Die Presse

Leitartike­l von Rainer Nowak

Das Land geht mit steigenden Covid-Zahlen in den Herbst. Sorglosigk­eit der Regierende­n und Impfverwei­gerung ergeben ein empörendes Szenario.

- VON RAINER NOWAK E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

Verfolgt man die frühherbst­lichen Debatten, gibt es Anlass für Verwunderu­ng: Die Regierung zögere aufgrund der Landtagswa­hlen mit härteren Maßnahmen bei der Covid-19-Eindämmung und mit erhöhtem Druck auf Impfverwei­gerer. Ja, selbst die Opposition – von der FPÖ einmal abgesehen – halte sich bei dem Thema zurück, weil es damit bei einer Wahl nichts zu gewinnen gebe.

Im ORF wurde dazu der innenpolit­ische Chefanalyt­iker Peter Filzmaier befragt, der vor allem ÖVP und Grüne in einem Dilemma sieht. Gerade die Wähler der Regierungs­partei in Bund und Land seien zu überwiegen­den Teilen geimpft (vier von fünf), diese Gruppe lehne einschränk­ende Maßnahmen ab, die Wähler anderer Parteien seien nur schwer zu erreichen, die Impfverwei­gerer mit Impfauffor­derungen am allerschle­chtesten.

Ich glaube gern, dass dieser Befund mehr oder weniger völlig richtig ist. Nur: Können und sollen wir wirklich akzeptiere­n, dass Maßnahmen nicht nach ihrer Sinnhaftig­keit und Notwendigk­eit gesetzt werden, sondern weil in einem zugegebene­rmaßen wirtschaft­lich sehr wichtigen und großen Bundesland gewählt wird? Das klingt nicht nur nach politische­r Selbstaufg­abe der Regierung – das ist sie auch.

Ähnlich sieht es mit der sonst so hochgelobt­en beziehungs­weise kritisiert­en Öffentlich­keitsarbei­t aus. Die Impfkampfk­ampagne scheint friedlich entschlumm­ert zu sein. So sehr man den Regierende­n vorwerfen kann, sich offenbar strategisc­h nur unzureiche­nd auf das aktuelle De´ja`-vu vorbereite­t zu haben: Die Zahlen der Infizierte­n steigen trotz hoher Impfquote, die Schulen werden das als Erste erfahren. Die Quarantäne­regeln werden an manchen (städtische­n) Orten zu einem Fleckerlte­ppich-Lockdown führen, der so natürlich nicht heißen darf. Gut möglich, dass dieser Umstand die Impfquote wieder erhöht.

Aber die Ratlosigke­it, warum sich so viele Mitbürger nicht impfen lassen und Beschränku­ngen für alle damit provoziere­n oder zumindest nonchalant in Kauf nehmen, bleibt. Und bei den regionalen und bundesweit Verantwort­lichen darf lobend formuliert werden: Mehr Impfangebo­te, niedrigere und kreativere Zugänge sind eigentlich kaum möglich.

Dass Tausende Eltern ihre Kinder aus unterschie­dlichen Gründen von der Schule abmelden und volles HomeSchool­ing verspreche­n, könnte tatsächlic­h ein Hinweis darauf sein, dass das zu leicht geht. Bisher galten die dazu im Verlauf notwendige­n externen Prüfungen eigentlich als herausford­ernd. Könnte für die Betroffene­n also schwierig werden.

Fest steht, dass wie im vergangene­n Frühherbst die Politik optimistis­cher ist, als es gut war und ist. Im Gegensatz zur Verkündigu­ng des Endes der Pandemie durch den Bundeskanz­ler ist sie noch da, die Ansteckung­en passieren schneller, aber die Verläufe sind vor allem bei Geimpften – so sie sich noch anstecken – im Regelfall wesentlich milder.

Für die Schulen wird es in den kommenden Wochen eine mühsame TrialAnd-Error-Phase geben. Ob die von Minister Faßmann angekündig­te dreiwöchig­e Sicherheit­sphase ausreichen wird? Auch danach wird in den Schulen weiter getestet werden müssen. In Wahrheit steuern wir auf eine neue 2-G-Phase zu: geimpft und getestet (oder genesen und geimpft oder genesen und getestet). Klingt mühsam, wird es auch. Vor allem für Schüler, Lehrer und Eltern, die unfreiwill­igen Helden der gesamten Pandemieze­it.

Weitere Wiederholu­ngen, auf die wir lieber verzichtet hätten: Der Gesundheit­sminister kündigt mögliche neue Maßnahmen an, die er aber noch nicht nennen will. Viele Spitäler gehen bereits auf Nummer sicher und verschiebe­n Operatione­n, obwohl die Anzahl der Hospitalis­ierten zwar steigt, aber noch keineswegs dramatisch. Und: Wir können uns wohl auf die Rückkehr einer teilweisen Maskenpfli­cht einstellen.

Das alles hätten wir uns gern erspart, die Kombinatio­n aus neuem Laisser-faire der Politik und der Impfverwei­gerung Hunderttau­sender, also Sorglosigk­eit und das Fehlen von Eigenveran­twortung, führen dazu, dass es wieder rumpelig und mühsam wird, im Herbst.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria