Ein intelligentes Pflaster – wie eine zweite Haut
Folien, die Vitalfunktionen messen, müssen hauchdünn und ultraflexibel sein. In einem österreichisch-japanischen Projekt entwickeln Forscher ein Pflaster, das sich zudem selbst mit Energie versorgen soll.
Sensoren für Pflaster, die Blutdruck und Herzfrequenz messen und sich dazu noch selbst mit Energie versorgen könnten, sind das Ergebnis der Forschung des Weizer Experimentalphysikers Andreas Petritz in Zusammenarbeit mit japanischen Forschern. Viele medizinische „Wearables“, also Computersysteme, die am oder im Körper getragen werden, sind lästig oder unbequem. Petritz’ elektronisches Sensorpflaster soll hingegen so hauchdünn werden, dass man es kaum spürt.
„E-Skin, die elektronische Haut, imitiert die natürliche Haut und gibt ihr neue Funktionen“, erklärt der Materialforscher am Institut für Oberflächentechnologie und Photonik der Joanneum-Research (JR)-Forschungsgesellschaft in Weiz. Wenn die biokompatiblen, also körperfreundlichen Folien am Hals einer Person angebracht werden, sollen sie in der Lage sein, Vitalparameter zu messen. Die entscheidende Erkenntnis bei deren Entwicklung war, dass durch die Vermeidung eines dicken Trägersubstrats die Sensitivität um ein Vielfaches gesteigert werden kann.
Dies befähigt die Sensoren zum Beispiel, eine Versteifung von Arterien zu registrieren, die auf einen drohenden Infarkt hinweisen. Neben der Herzfrequenz können sie den Blutdruck erfassen, indem sie messen, wie schnell sich die Druckwellen durch die Arterien bewegen. Was tatsächlich möglich sein wird, müssen nun medizinische Studien zeigen.
Sensor reagiert auf Pulsschlag
Das System wurde im Sekitani-Lab der Universität Osaka (Japan) entwickelt, wo Petritz mit einem Schrödinger-Stipendium des Wissenschaftsfonds FWF zwei Jahre lang forschte. Es besteht aus einem hauchdünnen Messpflaster, das über Sensoren verfügt und mit einem nur wenige Gramm schweren Elektronikmodul verbunden ist. Dieses kann die erfassten Messdaten drahtlos an eine Empfängerelektronik senden. Die wichtigste Einheit auf dem so gut wie nicht wahrnehmbaren Pflaster ist ein piezoelektrischer Sensor, der aus einer dünnen Schicht des Fluorpolymers P(VDF-TrFE) besteht (siehe Lexikon).
Petritz: „Dieses Sensormaterial wird zwischen zwei hauchdünnen Elektrodenflächen eingebettet. Es ist chemisch mit dem bekannten Teflon verwandt, weist aber im Gegensatz zu diesem eine permanente elektrische Polarisation auf, die für die Empfindlichkeit gegenüber kleinsten mechanischen Bewegungen, wie beispielsweise dem Pulsschlag, verantwortlich ist.“
Um das System mit Energie zu versorgen, sind ebenfalls spezielle Sensoren angedacht. Durch die permanente elektrische Polarisation reagieren sie auf mechanische Bewegungen, etwa der Personen, die das Pflaster tragen. So kann elektrische Energie entstehen, wenn z. B. der Ellbogen oder das Knie gebeugt und gestreckt wird. Gespeichert werden kann diese Energie dadurch, dass die Folie mit einer ultradünnen Kondensatorstruktur ausgestattet wurde.
Intelligente Pflaster zur Wundheilung oder zur Messung des Blutzuckers haben die Forschung in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt. Doch noch haben nur wenige Produkte auch die Marktreife erlangt. Petritz arbeitet derzeit bei JR auch an der Entwicklung eines energieautonomen Sensorsystems mit, das etwa die Rotorblätter einer Windturbine überprüfen kann oder eine RemoteSchlauchkontrolle von E-Bikes durchführt.