Angewandte Forschung treibt die Innovation
Die Initiative: Forschungsvielfalt schärft das Bewusstsein, dass Österreichs Forschungslandschaft Vielfalt und Heterogenität benötigt, um zukunftsfähig zu sein und zu den Innovationsführern aufzusteigen.
Wer an Forschung denkt, hat zumeist klischeehaft die Bilder typischer Grundlagenforschung im Kopf. Ohne Zweifel ist die Grundlagenforschung ein ganz wichtiger Pfeiler der Forschungslandschaft eines Landes, denn erst auf Basis dieser Erkenntnisse lassen sich Innovationen aufbauen. Aber damit diese Innovationen überhaupt entstehen können, bedarf es angewandter Forschung und Entwicklung. Während Universitäten bei der Grundlagenforschung das Zepter in der Hand haben, sind es die Fachhochschulen, zahlreiche außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie die Unternehmen, die angewandte Forschung betreiben und vorantreiben. Damit die Wirtschaft von der Forschungsaktivität profitiert, muss eine Vielfalt und Heterogenität der Forschungslandschaft geschaffen werden.
Derzeit beträgt die Forschungsquote in Österreich rund 3,19 Prozent (Stand: 2019). Dieser Wert befindet sich über dem europäischen Durchschnitt, der sich bei 2,20 Prozent einpendelt. Auf den ersten Blick stellt das Österreich ein gutes Zeugnis aus. Will man aber zu den Innovations-Leadern gehören, bedarf es einer Optimierung der heimischen Forschungslandschaft. Und genau hier greift die „Initiative: Forschungsvielfalt“, die gemeinsam von Austrian Cooperative Research (ACR) und der Österreichischen Fachhochschul-Konferenz (FHK) ins Leben gerufen wurde, um die Stärken und Vorteile einer diversen Forschungslandschaft aufzuzeigen und einen Wegweiser zu geben, wie sich das Ziel erreichen lässt, Österreich unter die Innovationsführer zu hieven.
Bessere Bedingungen schaffen
ACR – Austrian Cooperative Research ist ein Netzwerk von privaten, gemeinnützigen Forschungsinstituten, die Forschung und Entwicklung für Unternehmen betreiben. Die Österreichische Fachhochschul-Konferenz (FHK) ist ein Verein, der die Interessen der Fachhochschulen vorantreibt. Gemeinsam wollen ACR und FHK die besten Bedingungen für eine starke, vielfältige und zukunftsfähige Forschungslandschaft in Österreich schaffen. Beim Europäischen Forum in Alpbach präsentierten die beiden Kooperationspartner die Initiative: Forschungsvielfalt. „Mit der Initiative wollen wir ein Zeichen setzen, Vielfalt und Wettbewerb als Stärke und Vorteil zu begreifen“, sagte Iris Filzwieser, Präsidentin der ACR. „Denn in der ACR sehen wir täglich, wie wichtig und förderlich die Anwendungsorientierung für die Forschung ist, um für aktuelle Herausforderungen die besten Lösungen zu finden.“FHK-Präsident Raimund Ribitsch erläuterte die Ziele der Initiative: „Eine positive Gestaltung der Zukunft braucht vielfältige Forschungsakteure, denn um die drängenden Fragen unserer Zeit zu beantworten, bedarf es unterschiedlicher Expertisen und unterschiedlicher Zugänge. Die Initiative: Forschungsvielfalt will das Bewusstsein hierfür stärken und den Transfer von Forschungsergebnissen in die Gesellschaft erhöhen.“
In einem ersten Schritt versuchte die Initiative herauszufinden, ob überhaupt ein Bedürfnis besteht, die Forschungslandschaft in Österreich breiter, heterogener und vernetzter aufzustellen. Schon jetzt lässt sich das mit einem klaren Ja beantworten. Mittlerweile haben sich rund 130 Unterstützer der Initiative angeschlossen. Der Kreis an Unterstützern soll natürlich kontinuierlich erweitert werden. Alpbach wurde zudem genutzt, um in intensiven Gesprächen mit den Unterstützern die Optimierungen herauszuhören. Schließlich besteht ein Ziel der Initiative, dass Bottomup-Positionen und Vorschläge erarbeitet werden, aus denen hervorgeht, wie die Vielfalt der Forschungslandschaft dazu genutzt werden kann, die Innovationsleistung in Österreich zu erhöhen. Ein wichtiger nächster Schritt der Initiative liegt in der Erstellung eines Positionspapieres.
Bis zur nächsten Auflage des Europäischen Forums Alpbach 2022 möchte die Initiative eine Studie zur Standortanalyse der angewandten Forschung bei den betreffenden Ministerien veranlassen. Aktuell laufen hierzu die Vorbereitungen. Elementar ist auch die Herstellung einer Kommunikation zu den entsprechenden Ministerien – denn die Bedürfnisse der Forscherinnen und Forscher und Unternehmen ist die eine Sache, Grundvoraussetzung ist, dass auch die notwendigen Rahmenbedingungen vorhanden sind, um eine zukunftsfähige Forschungslandschaft voranzutreiben. Kein einfaches Vorhaben, denn angewandte Forschung ist über mehrere Ministerien aufgeteilt.
