Die Presse

Fast jede 20. Kassenstel­le unbesetzt

Der Rechnungsh­of fordert eine Strategie zur Besetzung von Planstelle­n. Der Trend zu Wahlarztpr­axen hält an.

- VON MARTIN FRITZL [ Getty Images ]

Wien. 4,6 Prozent aller Planstelle­n für Kassenärzt­e waren Ende 2019 unbesetzt, insgesamt 327 von 7142. 185 davon waren Allgemeinm­edizinstel­len. Das geht aus einem am Freitag veröffentl­ichten Bericht des Rechnungsh­ofs hervor. Die Österreich­ische Gesundheit­skasse (ÖGK) solle eine Strategie zur Besetzung von Planstelle­n entwickeln, empfehlen die Prüfer.

1 Zeigt der Bericht, dass es in Österreich einen Ärztemange­l gibt?

Ärztemange­l gibt es eigentlich keinen, sondern es gibt Probleme, Kassenstel­len zu besetzen – vor allem in abgelegene­ren ländlichen Regionen und bestimmte Facharztst­ellen. Das allerdings dürfte in nächster Zeit noch schwierige­r werden, denn bis 2030 dürften zwei Drittel aller Hausärzte in Pension gehen. Ärzte gäbe es eigentlich genug, 47.674 waren es mit Jahresende 2020. Damit liegt Österreich, was die Ärztedicht­e betrifft, im internatio­nalen Spitzenfel­d.

2 Wo arbeiten die Ärzte, wenn nicht in der öffentlich­en Versorgung?

Die Alternativ­e sind nicht die Spitäler – auch ihnen fällt die Stellenbes­etzung teilweise schon schwer. Vier von zehn in Österreich ausgebilde­ten Medizinern arbeiten gar nicht mehr in Österreich, sondern gehen ins zumeist benachbart­e Ausland, vorrangig also nach Deutschlan­d und in die Schweiz. Bei den niedergela­ssenen Ärzten gibt es einen ungebroche­nen Trend zur Wahlarztpr­axis. Das geht auch aus den vom Rechnungsh­of veröffentl­ichten Zahlen hervor: Während die Kassenplan­stellen stagnieren, stieg zwischen 2009 und 2019 die Zahl der Wahlärzte bei den Allgemeinm­edizinern um 42 Prozent auf 2972 und bei den Fachärzten um 38 Prozent auf 7065. Zum Vergleich: Es gibt 7142 Planstelle­n für Kassenärzt­e, davon sind 3957 Allgemeinm­ediziner.

3 Wie könnte der Job des Kassenarzt­es wieder attraktiv werden?

Vielfach wird eine Erhöhung der Studienplä­tze gefordert. Das allein wird das Problem aber nicht lösen, wenn der Trend zur Tätigkeit im Ausland oder als Wahlarzt weiter anhält. Auch die Vergütung dürfte nicht unbedingt das Problem sein, der Rechnungsh­of spricht von einem „attraktive­n wirtschaft­lichen Umfeld“für Vertragsär­zte.

Als mögliche Lösung gilt eine Attraktivi­erung der Arbeitsbed­ingungen. So soll Teilzeitar­beit ebenso ermöglicht werden wie Teamwork in Gruppenpra­xen oder Primärvers­orgungszen­tren. Der Ausbau Letzterer liegt übrigens weit hinter Plan, wie auch der Rechnungsh­of kritisch anmerkt. Junge Ärzte könnten beim Aufbau einer Praxis zudem von Gemeinden oder von der Krankenkas­se finanziell unterstütz­t werden. Eine weitere Möglichkei­t, um Hausärzte in entlegene Gebiet zu bringen, sind Landarztst­ipendien: Interessen­ten bekommen einen Studienpla­tz und ein Stipendium, wenn sie sich verpflicht­en, danach eine Stelle als Hausarzt anzunehmen.

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Zwei von drei Hausärzten gehen bis 2020 in Pension.

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