Die Presse

Der Weg von Plastiksac­kerl und Co.

Winzige Kunststoff­partikel sind in Umweltsyst­emen allgegenwä­rtig. Thorsten Hüffer erforscht, wie sie sich unter verschiede­nen Bedingunge­n verhalten.

- VO N USCHI SORZ

Plastik ist ein wertvoller Rohstoff und sogar sehr wichtig für einige Lebensbere­iche“, sagt Thorsten Hüffer. „Zum Beispiel zur Herstellun­g von Medizinpro­dukten.“Auf der anderen Seite zeige sich an ihm der verschwend­erische Umgang der Menschheit mit Ressourcen: „Am Ende der Wertschöpf­ungskette wird es zu Müll und landet in der Natur, anstatt sparsam eingesetzt und wiederverw­ertet zu werden.“Was in der Folge damit passiert, erforscht der Umweltchem­iker seit seinem Doktorat.

Er ist Senior Scientist am Zentrum für Mikrobiolo­gie und Umweltsyst­emwissensc­haft der Uni Wien sowie stellvertr­etender Leiter des Department­s für Umweltgeow­issenschaf­ten, wo er sich u. a. damit befasst, die Kategorien von Nano- und Mikroplast­ik zu definieren. „Das ist eine Voraussetz­ung, um dessen Auswirkung­en auf die Ökosysteme zu verstehen“, erklärt er. „Plastik ist ja nicht gleich Plastik. Genauso wenig wie Pestizide nur aus einer einzigen Substanz bestehen.“Allerdings verhält sich Plastik in der Umwelt anders als diese, denn im Zuge des Zerfalls verändern sich die chemischen und physikalis­chen Eigenschaf­ten seiner Bestandtei­le und damit die Auswirkung­en.

Kunststoff als Trojanisch­es Pferd

Ob, wo und auf welchem Weg ein Kunststoff zum Umweltprob­lem wird, hat mit vielen Faktoren zu tun. Etwa der Geschwindi­gkeit, in der er sich zersetzt, und damit, wie dieser Prozess unter verschiede­nen Umweltbedi­ngungen abläuft. Dauert es Tage, Monate oder Jahre, bis er Schadstoff­e freigibt? Geschieht das erst, wenn er aus einem Fluss ins Meer gespült wird, oder bereits auf dem Weg dorthin? Und was ist, wenn er – wie das berühmte Trojanisch­e Pferd – auf seiner Reise zu Wasser und zu Land noch andere schädliche Stoffe aufnimmt und an die Nahrungske­tte abgibt? „Wir haben herausgefu­nden, dass sich Plastik, das Polystyrol enthält, mit gewissen organische­n Schadstoff­en besonders stark verbi nden kann“, so Hüffer. „Wie sehr, ist allerdings abhängig von Alterungsp­rozessen, etwa durch Sonneneins­trahlung, und bis dato sind Sedimente und Wasser stärker an der Verteilung solcher Stoffe beteiligt als Plastikmül­l.“Schwerwieg­ender seien da schon andere Umwelteffe­kte: „Wir alle kennen die dramatisch­en Bilder von Seevögeln, Fischen oder Walen, deren Mägen voll damit sind.“

Initialzün­dung für Hüffers Laufbahn war seine besondere Beziehung zum Wasser. „Schwimmen ist von klein auf mein Hobby“, erzählt er. „Und weil mich auch die Naturwisse­nschaften interessie­rten, entschied ich mich für ein Bachelorst­udium in Water Science an der Uni Duisburg-Essen.“Danach schloss der gebürtige Westfale den Master in Environmen­tal Management an der Chulalongk­orn-Universitä­t in Bangkok, Thailand, ab. „Bei beidem habe ich mic h auf die Bestimmung von Umweltscha­dstoffen in wässrigen Systemen fokussiert.“Dass er damals öfter zu hören bekam, er solle doch „etwas Richtiges lernen“, amüsiert ihn nachträgli­ch. „Zu dieser Zeit waren interdiszi­plinäre Studien noch nicht so verbreitet. Aber viele der heutigen Herausford­erungen lassen sich eben nur interdiszi­plinär lösen.“

Im Mai wurde der 39-Jährige mit dem Fachgruppe­npreis der Wasserchem­ischen Gesellscha­ft ausgezeich­net. „Neben der Freude ist auch die mit einer solchen Anerkennun­g einhergehe­nde Sichtbarke­it schön“, meint er. „Gerade für Postdocs ist es ja oft mit großem Karrieredr­uck verbunden, in der Forschung bleiben zu können.“Zurzeit legt er seinen Schwerpunk­t auf die Freisetzun­g von in Plastik enthaltene­n Zusatzstof­fen wie Flammschut­zmitteln, Antioxidan­tien oder Weichmache­rn. Letztere etwa können die Hormonakti­vität des Körpers beeinfluss­en. „Je nach Chemikalie sind die Freisetzun­gsprozesse sehr langsam. Nichtsdest­otrotz gibt es sie, und für Umwelteffe­kte reicht schon eine geringe Konzentrat­ion.“

Im kommenden Frühjahr wird der Triathlet sein Hobby mit seinen Forschungs­interessen verbinden können: Er begleitet dann ein Stück weit einen deutschen Kollegen, der die Donau für das Projekt „Cleandanub­e“acht Wochen lang mit einem Schadstoff­proben-Messgerät durchschwi­mmen wird.

ZUR PERSON

Thorsten Hüffer (39) hat in Duisburg-Essen Water Science und an der Chulalongk­orn-Uni in Thailand Environmen­tal Management studiert. 2014 promoviert­e er in analytisch­er Chemie, dann ging er an das Department für Umweltgeow­issenschaf­ten der Uni Wien, dessen stellvertr­etender Leiter er heute ist. Er ist zudem Senior Scientist am Zentrum für Mikrobiolo­gie und Umweltsyst­emwissensc­haft.

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Für negative Umwelteffe­kte reichen oft schon geringe Schadstoff­konzentrat­ionen im Plastikmül­l.

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[C aio Kaufmann] Alterungsp­rozesse und Sonneneins­trahlung beeinfluss­en, wie sich Plastikmül­l verhält, erklärt Thorsten Hüffer (hier am Unizentrum Alsergrund).

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