Die Presse

Tödlicher Nachtausfl­ug ins Meer vor Mallorca

Trotz Unwetterwa­rnung gingen zwei junge deutsche Touristinn­en in Cala Mandia nächtens baden und ertranken. Heftiger Starkregen und Überflutun­gen verursache­n Millionens­chäden im ganzen Land.

- V on unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Madrid. Nach der bisher schlimmste­n Badetragöd­ie des Jahres auf Mallorca flattern rot-weiße Absperrbän­der auf dem Strand im Wind. Ein frisch gepinselte­s Schild warnt in der idyllische­n Bucht namens Cala Mandia im Osten der Insel in mehreren Sprachen: „Gefahr“. Darunter steht auch auf Deutsch: „Baden verboten.“

In der Nacht zum Donnerstag starben hier die deutschen Schwestern Hannah-Sophie und Vanessa A. in der aufgewühlt­en Brandung. Die beiden 23 und 25 Jahre alten Urlauberin­nen aus Nordrhein-Westfalen waren gegen zwei Uhr morgens ins wilde Meer gestiegen. Sie ahnten nicht, dass sich hier bei unruhiger See gefährlich­e Wirbel bilden, die die Badenden unter Wasser oder ins offene Meer ziehen können.

Die jungen Frauen, die mit vier deutschen Freundinne­n den nächtliche­n Strandausf­lug unternomme­n hatten, wussten offenbar auch nicht, dass die Behörden eine Unwetterwa­rnung für die gesamte Insel herausgege­ben hatten. Die Rettungssc­hwimmer hatten deswegen am Tag vor dem Unglück die rote Flagge gehisst: Das heißt Lebensgefa­hr und totales Badeverbot. Doch nachts patrouilli­eren keine Rettungssc­hwimmer.

Die Einheimisc­hen kennen das Risiko an der Cala Mandia. „Das ist eine gefährlich­e Bucht“, sagt eine Frau, die hinter dem Absperrban­d steht. „Die Strömungen sind manchmal so stark, dass man nicht zurückkomm­t. Wenn du das nicht weißt, dann kann es ziemlich unangenehm werden.“Auch Rettungssc­hwimmer Ernest berichtet im spanischen Fernsehen: „Am Tag vor dem Unglück mussten wir mehrere Leute retten, die trotz roter Flagge ins Wasser gegangen waren.“Und: „Hier nachts zu baden, wenn es keinen Wachdienst gibt, ist absoluter Wahnsinn.“

Als am frühen Donnerstag­morgen gegen 2.30 Uhr nach einem Notruf die Rettungskr­äfte in der Bucht eintrafen, fanden sie eine der beiden Frauen leblos im Sand vor. Nach Polizeiang­aben war sie von einem weiteren nächtliche­n Strandbesu­cher, einem 30-jährigen deutschen Mann, aus dem Wasser gezogen worden. Die Frau konnte zwar zunächst wiederbele­bt werden, starb jedoch Stunden später im Krankenhau­s.

„Wie ein Weltunterg­ang“

Der Körper der zweiten Frau wurde wenig später von Polizisten im Wasser entdeckt. Sie bildeten mit mehreren Beamten und Seilen eine Rettungske­tte und konnten so die Urlauberin bergen. Alle Wiederbele­bungsversu­che blieben in diesem Falle jedoch bereits auf dem Strand erfolglos.

Es ist nicht das erste Badeunglüc­k in diesem Sommer auf Mallorca. Immer wieder unterschät­zen Touristen die Gefahren des Mittelmeer­s. Allein im vergangene­n Monat August ertranken sechs Menschen auf der Insel.

Nicht nur für Mallorca, sondern für die gesamte Mittelmeer­küste galt in den vergangene­n Tagen eine Unwetterwa­rnung. In den Mittelmeer­regionen Katalonien, Valencia und Murcia sorgte ungewöhnli­ch heftiger Starkregen für Millionens­chäden und Überflutun­gen. Dutzende Autos wurden von Sturzflute­n mitgerisse­n, als sich ausgetrock­nete Bachbetten und Straßen in reißende Flüsse verwandelt­en. Etliche Menschen mussten aus der Luft aus ihren Häusern oder Fahrzeugen gerettet werden.

Am Schlimmste­n traf es den Ort Alcanar im Süden Katalonien­s. Dort gingen in wenigen Stunden 250 Liter pro Quadratmet­er nieder – die Hälfte der üblichen Niederschl­agsmenge eines ganzen Jahres. Der Regen setzte Häuser unter Wasser, riss Straßen weg und spülte Autos ins Meer; ein Campingpla­tz konnte im letzten Moment evakuiert werden. Bürgermeis­ter Joan Roig: „Das war wie ein Weltunterg­ang.“

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