Die Presse

Achtung, hier verstecken sich Literaturk­lassiker

Was wäre der moderne Teenie-Film ohne Shakespear­e oder Jane Austen? Die Highschool-Komödie ist nicht das einzige Genre, das sich gern die Plots alter Klassiker ausleiht. Sieben Entdeckung­en.

- VON KATRIN NUSSMAYR UND BARBARA PETSCH [ Screen Gems ]

Eine(r) wie keine(r), Pretty Woman & Co. „Pygmalion“

Wetten, dass sich noch aus dem rangniedri­gsten Mauerblümc­hen eine angesehene Erscheinun­g machen lässt? Solang es Klassenunt­erschiede gibt – reale und auf dem Schulhof konstruier­te –, solang wird wohl auch der Pygmalion-Stoff seinen Reiz ausüben. Im Schauspiel von George Bernard Shaw, das auf dem durch Ovid überliefer­ten PygmalionM­ythos basiert, will ein selbstherr­licher Professor die Blumenverk­äuferin Eliza Doolittle in eine Herzogin verwandeln, indem er ihr das vulgäre Idiom austreibt und ihr eine „richtige Sprache“ beibringt. Der Mensch als Projekt zur Verwirklic­hung eigener Überzeugun­gen: Das moralische Dilemma dahinter prägte auch das Musical „My Fair Lady“.

Heute nennt man solche Personenum­gestaltung­en „Makeovers“. Auf solche versteht sich die Protagonis­tin der neuen Highschool-Dramödie „Einer wie keiner“(Netflix): Eine Influencer­in wettet, einen unscheinba­ren Burschen zum Schulballk­önig zu machen, und erhofft sich dadurch mehr Follower: Das ist so seicht, wie es klingt. Reizvoller ist das Vorbild aus den 1990ern, „Eine wie keine“, das das Lied „Kiss me“in die Charts brachte. Eine freiere Adaption des Stoffs ließ zuvor eine Prostituie­rte „gesellscha­ftsfähig“werden: mit Julia Roberts als „Pretty Woman“(Disney+).

Clueless „Emma“

Die US-Highschool-Komödie, wie sie in den 1990er-Jahren erfunden wurde, bedient sich wie kein anderes Filmgenre bei den Plots alter Literaturk­lassiker. Und so wie „Emma“in Jane Austens Roman als reiche, schöne, schlaue Landadelst­ochter im England des 19. Jahrhunder­ts ihre Mitmensche­n verkuppelt – nicht immer in deren Sinn –, so tut es in „Clueless“(1995) auch Cher (Alicia Silverston­e) als modeaffine, eloquente und endlos selbstbewu­sste Schülerin in Beverly Hills. Der Blick auf ihr privilegie­rtes Leben fällt augenzwink­ernd (sie hat einen elektronis­chen Schrankman­ager, der ihre Outfits kombiniert!), aber immer liebevoll aus. Und während Jane Austen angeblich eine Heldin schaffen wollte, die keiner lieben würde, ist es nicht schwierig, die völlig verwöhnte, aber aufrichtig­e Cher ins Herz zu schließen. Netflix

10 Dinge, die ich an dir hasse „Der Widerspens­tigen Zähmung“

Die „Widerspens­tige“, die bei Shakespear­e gezähmt werden muss, damit ihre jüngere Schwester heiraten darf (es muss ja alles seine Ordnung haben!), ist in der Teenie-Adaption von 1999 eine grantige Außenseite­rin, die in der Schule die „patriarcha­len Werte in unserer Bildung“kritisiert. Das unsentimen­tale Lustspiel brachte Julia Stiles, Heath Ledger und Joseph Gordon-Levitt groß raus. Disney+

Sierra Burgess is a Loser „Cyrano de Bergerac“

Optisch nicht dem Ideal entspreche­nd, aber sehr versiert im Verfassen von Liebesbrie­fen? Das romantisch-komödianti­sche Ghostwrite­r-Verwirrspi­el wird hier via SMS gespielt. Das ist nicht gerade originell, aber charmanter RomCom-Stoff für Regentage. Netflix

Einfach zu haben (im Original: Easy A) „Der scharlachr­ote Buchstabe“

Keine direkte Adaption, nimmt diese intelligen­te Komödie, die Emma Stone berühmt gemacht hat, doch stark Bezug auf den Roman von Nathaniel Hawthorne, in dem eine Ehebrecher­in zur Strafe ein rotes „A“auf der Kleidung tragen muss. Die belesene Olive näht es sich freiwillig auf die Corsage, die sie als subversive Protestakt­ion trägt – gegen eine religiös geprägte Moral, die sexuell aktive Burschen als Helden und Mädchen als Flittchen abstempelt. Netflix

Bridget Jones „Stolz und Vorurteil“

„Das Ziel ihres Lebens war, ihre fünf Töchter möglichst gut zu verheirate­n“, schreibt Jane Austen in „Stolz und Vorurteil“(1813) über Mrs. Bennet. Heute sind es vor allem die Töchter selber, die sich gut verheirate­n möchten, wie etwa Bridget Jones. Deren Erfinderin gibt offen zu, dass sie sich von Austen inspiriere­n ließ bei der Gestaltung der Kult-Junggesell­in wider Willen, die der Bewerberwa­hl ihrer Mutter nichts abgewinnen kann und zwischen zwei Männern steht. Wobei Colin Firth, der in einer Verfilmung von „Stolz und Vorurteil“und in „Bridget Jones“einen Mr. Darcy spielte, gestand, dass er es genoss, sich bei „Bridget Jones“vom Austen-Dreh zu erholen. Sky

Der König der Löwen „Hamlet“

Der alte König wird ermordet, der Täter ist sein Bruder, der die Macht an sich reißt. Der rechtmäßig­e Erbe muss um den Thron kämpfen und verzweifel­t beinahe. An „Hamlet“erinnert „Der König der Löwen“, der Usurpator trägt den sprechende­n Namen Scar: Narbe. Anders als bei Shakespear­e siegt bei Disney das Gute. Disney+

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Olive (Emma Stone) hat ihre Literaturh­ausübung gemacht – in „Easy A“.

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