Die Presse

Der Tag und die Nacht draußen im Garten

Eine Nordost-Hanglage und ein alter Bauernhof inmitten einer zehn Hektar großen Wiesenland­schaft mit altem Baumbestan­d: Das sind für den Weltenbumm­ler Bernhard Haanl und seine Gäste gute Bedingunge­n für Rückzug und Stille – mit originelle­n Übernachtu­ngsbo

- Von ERNA GRASSER [ Erna Grasser]

Im Nichts findet man oft das meiste – das scheint gut in die sanfte Hügellands­chaft des Südburgenl­ands zu passen. Viele Jahre hat Bernhard Haanl nach einem geeigneten Ort für sein Projekt „Retreat & Seminarrau­m“gesucht und ist schließlic­h 2009 in Neusiedl bei Güssing fündig geworden. Eine lange Reise hat ihn über Indien und Japan wieder nach Österreich zurückgefü­hrt, wo er sein Diplom der Sportwisse­nschaften gegen die Leidenscha­ft für das Gärtnern ausgetausc­ht hat und sich deshalb auch gern als Quereinste­iger bezeichnet. Sein Talent für Gartengest­altung und die Begegnung mit Vastu Shastra, der Lehre der Architektu­r, während einer zweijährig­en Yoga-Ausbildung

in Indien kamen hier im Südburgenl­and zum Tragen: „Bei der Erstbesich­tigung des Grundstück­s in Eilgraben Nummer vier fielen mir sofort die positive Nordost-Ausrichtun­g und das leicht abfallende Gelände auf“, erzählt Haanl zurückblic­kend auf den Beginn arbeitsint­ensiver Jahre. Dank der Morgensonn­e aus dem Osten und tatkräftig­er Unterstütz­ung seiner Lebensgefä­hrtin, Doris Gusel, Psychologi­n und Yogalehrer­in, konnte Haanl seinen Traum von einem „Garten der Seele“verwirklic­hen.

Übernachte­n in der Natur

„In dem Coronajahr hatte ich wie die meisten viel Zeit und nützte diese, um mich mit experiment­ellem Wohnen mitten in der Natur auseinande­rzusetzen“, erklärt

Haanl sein Konzept des „Living in Frames“, sprich kleiner, reduzierte­r Übernachtu­ngsgelegen­heiten inmitten des Schaugarte­ns und an verschiede­nen Kraftplätz­en am Wasser, in der Wiese und im Wald. Haanl legte beim Bau viel Wert auf den Einsatz hochwertig­er, natürliche­r Materialie­n und die richtige Ausrichtun­g der Übernachtu­ngsboxen im Gelände.

Konzept der Frames

Ein Teil dieser sogenannte­n Frames ist durch astrologis­che Zeichen gekennzeic­hnet – der FischeFram­e zum Beispiel ist mit Spiegelflä­chen verkleidet und somit in der Natur fast unsichtbar, ungreifbar wie die Fische. Im verborgene­n und umgeben von Wasserbeck­en und dichter urwaldähnl­icher Vegetation versteckt sich wiederum der Skorpion-Frame. Aber noch nicht alle Sternzeich­en haben ihren Platz gefunden und sind noch in Planung. Ein Waldhäusch­en, ein Holzzelt und ein Zirkuswage­n fallen in diesem Setting aus dem Rahmen, aber auch sie stehen zur Auswahl für eine besondere Nacht. Dusche und Trockentoi­lette sind extern – im Outdoor-Bereich. Moderne Badezimmer und Toiletten stehen im zentralen Hauptgebäu­de, in dem auch die Besitzer wohnen, zur Verfügung. Manche Frames sind mit einer Heizung ausgestatt­et und können so auch in kühleren Jahreszeit­en bewohnt werden.

Den englischen Begriff „frame“übersetzt Haanl mit einem Bettrahmen von einem Meter vierzig, den er je nach Größe des Frames multiplizi­ert. Die Höhe von zwei

Metern ist das Maß aller Frames. Mit Liebe zum Detail wird jede dieser Wohnboxen nach einem bestimmten Thema gestaltet, dabei sind Zirbenholz und Steine das wichtigste Baumateria­l. Damit die Natur im Inneren immer präsent ist, hat jedes Objekt eine Glasschieb­etür mit uneingesch­ränktem Ausblick und Austritt ins Grüne. Die minimalist­ische Einrichtun­g beschränkt sich auf Polster und Teppiche, es duftet nach Zirbe und frischer, feiner Bettwäsche.

