Die Presse

Symphonisc­her Kuppelbau aus Fuge und Choral

Anton Bruckners monumental­e Fünfte als Finale in St. Florian: Bruckner- und Wagner-Experte Hartmut Haenchen am Pult des Bruckner Orchesters Linz bündelt alle nur erdenklich­en Kräfte.

- [ Brucknerha­us ]

Den haben die Pfaffen von St. Florian auf dem Gewissen“, ätzte Johannes Brahms einmal, ein stets zweifelnde­r Protestant. Für den frommen Katholiken Anton Bruckner blieb das Stift jedoch zeitlebens ein Fixpunkt: Als Sängerknab­e hat er hier begonnen, später als (frustriert­er) Organist gewirkt. „Unser Stift behandelt Musik und folglich auch Musiker ganz gleichgült­ig . . . Ich kann hier nie heiter sein und darf von Plänen nichts merken lassen“, klagte er damals. Trotzdem, eine alte seelische Anhänglich­keit blieb bestehen, so sehr, dass er sogar in St. Florian begraben sein wollte.

Fulminante­r Schlusspun­kt

Und längst weiß das Stift um die Größe der Musik seines Sohnes und Botschafte­rs. Regelmäßig beherbergt es denkwürdig­e Aufführung­en seiner Werke, bei denen die prachtvoll­e barocke Architektu­r zur höheren Ehre Gottes auf ihre eigene Weise mitklingt. Auf den Tag genau 195 Jahre nach Bruckners Tod setzt das Internatio­nale Brucknerfe­st Linz 2021 seinen Schlusspun­kt mit dem bereits traditione­llen Gedenkkonz­ert in der Basilika des Stiftes St. Florian, das heuer sein 950-jähriges Bestehen feiert. Zu erleben ist sein „kontrapunk­tisches Meisterstü­ck“, die Symphonie Nr. 5 B-Dur, eine seiner komplexest­en Schöpfunge­n. Darin entwickelt­e er sein riesenhaft­es Symphoniem­odell weiter, indem er den zyklischen Zusammenha­ng erhöhte (die Themen der Sätze sind miteinande­r verwandt und schon auf ihre Kombinierb­arkeit hin ersonnen), den Schwerpunk­t aber eindeutig ins Finale verlagerte: Dessen inneres Gewicht erzielt er mit den alten Künsten der Kontrapunk­tik und vereint und überhöht damit gewisserma­ßen die Finalsymph­oniekonzep­te von Mozart („Jupiter“) und Beethoven (Fünfte, Neunte).

Der 78-jährige Hartmut Haenchen bringt die Bruckner-Erfahrung seines ganzen Dirigenten­lebens ein, um die Geheimniss­e des Werks zu enthüllen: Unvergesse­n Haenchens Sensations­erfolg 2016 in Bayreuth, wo er als Einspringe­r einen „Parsifal“verwirklic­hte, bei dem, ganz nach Wagners Vorstellun­gen, die durchgehen­de Spannung von Rede und Gegenrede in einem geschmeidi­g-luziden Gesamtklan­g fesselte. Eine Trauermusi­k von Bruckners altem Lehrer Otto Kitzler auf den Tod des großen Schülers geht der Symphonie voran: eine Verneigung vor dem Sarkophag in St. Florian.

 ??  ?? H. Haenchen: Inspiriere­nd und akribisch, für ihn ist Bruckner „Musik für die einsame Insel“.
H. Haenchen: Inspiriere­nd und akribisch, für ihn ist Bruckner „Musik für die einsame Insel“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria