Ein sehr machtbewusster Präsident
Kein anderer Aufsichtsratschef steht so in der Öffentlichkeit und so in der Kritik wie jener der Öbag, Helmut Kern. Seinen Job legt er jedenfalls sehr aktiv an. Zuletzt bei der Bestellung der neuen Chefin der Staatsholding.
Seit rund zweieinhalb Jahren ist Helmut Kern Aufsichtsratspräsident der Staatsholding Öbag, und in der Zeit hat er ziemlich viel erlebt. Sogar zwei Vorstandsbestellungen seinerseits. Die eine, jene von Thomas Schmid gleich zu Beginn, war bekanntlich recht problematisch. Die zweite, jene von Edith Hlawati erst vor wenigen Tagen, hat auch nicht gerade für Stehbeifall gesorgt. Eher im Gegenteil. Somit steht fest: Helmut Kern eckt an und muss jede Menge Kritik einstecken. In der medialen Berichterstattung ist er jedenfalls omnipräsent – und das hat vor ihm noch kein Aufsichtsratspräsident in Österreich geschafft.
Das mit der Kritik behagt Kern eher nicht, das mit der Öffentlichkeit durchaus. Sagen wir so: Zu einem Gutteil hat seine starke Präsenz natürlich mit den Problemen rund um Ex-Öbag-Chef Thomas Schmid zu tun. Aber einen gewissen Hang zum Operativen kann Helmut Kern halt auch nicht leugnen. Der einstige Consulter und spätere Leiter des Krankenhauses Barmherzige Brüder legt seine Funktion als Aufsichtsratspräsident jedenfalls höchst aktiv an.
Im Sommer beispielsweise begleitete er Öbag-Direktorin und Interimschefin Christine Catasta nach Mexiko – zum Syndikatspartner der Telekom Austria, Ame´rica Mo´ vil. Was für einen Aufsichtsratschef gelinde gesagt ziemlich ungewöhnlich ist. Kern sieht das freilich überhaupt nicht so: „Dass die Aufsichtsratspräsidenten der Syndikatspartner miteinander reden, gehört zum guten Ton.“Man müsse ja informiert sein.
Und ja, räumt er ein, er sei ein durchaus aktiver Aufsichtsratspräsident. So aktiv, dass dem Gremium im Sommer sogar ein Beschluss vorgelegt worden ist, wonach die Mehrarbeit des Aufsichtsratspräsidenten für die Dauer des Interregnums in der Staatsholding stundenweise abgerechnet und finanziell abgegolten werden soll. Wenige Tage nachdem der Aufsichtsrat das durchgewinkt hatte, zog Helmut Kern allerdings die Reißleine: Er fürchtete, sich damit angreifbar zu machen. Und begnügt sich weiterhin mit der wahrlich nicht üppigen Jahresgage von 25.000 Euro.
Ja, es sind ungewöhnliche und durchaus von Nervosität geprägte Zeiten. An der Spitze der Öbag gibt es seit Schmids Rücktritt ein Machtvakuum. Dazu kommt, dass der türkise Teil der Bundesregierung nach dem Debakel rund um Thomas Schmid personalpolitisch in einer Art Lähmung verharrt und sich bei der Bestellung der Nachfolge absolut herausgehalten hat.
Böse Zungen – in Zeiten wie diesen gibt es deren in der heimischen Industrie und in der Politik wirklich viele – meinen, dass Helmut Kern diese Situation geschickt ausgenützt habe, um seine Kandidatin durchzuboxen. Er habe den allgemein favorisierten SiemensÖsterreich-Chef Wolfgang Hesoun schlicht nicht im Chefsessel sehen wollen. Der wäre gleichsam ein Alphatier zu viel in der Öbag gewesen. Also habe Kern alles unternommen, seine Favoritin Hlawati zu inthronisieren.
Strategisch wäre das jedenfalls durchaus geschickt: Eine überaus kompetente Frau, renommierte Wirtschaftsanwältin – wer wird das schon kritisieren wollen?
Angreifbar macht sich Kern allerdings mit der Art und Weise der Kür Hlawatis. Sie war eine von über 120 Kandidaten, zum Hearing wurden davon fünf Personen eingeladen. Der Nominierungsausschuss, dem neben Kern auch Karl Ochsner und Werner Luksch angehören, einigte sich auf Edith Hlawati als Favoritin. Und nur sie wurde dem Öbag-Aufsichtsrat letztlich präsentiert. Andere Kandidaten wurden dem Gremium bloß anonymisiert vorgestellt. Die Aufsichtsräte sprachen sich einhellig für Hlawati aus, sagt Kern.
