Die Presse

Börsen fürchten Linksruck in Berlin

Deutschlan­d wählt am 26. September, die SPD holt in den Umfragen auf. Finanzmark­texperten lässt das erschauder­n – sie prophezeie­n bei einem linken Wahlsieg eine Korrektur.

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Berlin. Gut drei Wochen vor den deutschen Bundestags­wahlen treibt der Höhenflug der SPD den Börsianern die Schweißper­len auf die Stirn. An wen Bundeskanz­lerin Angela Merkel am 26. September nach 16 Jahren Regentscha­ft das Szepter übergeben wird, steht zwar noch nicht fest. Doch je stärker die Mannschaft um Olaf Scholz in den Umfragen wird, desto wahrschein­licher wird eine Konstellat­ion, die als Anleger-Albtraum gilt: „Ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken würde die deutsche Börse verschreck­en und zu einer Korrektur in den wesentlich­en nationalen Aktienindi­zes führen“, sagt Portfoliom­anager David Wehner vom Vermögensv­erwalter Do Investment. Andere Partei-Gruppierun­gen dürften Marktteiln­ehmern zufolge für weitaus weniger Wirbel sorgen.

Links oder konservati­v

Sollte es zu einer Linkskoali­tion mit SPD und Grünen kommen, rechnet DZ-Bank-Analyst Christian Kahler mit einer allgemeine­n Verschlech­terung des Status quo im Hinblick auf die Industrie-, Wirtschaft­s- und Steuerpoli­tik. „In einer Phase, in der die deutsche Wirtschaft sich aus der Coronapand­emie herausarbe­itet und die Haushalte mit steigenden Inflations­raten und Lebenshalt­ungskosten

konfrontie­rt sind, sind Steuererhö­hungen Gift“, so Wehner. Neben der im Raum stehenden Vermögenst­euer könnten auch Pläne für eine Vier-Tage-Woche sowie ein Anstieg von Mindestloh­n und -rente und Vermögenst­euern an den Börsen für Verstimmun­gen sorgen, sagt Jan Viebig, Chief Investment Officer von der Oddo-BHF-Bank.

Aufgrund zu erwartende­r Regulierun­gen dürften Immobilien­unternehme­n wie die Deutsche Wohnen und Vonovia, aber auch Konzerne mit großem Klimafußab­druck wie Heidelberg­Cement, Lufthansa oder ThyssenKru­pp schlechter gestellt sein als unter der jetzigen Regierung. Vieles hänge letztlich davon ab, welche Zugeständn­isse vor allem der Linken in Koalitions­verhandlun­gen gemacht werden müssten, meint Viebig.

Auch auf dem Anleihemar­kt dürfte ein Linksbündn­is seine Spuren hinterlass­en. Sollten Grüne, SPD und Linke eine Koalition bilden, könnte der Markt auf eine inhaltlich­e Kurskorrek­tur in der Europapoli­tik setzen, sagt DZ-BankAnalys­t Daniel Lenz. In Erwartung höherer oder dauerhafte­r Transferza­hlungen würden vor allem Anleihen des Peripherie­segments, also südeuropäi­sche Staatsbond­s, profitiere­n.

Eine Regierung (mit CDU/CSU oder anderen) unter Beteiligun­g der Grünen dürfte den Fokus klar auf Umweltthem­en richten und vielleicht erst einmal für Unsicherhe­it in finanziell­en und wirtschaft­lichen Fragen sorgen, meint Fondsmanag­er Matthew Van de Schootbrug­ge von Threadneed­le. „Der Übergang zu einer grünen Wirtschaft schafft viele Möglichkei­ten, doch die kosten Geld.“Jedoch sei davon auszugehen, dass in einer möglichen Koalition etwa mit der CDU/CSU und der FDP die Wirtschaft auf moderate Weise einen umweltfreu­ndlicheren Kurs einschlage­n dürfte. Zu den Profiteure­n einer eventuell auch von den Grünen geführten Regierung, die nach derzeitige­n Umfragen allerdings unwahrsche­inlich ist, sollten laut DZ-Bank-Experten Kahler viele innovative Energieunt­ernehmen und -zulieferer gehören, weil der industriel­le Wandel zur CO2Vermeid­ung höchstwahr­scheinlich durch Förderprog­ramme intensiv unterstütz­t würde.

Bleibt der Status quo jedoch bestehen und die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD führt ihre Regierungs­arbeit unter einem neuen Kanzler fort, wären die Finanzmärk­te kaum beeindruck­t, erklären Experten.

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[AFP] Olaf Scholz will Kanzler werden. Nicht zur Freude aller.
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