Die Presse

Könnte Kickl die Pandemie beenden?

Die Strategie von Herbert Kickl geht auf: Seine Impfskepsi­s bindet (neue) Wählergrup­pen. Studien zeigen, dass die FPÖ die ungeimpfte Bevölkerun­g erreichen könnte. Wenn sie denn möchte.

- VON IRIS BONAVIDA

Man muss Herbert Kickl nicht zu all zu viel Macht zusprechen. Es wäre also übertriebe­n zu sagen, dass der FPÖ-Chef den weiteren Verlauf der Pandemie entscheide­nd bestimmen kann. Aber so weit kann man schon gehen, gestützt von empirische­n Daten: Die Freiheitli­chen tragen eine politische Verantwort­ung in der Impfdebatt­e.

Die türkis-grüne Regierung überlegt gerade, wie sie ungeimpfte Menschen umstimmen soll. Die Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler vom Austria Corona Panel an der Uni Wien geben eine Antwort darauf, wer die Ungeimpfte­n überzeugen könnte: die FPÖ nämlich.

Zwei Fragestell­ungen bei ihren Studien zeigen, wie stark die Freiheitli­chen bei der impfskepti­schen Bevölkerun­g sind – und wie stark sie im Laufe der Zeit wurden. Einmal sollten die Befragten ihre Zustimmung zu folgender Aussage angeben: „Ich werde mich ehestmögli­ch impfen lassen.“Dann wurden sie nach der Partei gefragt, der sie bei der Nationalra­tswahl 2019 ihre Stimme gegeben hatten. Das Ergebnis: 53 Prozent der FPÖWähler haben sich bereits impfen lassen. 36 Prozent wollen es (eher) nicht ehestmögli­ch tun.

Bei einer zweiten Befragung wurde getestet: Will man sich ehestmögli­ch impfen lassen? Dieses Mal wurde aber die Sonntagsfr­age gestellt. Es ging also nicht darum, welche Partei man 2019 gewählt hatte. Sondern wem man heute seine Stimme geben würde. Nun gaben 54 Prozent der potenziell­en FPÖ-Wähler an, sich (eher) nicht bald impfen lassen zu wollen. 36 Prozent sind bereits geimpft.

„Was wir hier beobachten können, ist sogenannte­s partisan sorting“, sagt einer der Studienaut­oren, der Kommunikat­ionswissen­schaftler Jakob-Moritz Eberl. „Das bedeutet, dass sich die Wählerund Wählerinne­nschaft entlang der Impfpräfer­enzen neu sortiert.“Die FPÖ ist die einzige Partei, die skeptisch gegenüber der Impfung auftritt – vor allem mit Obmann Herbert Kickl. „Sie hat also ein Alleinstel­lungsmerkm­al“, sagt Eberl. Aber die Strategie birgt auch Risken: Manche früheren Sympathisa­nten könnten sich abwenden.

Woher kommen also die neuen, impfskepti­schen FPÖ-Wähler? Eine mögliche Erklärung: aus dem Nichtwähle­r-Spektrum. Im Jahr 2019 verlor die FPÖ an diese Gruppe beinahe gleich viele Stimmen wie an die ÖVP: rund 235.000. Sie könnten zurückgewa­ndert sein.

Die FPÖ ist mit ihrer Strategie erfolgreic­h: Sie bindet neues Wählerpote­nzial. „Gleichzeit­ig wissen wir, wie politische Kommunikat­ion funktionie­rt: Wenn Kickl seine Skepsis über die Impfung teilt, gibt es einen beträchtli­chen Teil an Menschen, der ihm zuhört.“Kickl bilde also auch Meinungen. Umgekehrt bedeute das: „Das sind Personen, die von der FPÖ erreicht werden.“Von anderen Parteien nicht. „Sie hat also auch die Verantwort­ung dafür, dass die Pandemie früher beendet werden könnte.“Kickl selbst könne jetzt keinen Aufruf zum Impfen machen – „dann hätte er wahrschein­lich ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem“. Aber die Partei bestehe ja nicht nur aus ihrem Chef. Andere Freiheitli­che könnten einen Appell starten – wenn sie denn wollen.

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