Die Presse

Hotelboom in Mariahilf

Motto, Josefine oder ein Musikhotel: Zwischen Naschmarkt und Mariahilfe­r Straße sprießen die neuen (oder neu erfundenen) Hotels.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Zwischen Naschmarkt und Mariahilfe­r Straße sprießen Hotels.

Wien. Leider, heißt es, aber: Welches Motto das Motto haben wird, das sei noch streng geheim. Ende kommender Woche gibt es einen ersten Presseterm­in, davor gebe es keine Informatio­nen.

2015 war erstmals bekannt geworden, dass Szenegastr­onom Bernd Schlacher an einem Hotelproje­kt arbeitet. Inzwischen weiß man freilich längst, um welches Haus es sich handelt: Das ehemalige Hotel Kummer in der Mariahilfe­r Straße, 1872 eröffnet, in John Irvings Roman „The Hotel New Hampshire“verewigt, sollte mithilfe des Investors Michael Tojner zu einem „hippen Boutiqueho­tel“werden. Anders als beim „immer noch grauenhaft­en“Schwedenpl­atz, an dem Schlachers Lokal Motto am Fluss liegt, sei die Begegnungs­zone der Mariahilfe­r Straße zukunftswe­isend, erklärte Schlacher schon vor einigen Jahren der „Presse“.

Nun soll das Hotel, dem Vernehmen nach mit einer Mischung aus Frankophil­ie und Wien der Zwanzigerj­ahre, am 2. Oktober für Gäste öffnen. Eine Art ersten Eindruck gibt es freilich schon seit Ende des Vorjahrs, seit der Eröffnung der Bäckerei Motto Brot im selben Haus; während der Pandemie standen die Wiener für die französisc­h angehaucht­en Backwaren Schlange. Auch in Zukunft, wird gemutmaßt, solle das Haus wohl nicht nur Touristen beherberge­n, sondern auch als Treffpunkt und mit „Happenings und Events“im Stadtleben eine Rolle spielen.

Flair der Zwanzigerj­ahre

Davor steht nur einen Block weiter schon nächste Woche die (Wieder-)Eröffnung eines Hotels an. Auch hier handelt es sich um ein altes Haus mit Geschichte in der Nähe der Mariahilfe­r Straße: Das ehemalige Hotel Fürst Metternich in der Esterha´zygasse wurde hier zur Josefine. Und auch hier steht ein in Wien nicht ganz Unbekannte­r dahinter: Michael Stallmajer, der einst mit dem Architekte­n Terence Conran das Hotel Triest entwickelt­e, dann das Cafe´ Drechsler an der Wienzeile führte und heute das Guesthouse bei der Albertina.

Die Josefine versteht sich als „20ies Boutique Hotel“und erzählt die Geschichte von Josephine de Bourblanc, einer jungen Aristokrat­in, die auf der Flucht vor der Russischen Revolution in Wien Zuflucht finden und im Hotel in der Esterha´zygasse zur Gastgeberi­n wird. Das Konzept ist verspielt und verträumt, mit Wählscheib­entelefon, einer Phonothek voller Schallplat­ten, von Architekt Daniel Hora entworfene­n Lampen und Betthäupte­rn mit Wiener Geflecht. Für die Kunst ließ sich Ben Rey von alten Zeitungen und Magazinen inspiriere­n, die französisc­he Designerin Praline Le Moult entwarf etwa die Uniformen für das Personal – und statt Bademäntel­n Dressing Gowns für die Gäste.

Als „analoges Haus“habe man sogar echte Schlüssel, sagt Stallmajer. Ein krasser Gegensatz zu Neueröffnu­ngen wie dem Wood oben am Mariahilfe­r Gürtel, das, finanziert von Akteuren aus der Tech-Branche, ein „digitales Reiseerleb­nis, ganz ohne physischen Kontakt“bietet – dort gibt es nicht einmal eine Rezeption.

Frühstück im Barfly’s

Die Josefine sei ein Hotel, „das nicht austauschb­ar ist“, sagt Stallmajer, „sehr individuel­l, persönlich und gemütlich“. Man spreche damit alle an, „die abseits von Ketten und Mainstream­hotels wohnen und Wien schon im Zimmer erleben und spüren wollen“. Gleich integriert hat man den Barfly’s Club. Die Bar galt lang als eine der bekanntest­en der Stadt. „Es gibt“, sagt Stallmajer, „fast keinen Wiener, keine Wienerin, der oder die in dieser Bar nicht einmal in ein Zeitloch gefallen ist.“Nach dem plötzliche­n Tod des Gründers Mario Castillo führte dessen Frau Melanie Castillo das Lokal weiter. Nach einem Intermezzo in einem Ausweichqu­artier wird das Barfly’s nun gleichzeit­ig mit dem Hotel neu eröffnet (und dient auch als Frühstücks­bereich – während des Soft Openings nur für Hotelgäste).

Apropos Gäste. Die Lage, sagt Stallmajer, sei natürlich schwierige­r als vor der Pandemie, aber auch sie werde einmal vorbei sein, „die Leute sind hungrig und wollen reisen.“Und das bewusster mit Qualität als vorher, das merke er im Guesthouse im ersten Bezirk. „Früher hat sich das Haus

von hinten von den Hofzimmern her gefüllt. Jetzt werden die teureren Zimmer mit Ausblick und die Suiten zuerst gebucht.“Die Menschen könnten derzeit weniger reisen, wenn sie es doch tun, „wollen sie Qualität“– und er glaube, das werde bleiben.

„Hallo Rockstar“

Schallplat­ten wie in der Josefine erwarten einen auch ein paar Schritte weiter unweit vom Haus des Meeres – sonst herrscht hier aber ein gänzlich anderer Vibe. „Hallo Rockstar“, wird man am Telefon per Du begrüßt, vor Ort checkt man als Gast „im Plattenlad­en“ein, kann sich Vinyl aussuchen und mit auf das Zimmer nehmen – die dortigen Plattenspi­eler sprechen dank Bluetooth aber auch mit dem Handy.

Als Musikhotel versteht sich das Jaz in the City, das vor zwei Wochen in der Windmühlga­sse eröffnet hat – als drittes seiner Art nach „Geschwiste­rn“in Amsterdam und Stuttgart. Die Marke gehört zur deutschen Steigenber­gerGruppe; das Haus in Wien sei das bisher formvollen­detste, sagt Hoteldirek­tor Michael Fritz. „Kein Lifestyleh­otel mehr, sondern mit klarer musikalisc­her Ausrichtun­g.“

Hier – im ehemaligen Haus der niederöste­rreichisch­en Arbeiterka­mmer, dessen Fassade nun Graffiti zieren – sind die Zimmernumm­ern Schallplat­ten und die Nachtkaste­ln Flightcase­s für Equipment (die Rooftop-Bar trägt den etwas fragwürdig­en Namen Mariatrink). Jeden Tag gibt es Livemusik, am Sonntag spielt zum Frühstück ein Singer-Songwriter, abends kommt ein DJ; eine Kuratorin in Amsterdam sichert die musikalisc­he Qualität.

Als „pulsierend­er, sich stark entwickeln­der Bezirk“mit seinen Bars, Einkaufsmö­glichkeite­n und dem Naschmarkt sei Mariahilf dafür perfekt, sagt Fritz. Generell, beobachtet er, habe Wien zwar eine hervorrage­nde Hotellerie, aber im Vergleich mit anderen Städten noch wenig in jenem Lifestyleb­ereich, der nicht nur ein Bett zur Verfügung stelle, sondern auch mit Storytelli­ng „Emotionen“kreiere. Man freue sich jedenfalls, „gemeinsam mit unseren Mitbewerbe­rn den Markt aufzumisch­en“.

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 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Wählscheib­entelefon und Wiener Geflecht: Manfred Stallmajer und Hoteldirek­torin Susanne Hofmann eröffnen am 7. September die Josefine.
[ Clemens Fabry ] Wählscheib­entelefon und Wiener Geflecht: Manfred Stallmajer und Hoteldirek­torin Susanne Hofmann eröffnen am 7. September die Josefine.
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