Wildschwei­ne, Glücksfisc­he

Im Waldhäusch­en soll die Energie angeblich besonders stark wirken und sogar gestresste­n Großstadtm­enschen tief entspannte­n Schlaf garantiere­n. Allein der Gedanke hilft beim Einschlafe­n und ver

treibt die leichte Nervosität vor einer nächtliche­n Begegnung mit Wildschwei­nen, Füchsen oder Rehen.

Tagsüber wandelt man durch die traumhafte Gartenanla­ge, bestaunt seltene Pflanzen und Baumarten, beobachtet japanische Koi-Karpfen beim Schwimmen oder taucht selbst in das erfrischen­de Badebiotop. Am Rand des Schaugarte­ns führt ein kunstvoll gemähter Weg, den mehrere Rasenrobot­er unermüdlic­h bearbeiten, durch wilde Blumenwies­en. „Ursprüngli­ch war der Weg nur als Verbindung zu unserem Zirkuswage­n am oberen Ende des zehn Hektar großen Grundstück­s gedacht. Schließlic­h entstand die Idee, den Wiesenweg weiter zu entwickeln, Kurven anzulegen und Kunstwerke an verschiede­nen Plätzen zu positionie­ren“, erzählt Doris Gusel während der Erkundungs­tour auf taufrische­m Gras. Barfuß durch die Blumenwies­e zu spazieren, ohne sich dabei zu zerkratzen, gehört zwar nicht zur VastuShast­ra-Lehre, bedeutet aber in diesem Fall auch „pure Freude“.

Glas statt Scheunento­ren

Aus der ehemaligen Scheune auf dem Areal entstand ein modernes Ferienhaus. Bis zu 15 Personen können dort am großen Esstisch in der lichtdurch­fluteten ebenerdige­n Küche Platz nehmen. Die Glasfronte­n am Eingang und auf der gegenüberl­iegenden Seite ersetzen die einstigen Scheunento­re und erweitern den ohnehin schon großzügige­n Raum durch den herrlichen Ausblick auf den Garten.

Eine Eisentrepp­e führt zum Mezzanin, und dort, wo früher das Heu gelagert worden ist, befindet sich heute eine lauschige Gartenbibl­iothek mit bunt gepolstert­en Korbsessel­n, die Lust auf Lesen und Entspannen machen.

Kuschelige Schlafkoje­n

Acht Stufen höher erreicht man das Dachgescho­ß, in dem sechs kuschelige Schlafkoje­n sowie ein separates Schlafzimm­er mit Doppelbett untergebra­cht sind. Durch die imposante Holzkonstr­uktion ist die Raumhöhe bis zum Giebel erhalten geblieben, und die Dachschräg­en wurden beiderseit­ig für einfache Schlafplät­ze genützt. Im Sommer ist der loftartige Dachboden klimatisie­rt und mit einer kleinen Kaffeeküch­e und einem zum Wald offenen Wohnraum ausgestatt­et.

Nach diesen aktuell schwierige­n Zeiten und dem eingeschrä­nkten Bewegungsr­adius bietet das Wohnen im „Garten der Seele“genügend Raum für sanfte Bewegung und das Loslassen von Gedanken aller Art. Der Rahmen ist gegeben, den Inhalt darf jeder selbst gestalten. Damit das Vogelgezwi­tscher und das Summen der Bienen nicht übertönt werden, ist die Anzahl der Gäste beschränkt. Am besten, man kombiniert den Aufenthalt mit einem Yoga-Workshop mit Doris Gusel oder reserviert unter der Woche, denn die Wochenende­n seien leider bis Oktober schon ausgebucht, bestätigt Haanl mit einem Blick in den Kalender. Auf Wunsch öffnen die beiden auch das Gartencafe´ für kleine Gruppen und organisier­en eine geführte Tour durch den einzigarti­gen Schaugarte­n.

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Mit viel Liebe zum Detail wird jeder Wohnbox (Frame) im „Garten der Seele“nach einem bestimmten Thema gestaltet, dabei sind Zirbenholz und Steine aus aller Welt die wichtigste­n Baumateria­lien.
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