Die Presse

„Unter den strengen Bildhauern der strengste“

Die Retrospekt­ive „Josef Pillhofer“im Leopold Museum zeigt das Schaffen des steirische­n Bildhauers im Dialog mit der europäisch­en Moderne, darunter Werke von Rodin, Brancusi, Picasso oder Zadkine.

- VON JOHANNA HOFLEITNER

Wien. Im Zentrum der großen Retrospekt­ive anlässlich des 100. Geburtstag­s von Josef Pillhofer (1921–2010) steht die Plastik. Sie ist das Genre, dem sich der steirische Künstler, der zu den wichtigste­n österreich­ischen Bildhauern des 20. Jahrhunder­ts zählt, bereits seit der Kindheit in Mürzzuschl­ag verschrieb­en hatte. Schon als Kind baute er kinetische Objekte, im Teenageral­ter entstehen erste Holzskulpt­uren. Mit 17 tritt er in die Bildhauerk­lasse an der Grazer Kunstgewer­beschule ein. Nach dem Krieg wird er Meistersch­üler von Fritz Wotruba an der Akademie der bildenden Künste. An das Studium schließt dann ein Auslandsst­ipendium in Paris an, bald stellen sich internatio­nale Erfolge ein, wie Beteiligun­gen an der Venedig-Biennale 1954 und 1956 und eine Ausstellun­g im Amsterdame­r Stedelijk Museum. Das Entree zur Wiener Ausstellun­g fängt diese Aufbruchss­ituation stimmungsv­oll ein mit einem Arrangemen­t aus frühen Skulpturen und Atelierauf­nahmen im Blow-up-Format, die mitten in die skulptural­e Welt des Josef Pillhofer hineinführ­en.

„Die Skulptur als Medium wird viel zu selten im musealen Kontext präsentier­t, dabei hat sie in der klassische­n Moderne wie in der zeitgenöss­ischen Kunst wichtige Diskurse ausgelöst und tut dies noch heute“, sagt Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museum, der dieses Mal auch als Kurator fungiert. „Pillhofer ist zudem ein Künstler, der in seinem Werk einen Brückensch­lag von der Vergangenh­eit in die Gegenwart vollzieht. Das passt wunderbar in die Programmst­rategie unseres Hauses.“Dazu gab sein künstleris­cher Werdegang mit zahlreiche­n Auslandsau­fenthalten Anlass für ein spannendes Ausstellun­gskonzept. Wipplinger: „Es war mir wichtig, Josef Pillhofer mit Hinblick auf die europäisch­e Moderne zu kontextual­isieren – also dialogisch­e Konstellat­ionen herzustell­en zu den Künstlern, die ihn als Lehrer, aufgrund von Freundscha­ften oder durch Atelierbes­uche maßgeblich beeinfluss­t haben.“

Die prägenden Jahre

Prägend war dabei ein Paris-Aufenthalt 1950/51, der durch ein Auslandsst­ipendium ermöglicht wurde. Angekommen in Paris, wird Josef Pillhofer nach einem kurzen Intermezzo an der E´cole des Beaux-Arts als Schüler von Ossip Zadkine in dessen Werkstatt an der Acade´mie de la Grande Chaumie`re aufgenomme­n, wo auch die ersten abstrakten Figuren entstehen – unter anderem die „Radfahreri­n“, eine Suche nach der plastische­n Einheit zweier unterschie­dlicher Realitäten. Auf seinen Wegen durch die Stadt trifft er Künstler wie Fernand Le´ger und entdeckt Rodin und dessen BalzacDenk­mal. Ein Empfehlung­sschreiben des Direktors des Muse´e d’Art Moderne öffnet ihm außerdem die Türen zu den Ateliers der wichtigste­n Bildhauer und Bildhaueri­nnen der Zeit, darunter Alberto Giacometti, Constantin Brancusi, Germaine Richier. Besonders großen Einfluss übte auf ihn in Paris Henri Laurens aus, den er regelmäßig in seinem Gartenatel­ier besuchte. Laurens führte mit dem jungen Künstler nicht nur intensive Gespräche über seine eigenen Skulpturen.

Er nahm sich auch viel Zeit, um gemeinsam mit ihm dessen mitgebrach­te Zeichnunge­n zu besprechen. Sein Befund „Du suchst eine Synthese“brachte das Anliegen auf den Punkt – auch über die Pariser Zeit hinaus. In der Ausstellun­g hat Hans-Peter Wipplinger diese einflussre­ichen „Heroen“, wie er sie nennt, in einem zentralen Saal jeweils mit einer Bronze zusammenge­führt. Auf einem niedrigen Podest fügen sich da Alexandre Archipenko­s „Weiblicher Akt“(1921), Henri Laurens’ „Mutter“(1935), eine „Badende“(1917) von Jacques Lipchitz oder Ossip Zadkines „Weibliche Formen“(1922) mit Josef Pillhofers „Radfahreri­n“zum Reigen.

Die Favorisier­ung einer geometrisi­erenden Formenspra­che ist ein Hauptmerkm­al von Pillhofers Schaffen, das den Wiener Kunstkriti­ker Alfred Schmeller zum Verdikt veranlasst­e: „Pillhofer ist unter den strengen Bildhauern Österreich­s der strengste.“Sein Grazer Kollege Wilfried Skreiner stellte fest, Pillhofer habe „als erster in Österreich autonome gegenstand­slose Plastiken gestaltet“. Trotzdem gibt es da immer auch eine Aufmerksam­keit für die Figur und die Gegenständ­lichkeit vor dem Hintergrun­d der tiefgehend­en Auseinande­rsetzung mit der Geschichte der Plastik und Kunst im Allgemeine­n. Dieser Bandbreite nähert sich die Ausstellun­g analytisch durch Schwerpunk­tsetzungen wie archaisier­ende Vereinfach­ung, Verlebendi­gung des Ausdrucks, Proportion­ssuche, Figuren in Bewegung, Landschaft­sstruktur und Raumarchit­ekturen.

 ?? [ Leopold Museum, Wien/Foto: Lisa Rastl ] ?? Blick ins Entree der Ausstellun­g „Josef Pillhofer“.
[ Leopold Museum, Wien/Foto: Lisa Rastl ] Blick ins Entree der Ausstellun­g „Josef Pillhofer“.
 ?? [ Sammlung Würth, Inv. 3034/V. Naumann, Schönaich, Succession Picasso/Bildrecht Wien, 2021 ] ?? Im Dialog mit Picasso.
[ Sammlung Würth, Inv. 3034/V. Naumann, Schönaich, Succession Picasso/Bildrecht Wien, 2021 ] Im Dialog mit Picasso.
 ?? [ Belvedere, Wien/Johannes Stoll© Bildrecht Wien, 2021 ] ?? A. Archipenko: „Weiblicher Akt“, um 1921.
[ Belvedere, Wien/Johannes Stoll© Bildrecht Wien, 2021 ] A. Archipenko: „Weiblicher Akt“, um 1921.

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