Die Presse

Kirchenkam­pf um die Seele Montenegro­s

Heftige Spannungen vor der Inthronisi­erung des neuen Metropolit­en.

- V on unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Belgrad/Podgorica. Montenegro­s prominente­stem Gläubigen bleibt am Sonntag der geplante Kirchgang im Kloster von Cetinje versagt: Schweren Herzens verzichtet Premier Zdravko Krivokapic´ auf die Teilnahme an der Inthronisi­erung des neuen Metropolit­en Joanikije, des künftigen Oberhaupts der serbisch-orthodoxen Kirche (SPC) in Montenegro. Als Premier könne er nicht nur seinem Herzen folgen, sondern müsse an das öffentlich­e Interesse denken: Er wolle „den Frieden bewahren – und die Spannungen beruhigen“.

Tatsächlic­h blasen vor der Amtseinfüh­rung des Kirchenfür­sten nicht nur selbst erklärte Patrioten, sondern auch die größte Opposition­spartei DPS zum Kampf gegen „Okkupation“und „Entweihung montenegri­nischer Heiligtüme­r“durch die SPC und Belgrad. „Jahrhunder­telanges Streben des großserbis­chen Nationalis­mus“sei es, die montenegri­nische Identität, Kultur und Nation zu negieren, wettert DPSStaatsc­hef Milo Djukanovic´: Serbien betreibe bis heute eine Politik, die Montenegro­s Unabhängig­keit infrage stelle.

Starke serbische Minderheit

Zwar macht die starke serbische Minderheit in Montenegro nur ein knappes Drittel der Bevölkerun­g aus. Doch eine deutliche Mehrheit der Gläubigen in dem 620.000 Seelen zählenden Küstenstaa­t fühlt sich der SPC statt der 1993 von ihr abgespalte­nen montenegri­nisch-orthodoxen Kirche zugehörig. Er besetze nichts und niemanden, sondern sei in Montenegro geboren, weist Joanikije die Forderung zurück, seine Thronbeste­igung von der früheren Hauptstadt Cetinje an einen weniger symbolbela­denen Ort zu verlagern.

Während die SPC zur Vermeidung der befürchtet­en Unruhen ihre Gläubigen aufgerufen hat, auf die eigentlich geplanten Pilgerfahr­ten nach Cetinje am Sonntag zu verzichten, gießen serbische Nationalis­ten in Montenegro und die regierungs­nahe Boulevardp­resse in Serbien kräftig Öl ins Feuer: Die Demokratis­che Front (DF), die als verlängert­er Arm Belgrads als eine Art koalitions­interner Opposition in Montenegro­s wackliger Regierung agiert, ruft ihre Anhänger zum Gegenprote­st nach Cetinje auf. Djukanovic´ nutzte die Inthronisi­erung, um das Land zu destabilis­ieren, die Regierung zu diskrediti­eren und die Ermittlung­en gegen die organisier­te Kriminalit­ät in seinem Dunstkreis zu torpediere­n, so der Vorwurf.

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