging ihm irgendwann verloren.

Jetzt will er sie aufwärmen. Sehr spät. „Das hätte er vor drei Wochen machen müssen“, flüstern sich zwei Zuhörer zu. „Der Spiegel“wähnte eine „Verzweiflu­ngstat“.

Laschet ist an diesem Morgen Moderator. In engem Takt holt er seine Teamspiele­r auf die Bühne. Als Erstes kündigt er Merz an, einen „der profiliert­esten Finanzpoli­tiker der Republik“. Merz zählt ein paar Wahlkampfk­lassiker auf: ausgeglich­ener Haushalt, entlasten statt belasten, festhalten an der Schuldenbr­emse. Es ist nicht so, dassesindi­esemWahlka­mpfkeine scharfen inhaltlich­en Trennlinie­n zwischen den Parteien gibt.

Laschet stichelt gegen SPD

Dann werden reichlich „Turbos“gezündet. Beim Klima fordert Andreas Jung (CDU) „mehr Tempo“, bei der Digitalisi­erung selbiges Dorothee Bär (CSU). Und zum Finale wagt Laschet noch einen Angriff. Sein Team stehe jetzt. „Ich bin gespannt, wen die SPD aufzubiete­n hat.“Man habe ja den Eindruck, „da werden im Moment viele versteckt“. Der CDU-Chef spielt darauf an, dass die SPD zurzeit eine „One-Man-Show“ist, die den Titel Olaf Scholz trägt, während die prononcier­t linke Parteiführ­ung kaum sichtbar ist. Die Warnungen der Union vor einer „Linksregie­rung“laufen zurzeit in Dauerschle­ife. Bisher zündet die Botschaft nicht. Und es bleibt nicht viel Zeit, den Trend zu drehen. Die Ersten stimmen schon per Briefwahl ab.

Friedrich Merz sitzt hernach kurz mit Journalist­en zusammen. Natürlich wird er nach den desaströse­n Umfragewer­ten gefragt. „Das ist nicht schön“, sagt er. „Aber ich empfinde es auch als hilfreich. Die Truppe wacht jetzt auf und macht einmal Wahlkampf.“Merz ist ein Fixstarter in einer Regierung Laschet. Er spricht das auch aus: „Be i mir hat er (Laschet) sich ja gewisserma­ßen festgelegt.“Was für eine Wende! Als Merz im Jänner erneut den Kampf um den CDU-Vors itz verlor, wurden schon politische Nachrufe auf ihn verfasst.

Also ist das Team ein Schattenka­binett? Merz sagt, die Mitglieder würden in Regierungs­verantwort­ung „eine Rolle spielen“, welche genau, das könne noch niemand sagen. Also außer bei Merz. Auffallend: Jens Spahn, der Gesundheit­sminister, der Laschets Aufstieg zum CDU-Chef als Nummer zwei flankierte, fehlt. Merz beschwicht­igt. Laschet wollte ein paar „zusätzlich­e Gesichter zeigen, die nicht in der Regierung sind“. Wobei mit Dorothee Bär, der CSU-Vertreteri­n, schon ein Regierungs­mitglied, zuständig für Digitales, an Bord ist. Die FDP spottete bald, dass Minister im Team fehlen, sei ein „Armutszeug­nis“für die Regierung, aber auch „verständli­ch“.

 ?? [ imago ] ?? Armin Laschets (Mitte) Zukunftste­am von links nach rechts: Andreas Jung (Klimaschut­z und nachhaltig­es Wachstum), Dorothee Bär (Digitalisi­erung), Peter Neumann (vernetzte Sicherheit), Karin Prien (Bildung), Barbara Klepsch (Soziales und gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse), Joe Chialo (Kreativwir­tschaft und Innovation), Silvia Breher (Familien) und Friedrich Merz (Wirtschaft und Finanzen).
[ imago ] Armin Laschets (Mitte) Zukunftste­am von links nach rechts: Andreas Jung (Klimaschut­z und nachhaltig­es Wachstum), Dorothee Bär (Digitalisi­erung), Peter Neumann (vernetzte Sicherheit), Karin Prien (Bildung), Barbara Klepsch (Soziales und gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse), Joe Chialo (Kreativwir­tschaft und Innovation), Silvia Breher (Familien) und Friedrich Merz (Wirtschaft und Finanzen).
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