Die OMV wird grüner, wird sie auch kleiner?
Der neue OMV-Chef, Alfred Stern, will den Öl- und Gaskonzern umkrempeln und wirbt für mehr Vertrauen in der Belegschaft.
Wien. An seinem zweiten Arbeitstag als OMV-Generaldirektor steht Alfred Stern im 22. Stockwerk der Konzernzentrale und weiß genau, was von ihm erwartet wird: „Die OMV steht wahrscheinlich vor ihrem größten Wandel in der Unternehmensgeschichte“, sagt er bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in der neuen Funktion. Genau für diesen Job wurde der 56-jährige Kunststofftechniker schließlich an die Spitze des teilstaatlichen Unternehmens geholt: Der gebürtige Steirer soll aus dem hochprofitablen, aber etwas aus der Zeit gefallenen Öl- und Gaskonzern ein Unternehmen formen, das auch in einer klimaneutralen Zukunft eine Rolle spielen kann.
Wie das im Detail gelingen kann, lässt Alfred Stern an diesem Donnerstagabend weitgehend offen. Die Veränderung müsse „schnell und tiefgreifend“sein – viel mehr gibt es nicht. Die größte Weiche hat ohnedies sein Vorgänger, Rainer Seele, gestellt. Mit dem rund vier Milliarden Euro teuren Kauf der Mehrheit an der Borealis lenkte er die OMV auf Kurs in Richtung Chemiekonzern. „Kein anderes Ölunternehmen hat so viel Chemie und Werkstoffe im Portfolio“, sagt Stern voll Zuversicht.
Das bringt der OMV vielleicht mehr Geld, wie das starke Halbjahresergebnis zeigt, bei dem die Borealis schon die Hälfte des Konzerngewinns beigesteuert hat. Grüner wird die OMV, immerhin einer der größten CO2-Emittenten des Landes, damit aber noch nicht.
Strategie kommt Anfang 2022
Die Nischen, in denen die OMV den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit schaffen könne, müssten noch gefunden werden, räumt der neue Konzernchef ein, der bis vor Kurzem selbst die Borealis geleitet hat.
Beispielhaft nennt er die Kreislaufwirtschaft und biogene Treibstoffe. Beides sind Trendthemen, mit denen eine immerhin 25.000 Mitarbeiter starke OMV in ihrer heutigen Größe derzeit allerdings nur schwer vorstellbar ist.
Es wird radikalere Umwälzungen brauchen, will Alfred Stern seine Versprechen einlösen. An guten Tipps mangelt es nicht. An klaren Ansagen schon eher. Kommt der Umschwung hin zu erneuerbaren Energieträgern, wie ihn die Umweltschützer fordern? Was passiert mit dem Öl- und Gasgeschäft, das immerhin die Hälfte des Gewinns ausmacht? Wird die rumänische Petrom verkauft? Ist die OMV noch an sibirischen Gasfeldern interessiert? Antworten auf all diese Fragen gibt es (noch) nicht.
Bis Ende des Jahres will sich der besonnene Manager Zeit nehmen, um eine neue Strategie auszuformulieren und sie im ersten Quartal 2022 präsentieren. Bis dahin danke er Rainer Seele, dass dieser das Unternehmen „zu finanziellen Höchstleistungen getrieben hat“. Denn das Geld könne man für die Veränderung gut brauchen.
Einfach wird es dennoch nicht werden. Der konzerninterne Streit darüber, wie schnell und tiefgreifend der Wandel sein müsse, war es letztlich auch, der seinen Vorgänger entnervt das Handtuch werfen ließ. Die Sorge in der alten OMV-Belegschaft, dass ihre Dienste in einer CO2-freien Welt nicht mehr gebraucht werden könnte, ist seitdem nicht kleiner geworden.
Stern ist zwar peinlich darauf bedacht, kein einziges fossiles Geschäftsfeld vorzeitig abzuschreiben, dennoch sind einige Entwicklungen der Zukunft bereits absehbar: Eine Ausweitung oder auch nur Stabilisierung der Öl- und Gasproduktion von knapp 500.000 Fass am Tag kann es nicht geben. Sonst wäre der Kunststoff-Spezialist Stern der falsche Mann am falschen Ort. Und das Geld, das er für die Transformation veranschlagt, muss von irgendwoher kommen.
Schon den Kauf der Borealis hat die OMV mit dem Abverkauf von Tankstellennetzen, Gasleitungen sowie Öl- und Gasfeldern finanziert. Gut möglich, dass es in
Es gibt nichts, was weniger nachhaltig ist, als stets nur Gutes zu tun, ohne damit Geld zu verdienen.
Alfred Stern, OMV-Chef
dieser Tonart weitergehen wird. Das heizt Gerüchte an, wonach die neue OMV kleiner werden und Mitarbeiter abgeben müsse. Gerüchte, die Alfred Stern am Donnerstag nicht zur Gänze zerstreuen will: Die Strategie werde gerade erst erarbeitet. „Der Betriebsrat ist natürlich eingebunden.“
„Veränderung ist notwendig“
Bis der neue Fahrplan steht, will der neue OMV-Chef Grundsätzliches klären: Entscheidend sei, dass „die Notwendigkeit der Veränderung akzeptiert wird“. Noch seien nicht alle im Unternehmen – und vielleicht auch im Führungskreis – so weit. Ein Seitenhieb auf Johann Pleininger, Vorstand für die Suche und Förderung von Öl und Gas, der sich selbst große Hoffnungen auf den Chefposten gemacht hat.
Bevor es ans Eingemachte geht, will Stern an der Unternehmenskultur schrauben, Lernkultur und Vertrauen aufbauen. „Die Entscheidungen, die wir treffen müssen, werden besser, wenn sie im Team diskutiert werden können.
Voraussetzung dafür ist, dass das notwendige Vertrauen da ist.“
Das Vertrauen, das er von seinen Mitarbeitern einfordert, muss sich Stern von den Aktionären erst verdienen. Aber auch für sie hat er auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit eine Beruhigungspille parat: „Es gibt nichts, was weniger nachhaltig ist, als nur Gutes zu tun, ohne damit Geld zu verdienen.“