Bis zur Marktreife entwickeln
Wie eingangs erwähnt, haben viele Österreicherinnen und Österreicher eine sehr einseitige Vorstellung von Forschung. „Natürlich geht es darum, Neues zu erforschen, aber man muss immer den gesamten Forschungsprozesses betrachten“, sagte FHK-Generalsekretär Kurt Koleznik. „Das beginnt bei der Erforschung, führt aber auch zur Transformation der Erkenntnisse in Produkte für die Wirtschaft, bis hin zur Marktreife und Einführung in den Markt.“Genau diese letzten Schritte bleiben in Österreich häufig auf der Strecke – und damit bleibt Innovation aus. Hier versucht die Initiative aufzurütteln, damit das vorhandene Potenzial nicht verpufft. Angewandte Forschung und Entwicklung ist ein großer Hebel, um innovativ zu werden. Eine typisch angewandte Forschung ist zum Beispiel die Entwicklung eines Impfserums. Aus dem Serum wird in kürzester Zeit ein entsprechender Impfstoff weiterentwickelt, der zur Marktreife gebracht werden muss – erst wenn das gelingt, kann man von Innovation sprechen. Best Practices können veranschaulichen, wie wertvoll angewandte Forschung ist. Auch hier will die neu ins Leben gerufene Initiative mithelfen, die Sinnhaftigkeit einer breiten Forschungslandschaft besser zu veranschaulichen und alte, verstaubte Vorstellungen von Forschung zu beseitigen.
Bewusstsein schaffen
Die angewandte Forschung der Fachhochschulen ist sehr nah an den heimischen Unternehmen dran. Laut Statistik Austria lukrieren die österreichischen Fachhochschulen rund 14 Prozent der Fördermittel unmittelbar aus der Wirtschaft. Das ist deutlich mehr als der Anteil, den die Universitäten aus der Wirtschaft erhalten. Trotzdem bekommt die angewandte Forschung und Entwicklung in Österreich nicht den Stellenwert zugeschrieben, den sie verdient hätte.
„Forschung ist viel diverser, als es in der Politik und den Medien dargestellt wird“, so Koleznik. Die Bewusstseinsbildung muss somit auch besonders die Politiker und die Öffentlichkeit erreichen. „Ziel der angewandten F&E ist es, eine Innovation und Transfer in den Markt hinein zu vollbringen.“Die Initiative: Forschungsvielfalt trifft den Zahn der Zeit. EU-weit gewinnt die angewandte Forschung an Bedeutung. Das startete mit „Horizon 2020“, dem EU-Programm für Forschung und Innovation und setzt mit dem Ziel eines „European Innovation Area (EIA)“fort. Europaweit steigt die Awareness, dass Forschungsergebnisse rascher eine Marktreife anstreben müssen, vor allem, um auf die gesellschaftlichen Herausforderungen schneller reagieren zu können – Stichwort Klimawandel. Forschung nimmt eine Schlüsselfunktion zum Erhalt einer zukunftsfähigen Gesellschaft ein, indem sie existenzielle Ereignisse ganzheitlich und systematisch beleuchtet und aus teilweise neuen Perspektiven betrachtet. Damit trägt die Forschung auch zum Verstehen unserer Umwelt bei. Auf der anderen Seite reicht Forschung weit darüber hinaus und kann Entwicklungen schon frühzeitig erkennen und zur Disposition stellen.
Vielfalt & Wettbewerb
Vielfalt und Heterogenität sind notwendige Bedingungen, um den Forschungs-Output in Österreich mittelfristig weiter zu erhöhen. Ein wichtiger Step ist die Verknüpfung der Akteure. In Österreich betrifft das rund 80.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor allem aus Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und kooperativen Forschungsinstituten. Die Verzahnung der einzelnen Player hat gegenwärtig noch Luft nach oben. Vor allem innerhalb der angewandten Forschenden lässt sich die Verknüpfung der Forscher optimieren. Sinnvoll ist ein niederschwelliger Zugang. Nur wenn die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit einfach zu bewerkstelligen sind, entstehen Kooperationen. Gleichzeitig verlangt ein wachsendes Netzwerk nach größeren finanziellen Unterstützungen. Die Zusammenarbeit innerhalb der FHs funktioniert bereits sehr gut, aber auch zwischen Universitäten und Fachhochschulen tut sich einiges und man blickt über den Tellerrand. „doc.funds.connect“fördert etwa Forschungsprojekte zwischen FHs und Unis mit insgesamt fünf Millionen Euro über den Wissenschaftsfonds FWF. Im Herbst erfolgt die Bekanntgabe der Projekte, die das Rennen machen.
Um eine starke, vielfältige und zukunftsfähige Forschungslandschaft in Österreich zu etablieren, muss auch der Wettbewerb angekurbelt werden – sowohl zwischen den Forschungsinstitutionen als auch zwischen den Forschenden und bei der Grundlagenforschung genauso wie in der anwendungsorientieren Forschung. Das bedeutet, dass sich im Wettbewerb genauso Universitäten, Fachhochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen darin finden, aber auch die unterschiedlichsten Forschungsorganisationen und -einheiten. Gesunder, fairer Wettbewerb trägt zur Effektivität der Forschung und des Forschungssystems bei und ist ein wesentlicher Enabler für das Hervorbringen von Innovationen.
ACR und FHK haben mit der Initiative: Forschungsvielfalt die Basis gelegt – nun geht es darum, dass die Akteure die Möglichkeiten ausschöpfen, sich besser in Position zu bringen.
„Mit der Initiative wollen wir ein Zeichen setzen, Vielfalt und Wettbewerb als Stärke und Vorteil zu begreifen.“
Iris Filzwieser ACR-Präsidentin „Es ist unbestritten, dass die Forschung durch das Zusammenwirken von Hochschule, Wirtschaft und Gesellschaft eine besondere Kraft entfaltet.“
Raimund Ribitsch FHK-Präsident