Korruption im Gemeindebau
45 Mitarbeiter von Wiener Wohnen wurden wegen Bestechlichkeit angeklagt. Der Schaden beträgt rund 170.000 Euro.
Wien. Ausgerechnet an jenem Tag, an dem die Stadt den „Tag des Wiener Wohnbaus“zelebriert, überschattet eine Korruptionsaffäre die Wiener Wohnbaupolitik: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat Anklage gegen 45 Mitarbeiter von Wiener Wohnen erhoben. Sie sollen sich mit Tank- und Einkaufsgutscheinen bestechen haben lassen, um bei allfälligen Schäden in Gemeindebauten nicht tätig zu werden.
Der Haken: Die Schäden hat es teilweise gar nicht gegeben – und das hätte eigentlich von den Wiener-Wohnen-Mitarbeitern festgestellt werden müssen. Stattdessen kassierte ein 56-Jähriger, der unter anderem eine Glaserei, Malerei und mehrere Baufirmen betrieb, die Kosten für die Scheinaufträge ein.
Er, seine Schwester und sechs weitere Mitarbeiter seiner Unternehmen wurden wegen Bestechung angeklagt. In Summe werden sich in dieser Causa demnach 53 Personen für den Tatzeitraum April 2011 bis Jänner 2013, in dem der heutige Bürgermeister, Michael Ludwig (SPÖ), als Wohnbaustadtrat fungierte, vor Gericht verantworten müssen.
Gutscheine 15.000 Euro wert
Wiener Wohnen betont, man habe bereits „interne Konsequenzen“gezogen: Viele Suspendierungen wurden ausgesprochen, über endgültige dienstrechtliche Konsequenzen wolle man aber nach dem Strafverfahren entscheiden.
Laut Anklageschrift beträgt die Schadensumme auf Basis der mutmaßlich geflossenen geldwerten Beträge rund 170.000 Euro. Bei den Belohnungsgutscheinen habe es offenbar sogar eine Art Tarifsystem gegeben. Die mutmaßlich korrupten Mitarbeiter erhielten rund drei Prozent der beauftragten Rechnungssumme.
Der „Verdienst“soll dabei unterschiedlich ausgefallen sein. Ein 55-jähriger Beamter soll beispielsweise mehr als 15.000 Euro in Form von Gutscheinen erhalten haben, andere einige 100 Euro. Der Vorfall resultiert offenbar aus einer „Geschäftsidee“des 56-jährigen Unternehmers. Diese hätte sich als gewinnbringend herausgestellt und sei optimiert worden, nachdem sich das System eingespielt hatte, so die WKStA.
„Ungewöhnlich viele Beweise“
Laut Anklageschrift gebe es „ungewöhnlich viele Beweise für die Gewährung und die Annahme von Vorteilen“, wie etwa Gutscheinlisten oder Protokolle über wöchentliche Besprechungen, in denen die inkriminierten Vorgänge dokumentiert sind. So wird beispielsweise an einer Stelle festgehalten: „Wir machen ja gar nix. Außer putzen eventuell.“
Der Großteil der Angeklagten hat im Verfahren vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Vom Rest soll sich niemand geständig gezeigt haben. Für sämtliche angeklagte Personen gilt die Unschuldsvermutung.