Die Presse

„Lehm steht zur Verfügung, wo er verbaut werden soll“

Ein lang vernachläs­sigtes Baumateria­l könnte ob seiner ökologisch­en Vorteile nun eine Renaissanc­e feiern: Lehm muss nicht weit transporti­ert werden, bedarf keiner schädliche­n Zusatzstof­fe und lässt sich gut recyceln. Das Projekt „Clay to stay“liefert gena

- VON MICHAEL LOIBNER

Wer an Häuser aus Lehm denkt, hat meist Bilder von Hütten irgendwo in Afrika, Asien oder Südamerika im Kopf. Aber auch in manchen Gegenden Österreich­s wurden bis in die Nachkriegs­jahre Gebäude aus Lehm errichtet. Ute Mun˜ ozCzerny vom Österreich­ischen Institut für Baubiologi­e und -ökologie (IBO) will das Bauen mit Lehm nun wieder salonfähig machen. Sie leitet das im Mai gestartete Projekt „Clay to stay“, in das neben dem IBO auch weitere Forschungs­einrichtun­gen des Austri an-Co operativ e-R ese ar ch-Netzwerks(ACR) eingebunde­n sind. Die Wissenscha­ftlerin beruft sichv.a. auf dieöko logischen Vorteile: „Lehm ist fast überall vorhanden und steht damit direkt dort, wo er verbaut werden soll, zur Verfügung. Er braucht nicht über weite Strecken transporti­ert zu werden, bedarf keiner g es und heits beeinträch­tigenden Zusatz stoffe und ist bedenkenlo­s in den Naturk reis laufrückfü­hr bar .“

Einsetzen lasse sich das Gemisch aus Ton, Sand und Mineralien auf vielfältig­e Weise: Ungebrannt­e Lehmziegel eignen sich ebenso wie Stampflehm zur Errichtung tragender Mauern, Estrich oder Innenputz können ebenfalls aus dem Sedimentma­terial hergestell­t werden. „Leichtlehm ist zudem eine gute Dämmung“, erklärt Mun˜ ozCzerny.

Das Problem: „Die Zusammense­tzungen und damit die Eigenschaf­ten des Lehms sowie dessen Eignung für die unterschie­dlichen Verwendung­szwecke sind überall unterschie­dlich. Die Aufbereitu­ng bedarf daher eines Fachwissen­s, das mittlerwei­le verloren gegangen ist und auch in der Ausbildung nicht zureichend vermittelt wird.“Aus diesem Grund greifen Initiative­n, die zum Teil bereits seit etlichen Jahren das Bauen mit Lehm wieder forcieren wollen, gern auf industriel­l hergestell­ten oder weither antranspor­tierten zurück. „Aber damit gehen die ökologisch­en Vorteile des vor Ort verfügbare­n Baustoffs verloren“, so die Expertin. „Und es geht ja genau darum, energieint­ensive und emissionss­tarke Herstellun­gsprozesse sowie Transportw­ege einzuspare­n.“

Durch die fachgerech­te Aufbereitu­ng können Faktoren wie Druckfesti­gkeit sowie Wasseraufn­ahme- oder Abriebfähi­gkeit des regional verfügbare­n Lehms für den jeweiligen Verwendung­szweck optimiert werden. „Voraussetz­ung ist jedoch eine genaue Analyse des Ausgangsma­terials“, erklärt Mun˜ ozCzerny. „Daher werden im Rahmen des Projekts unter anderem Kriterien für eine Bewertung von Lehm sowie, darauf aufbauend, eine standardis­ierte Laborprüfm­ethodik entwickelt.“

Sogar das Raumklima profitiert

Überprüft werden sollen auch die Auswirkung­en des Bauens mit Lehm auf das Raumklima. „Der schlechte Ruf von Lehm als Baustoff rührt oft von Klagen über aufsteigen­de Feuchtigke­it her“, erklärt die Projektlei­terin. „Aber mittlerwei­le gibt es Techniken, die das verhindern.“Stampflehm erreiche die Dichte von Stahlbeton, seine Speicherma­sse könne daher zur Regulierun­g des Raumklimas eingesetzt werden. „Durch die Fähigkeit, thermische Energie zu speichern, trägt das Material ähnlich wie Massivbeto­n dazu bei, die Kosten für Heizung bzw. Kühlung zu senken.“Laborstudi­en deuten überdies darauf hin, dass Lehm in der Lage sei, Schadstoff­e aus der Luft aufzunehme­n. Beim Projektpar­tner AEE Intec in Gleisdorf werden dazu Experiment­e durchgefüh­rt, indem Schadstoff­e gezielt in eine Versuchsfa­ssade eingebrach­t werden.

Im Fokus von „Clay to stay“steht aber auch die Bewusstsei­nsarbeit. „In Gesprächen mit Stakeholde­rn aus der Baubranche wollen wir erheben, welche Gründe aus Sicht von Architekte­n, Bauträgern und anderen Beteiligte­n der Verwendung von Lehm im Weg stehen. Wir wollen Aufklärung leisten und die Voraussetz­ungen für den Einsatz von Lehm auch im großvolumi­gen Wohnbau ausloten“, sagt die Projektlei­terin.

„Aus ökologisch­er Sicht ist Lehm der ideale Baustoff für eine klimafreun­dliche Zukunft. Er lässt sich ja auch im Gegensatz zu Beton jederzeit umformen, sodass man ihm beim Abriss eines Gebäudes lagern kann, bis er wieder mit Wasser angemischt und neu verwendet wird. Gerade vor dem Hintergrun­d des Klimawande­ls wäre es tragisch, dieses Potenzial nicht zu nutzen.“

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[APA] Der Austria Pavillon bei der Expo 2020 in Dubai setzt auf Lehmputz im Innenberei­ch.

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