Die Aufregung über dieses Prozedere mit recht überschaubarer Auswahl will er nicht verstehen: „Dass der Nominierungsausschuss dem Aufsichtsrat eine Person präsentiert, ist gängige Praxis.“Da muss freilich differenziert werden: Es ist rechtlich möglich und wird vor allem international so gehandhabt. Von der „Presse“befragte Juristen meinen allerdings, dass die Präsentation einer Person unter mehr als 120 Kandidaten „nicht sorgfaltsgemäß“sei. Dieser Vorwurf treffe in erster Linie den Aufsichtsratschef. Aber auch die anderen Mitglieder des Kontrollgremiums seien in die Pflicht zu nehmen, „weil sie sich das haben gefallen lassen“.
Ein Personalberater, der aufgrund seiner Tätigkeit im Staatsbereich namentlich nicht genannt werden möchte, fasst zusammen: „Möglich ist es, natürlich. Aber in einer so heiklen Personalie, noch dazu bei einem Staatsunternehmen, ist so ein Vorgehen mehr als unklug.“
Womit wir bei einem weiteren Kritikpunkt wären, der Helmut Kern zeit seines Wirkens in der Öbag begleitet: Er sei, so heißt es immer wieder, kein Mann des bedächtigen Handelns, der bedächtigen Wortwahl. Kein Mann der feinen Klinge also.
Noch bevor auch nur die Rede davon war, dass OMV-Chef Rainer Seele gehen würde, gab Kern beispielsweise in einem „Kurier“-Interview zu Protokoll, dass „die Nachfolgebestellung“anstehe. Ob ihm da ein Lapsus passiert ist? Keineswegs, sagt er. Seeles Vertrag sei eben zur Verlängerung angestanden. Nur so nebenbei: Der frühere OMV-Aufsichtsratspräsident Wolfgang Berndt erklärte nach Seeles Abschied, dass er in Kern einen der „Hauptverantwortlichen für die Eskalation der Situation“sehe.
Oder die Ausschreibung für den Öbag-Chefposten: Da tat Kern kund, dass jemand „mit materieller Unabhängigkeit, für den die Bezahlung nicht im Vordergrund steht“, gesucht werde. Bei einer Jahresgage von bis zu 730.000 Euro.
Die Frage ist nun: Hat Kern noch das Vertrauen der Eigentümervertreter, vulgo der Politik? Schwer zu sagen, immerhin hat Finanzminister Gernot Blümel der neuen Öbag-Chefin ganz offiziell gratuliert, wenn auch zähneknirschend, wie manche meinen. Es gibt nicht wenige, die felsenfest davon überzeugt sind, dass Helmut Kern in absehbarer Zeit abgelöst wird. Er selbst gibt sich dar ob verblüfft :„ Ein Aufsichts rats vorsitz, der das Vertrauen des Eigentümers nicht mehr genießt, sollte seinen Rücktritt anbieten. Das gebietet der Anstand.“
Das wird spannend. Ebenso spannend wie die Umstände, unter denen Kern Öbag-Präsident geworden ist. Er habe, erzählt er, Sebastian Kurz und dessen Kabinettschef, Bernhard Bonelli, im Wahlkampf 2017 kennengelernt – als sie dem von ihm damals geleiteten Krankenhaus Barmherzige Brüder einen Besuch abstatteten. Kurze Zeit später sei er eingeladen worden, als Experte aus der Wirtschaft an einer Pressekonferenz von Kurz zum Thema Gesundheit teilzunehmen. Was er gern angenommen habe. Und dann, Anfang 2019, habe ihn ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger gefragt, ob er für den Job in der Öbag zur Verfügung stehe. Dass Helmut Kern davor schon als ÖVP-Finanzminister im Gespräch war, allerdings absagte, dazu schweigt Kern lieber.
Und so will er es auch in Zukunft halten .„ Jetzt,d ader Vorstandsb es tellungs prozess abgeschlossen ist, liegt mein Fokus wieder auf den routinemäßigen Aufgaben des Aufsichts ratspräsidenten “, sagt Kern. Die Kommunikation werde wieder der Vorstand übernehmen. Er, Kern, wolle keine Interviews mehr geben.