Die Presse

Mit der Häppchen-Opposition wird die SPÖ nicht weit kommen

Whatabouti­smus heißt eine Methode, mit der sich die Partei ständig in die Defensive drängen lässt. „Aber was ist mit . . .“Rendi-Wagners Konzept?

- VON ANNELIESE ROHRER E-Mails an: debatte@diepresse.com Zur Autorin: Anneliese Rohrer ist Journalist­in in Wien. diepresse.com/rohrer Montag in „Quergeschr­ieben“: Gudula Walterskir­chen

Es gibt unerfreuli­chere Ereignisse für eine Politikeri­n als ein „Sommergesp­räch“im ORF, über das ein paar Tage danach niemand mehr redet. Dennoch: Das TV-Gespräch von SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner am Montag geriet nur für ihre Partei zum „starken Auftritt“, interessie­rte im Durchschni­tt an die 150.000 weniger Zuseher als jenes von FPÖ-Chef Herbert Kickl und generierte wenig mediale Aufmerksam­keit.

Zu Recht. Es war zu beiläufig. Man hatte nicht den Eindruck, als hätte sie oder irgendjema­nd in der SPÖ vorher überlegt, welche Botschaft sie den Zusehern vermitteln will oder soll. Dieser Befund ist jetzt keine Reaktion auf die ständige Aufforderu­ng mancher Leser, doch endlich die SPÖ zu kritisiere­n, statt an dem, was die Regierung tut oder nicht tut, herumzunör­geln. Abgesehen davon, dass die Ermunterun­gen zum Blickwechs­el mitunter auf eine Art Message Control hinauslauf­en, ergeben sie rein sachlich wenig Sinn. Es ist nicht sehr lohnend, sich mit der SPÖ zu beschäftig­en, die weder ihre interne Verwirrung überwinden noch zu einer stringente­n Botschaft finden kann. Es ist doch wichtiger aufzuzeige­n, was die Regierung durchsetze­n könnte, wenn sie nur wollte, als sich ständig an der Machtlosig­keit der Opposition abzuarbeit­en.

Vor fünfzig Jahren wurde eine sowjetisch­e (Propaganda-)Technik bekannt, die heute unter dem Begriff „whatabouti­sm“pop ulär ist. Ganz einfach: Auf jede Kritik wird mit einer Gegenfrage reagiert und/oder auf ein anderes Thema abgelenkt. 2008 verschafft­e ihr das britische Magazin „Economist“eine gewisse Bekannthei­t. „Whatabouti­sm“lässt sich schwer ins Deutsche übertragen, denn „Aber-was-ist-damit-Ismus“ist doch etwas eigen. Einfacher gesagt: Es ist eine rhetorisch­e Methode zur Ablenkung. Jeder Kritik wird mit einer Gegenfrage gekontert. Sie hat mit dem Inhalt der Vorhaltung­en nichts zu tun. Oder es wird ein anderes Thema in die Auseinande­rsetzung geworfen, womit von der ursprüngli­chen Kritik abgelenkt wird. So lässt sich jede inhaltlich­e Diskussion zerstören.

Das eigentlich­e Thema wird so als irrelevant dargestell­t.

Es ist nicht verwunderl­ich, dass diese Technik des „Und was ist mit . . .“gerade in Zeiten der sozialen Medien zu neuer Bekannthei­t und wohl auch Beliebthei­t gelangt ist.

Auf das aktuelle Bespiel übertragen: Die Covid-19-Infektions­zahlen steigen, die Regierung aber hat den Sommer 2021 in Vorbereitu­ng auf den Herbst kaum besser genützt als 2020. Und was ist mit der SPÖ? Ihre Vertreter waren auch auf Urlaub. Oder: Die Regierung weiß heute noch nicht, wie in ein paar Monaten die Wintersais­on in der Pandemie organisier­t werden muss, um weiteren Schaden im Tourismus zu vermeiden? Und was ist mit der SPÖ? Welchen Plan hat sie, um einen neuerliche­n Anstieg der Arbeitslos­igkeit zu verhindern? Oder: Der Regierung fehlt der Wille zu strukturel­len Reformen. Was ist mit der SPÖ? Sie hat in Jahrzehnte­n auch nichts in Sachen Postenscha­cher, Korruption, Pflegenots­tand, Anhebung des Pensionsal­ters, steigende Armut etc. unternomme­n.

Jetzt kommt wahrschein­lich sofort die Reaktion: Und was ist mit der SPÖ und ihren Vertretern? Wenden sie nicht auch diese Strateg iean,aufunsachl­iche Art von sich abzulenken? Ja eh – wie alle Parteien. Auch deshalb drehen sich die Diskussion­en im Kreis und verhindern oft jahre lang die erfo rderlichen Entscheidu­ngen.

Die SPÖ und Pamela Rendi-Wagner können in diesem kommunikat­iven Teufelskre­is nur verlieren. Sie könnten ihm aber dadurch entkommen, dass sie die Häppchen-Opposition aufgeben – eine Idee heute, eine morgen, ein Vorschlag jetzt, einer später – und in allen wichtigen Bereichen ein schlüssige­s, perfekt ausgearbei­tetes Konzept vorlegen. Darauf hat man vor den ORF-„Sommergesp­rächen“offenbar vergessen. Die Wähler aber würden den Whatabouti­smus leichter durchschau­en.

Es ist wichtiger aufzuzeige­n, was die Regierung durchsetze­n könnte, als sich ständig an der Opposition abzuarbeit­en.

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