Kirchenkampf um die Seele Montenegros
Heftige Spannungen vor der Inthronisierung des neuen Metropoliten.
Belgrad/Podgorica. Montenegros prominentestem Gläubigen bleibt am Sonntag der geplante Kirchgang im Kloster von Cetinje versagt: Schweren Herzens verzichtet Premier Zdravko Krivokapic´ auf die Teilnahme an der Inthronisierung des neuen Metropoliten Joanikije, des künftigen Oberhaupts der serbisch-orthodoxen Kirche (SPC) in Montenegro. Als Premier könne er nicht nur seinem Herzen folgen, sondern müsse an das öffentliche Interesse denken: Er wolle „den Frieden bewahren – und die Spannungen beruhigen“.
Tatsächlich blasen vor der Amtseinführung des Kirchenfürsten nicht nur selbst erklärte Patrioten, sondern auch die größte Oppositionspartei DPS zum Kampf gegen „Okkupation“und „Entweihung montenegrinischer Heiligtümer“durch die SPC und Belgrad. „Jahrhundertelanges Streben des großserbischen Nationalismus“sei es, die montenegrinische Identität, Kultur und Nation zu negieren, wettert DPSStaatschef Milo Djukanovic´: Serbien betreibe bis heute eine Politik, die Montenegros Unabhängigkeit infrage stelle.
Starke serbische Minderheit
Zwar macht die starke serbische Minderheit in Montenegro nur ein knappes Drittel der Bevölkerung aus. Doch eine deutliche Mehrheit der Gläubigen in dem 620.000 Seelen zählenden Küstenstaat fühlt sich der SPC statt der 1993 von ihr abgespaltenen montenegrinisch-orthodoxen Kirche zugehörig. Er besetze nichts und niemanden, sondern sei in Montenegro geboren, weist Joanikije die Forderung zurück, seine Thronbesteigung von der früheren Hauptstadt Cetinje an einen weniger symbolbeladenen Ort zu verlagern.
Während die SPC zur Vermeidung der befürchteten Unruhen ihre Gläubigen aufgerufen hat, auf die eigentlich geplanten Pilgerfahrten nach Cetinje am Sonntag zu verzichten, gießen serbische Nationalisten in Montenegro und die regierungsnahe Boulevardpresse in Serbien kräftig Öl ins Feuer: Die Demokratische Front (DF), die als verlängerter Arm Belgrads als eine Art koalitionsinterner Opposition in Montenegros wackliger Regierung agiert, ruft ihre Anhänger zum Gegenprotest nach Cetinje auf. Djukanovic´ nutzte die Inthronisierung, um das Land zu destabilisieren, die Regierung zu diskreditieren und die Ermittlungen gegen die organisierte Kriminalität in seinem Dunstkreis zu torpedieren, so der Vorwurf.