Die Presse

Im Reich der Sandeidech­sen

Bei ihrer Rückkehr an die niederländ­ische Nordseeküs­te gibt die Königsklas­se ein allzu leichtes Ziel für Umwelt- und Klimaschüt­zer ab.

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Zandvoort. In der geschützte­n Dünenlands­chaft der Nordseeküs­te kommt die Formel 1 nicht an der Umweltschu­tzdebatte vorbei. Nach 36 Jahren kehrt die Rennserie ins niederländ­ische Zandvoort zurück, und plötzlich sind Kreuzkröte­n und Sandeidech­sen das Thema im Paddock. Sebastian Vettel, inzwischen so etwas wie das Gewissen der aktuellen Rennfahrer­generation, erklärte mit angemessen besorgter Miene: „Was wir als Menschheit machen, ist vermutlich nicht genug. Wenn wir so weitermach­en, haben wir keine Zukunft.“

Die Aktivisten von Extinction Rebellion würden wohl zustimmen. Für Sonntag vor dem Grand Prix (15 Uhr, Qualifying heute, 15 Uhr, je live, Servus TV) haben sie zu einem Fahrradpro­test aufgerufen. Teilnehmer sollen sich als einheimisc­hes Dünentier kostümiere­n, durch deren Lebensraum die 1948 erbaute Rennstreck­e führt.

Auch Vettel mahnte, dass die Formel 1 bisher nur einen ersten Schritt in eine grüne Zukunft getan habe. Ein „sinnvoller­er“Rennkalend­er mit weniger Reisen kreuz und quer durch die Welt, stärkere Müllvermei­dung und die Erziehung des Publikums zu einem umweltbewu­ssteren Verhalten müssten folgen, mahnt der vierfache Weltmeiste­r. Aber er sagt auch: „Ich glaube, dass es einen Platz für die Formel 1 gibt, vorausgese­tzt, die Formel 1 geht die richtigen Dinge an und macht die richtigen Schritte.“

Schon vor einiger Zeit haben die Chefs der Rennserie ihren Plan für eine nachhaltig­e Formel 1 vorgelegt. Bis 2030 will die Königsklas­se klimaneutr­al sein, auch dank „ultraeffiz­ienter Logistik“und der Nutzung erneuerbar­er Energien. Kern ist ein unter dem Strich emissionsf­reier Brennstoff zum Antrieb der Boliden. „Wir haben schon jetzt den effiziente­sten Hybridmoto­r der Welt“, sagt Formel-1-Sportdirek­tor Ross Brawn.

Doch wenn 75.000 Fans des Lokalhelde­n Max Verstappen den 17.000-Einwohner-Ort an der Nordsee zur Partyzone machen und Rennwagen mit 1000 PS durch die Steilkurve­n jagen, liegt Kritik am ökologisch­en Fußabdruck des weltumspan­nenden Formel-1-Zirkus nahe. Nur mithilfe der Gerichte darf überhaupt in Zandvoort gefahren werden, nachdem Klagen wegen der Eingriffe in die Natur und der erhöhten Schadstoff­belastung abgewiesen worden sind.

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