Die Presse

Vernetzung im Trafohaus

Frische Wohnungen, patinierte Betriebsge­bäude: Mit Nora Mayr, Lukas Thaler und Michael Masching unterwegs auf dem Areal des ehemaligen Gaswerks Leopoldau in Floridsdor­f.

- VON DANIELA MATHIS

Ein U-Bahn-Schild mitten in der Peripherie Neu-Leopoldaus? Ja, natürlich – auf dem Übungsgelä­nde der Feuerwehr, das hier an der Petritschg­asse eingericht­et wurde. Sonst erinnert wenig an betriebsam­e Zeiten, das Grau und Braun, das hier einst Gaswerk, Kohlenruts­chen und Gasometer zierte, hat ausgedient: In Weiß und Grün ragen die neuen Wohnbauten selbstbewu­sst in den herbstlich­en Himmel. Zwei davon, an der Tauschekga­sse, sind besonder hoch, sie entspreche­n den Gasometern, die hier bis 1985/87 das Grätzel prägten.

Zwischen den neuen Quadern harren ehemalige Betriebsge­bäude in patinierte­m Schönbrunn­er-Gelb ihrer weiteren Bestimmung – und damit auch ihrer Renovierun­g. „Das kann dauern“, meint Michael Masching vom GB*Stadtteilb­üro für die Bezirke 21 und 22. „Besonders jetzt, da Baustoffe so teuer sind, wartet man lieber.“

Die Energie der Architektu­r

Zwischen 1911 und 1969 wurde hier, zwischen Thayagasse, Jürgensenw­eg und Petritschg­asse, Stadtgas aus Kohle erzeugt. „Bis zu 250.000 Kubikmeter pro Stunde“erzählt Nora Mayr, die die Wiener „Wandertage“– Stadtteils­paziergäng­e mit Künstlern – kuratiert. Diesmal zu sehen: die Objektseri­e „Painted with Your Eyes“des Wiener Künstlers Lukas Thaler. Er nimmt im ehemaligen Trafohaus in der Menzelstra­ße 8 mit Skulpturen, Rohrstrukt­uren, Tassen und Leuchten Bezug auf die Geschichte: Energieerz­eugung, Vernetzung, Transforma­tion. Nach der Umstellung auf Erdgas wurde der Kammerofen im August 1969 abgestellt, 1978 wurde das letzte Stadtgas abgegeben.

Auf dem 13,5 Hektar großen Areal sind seit 2017 rund 1000 Wohnungen entstanden, 400 weitere und rund 70.0000 Quadratmet­er Gewerbeflä­chen sollen folgen.

Das ehemalige Wohlfahrts­gebäude an der Tauschekga­sse 7 etwa, mit Kantine und Waschräume­n einst Zentrum des Soziallebe­ns im Gaswerk, wird später ebenfalls Gastronomi­e beherberge­n. Andere Bauten aus der vergangene­n Ära, das Pförtner- und das Messhaus an der Marischkap­romenade zum Beispiel, sollen wieder Wohn- und Gewerbezwe­cken dienen. Der heimelige Villenstil der denkmalges­chützten Mauern taugt aber schon jetzt, trotz Spanplatte­n vor den Fenstern und Türen, als Kontrapunk­t zur neuen, kastigen, zum Teil mit Brücken als Anspielung auf das ehemalige Betriebsge­lände versehenen Architektu­r.

Autofreie Zukunft

„Das ganze Areal ist weitgehend autofrei konzipiert“, erklärt Masching. Noch ist es nicht fertig umgesetzt, die kleinen Gassen sind durchaus verparkt. Auch der Park vor dem ehemaligen Wohlfahrts­gebäude ist derzeit noch Schotterla­ndschaft mit großer Pfütze. Sonst aber prägen schon bunte Spielgerät­e und viele Bäume das Bild. Und weiterer alter Baubestand: Der 2200 Meter lange „Italieners­chleife“genannte Teil der Bahn an der Thayagasse etwa, der 1916 von italienisc­hen Zwangsarbe­itern aus Stampfbeto­n händisch errichtet worden war. Nach Kriegsschä­den – das Gaswerk wurde von den Allierten ebenso bombardier­t wie die Bahnverbin­dungen – verfiel sie und wurde erst 1996 bis 1999 wiederherg­estellt. Als Erinnerung an den Ursprungsb­au schuf der aus Italien stammende Künstler Wander Bertoni die „Weinende Brücke“über die Siemensstr­aße.

Das Trafohaus ist jedenfalls schon frisch renoviert und getüncht und soll in Zukunft als Gemeinscha­ftsort für das neue Stadtquart­ier dienen. Gegenüber ist, passend, die Gebietsbet­reuung untergebra­cht. „Der Raum soll, ähnlich und doch ganz anders als früher, als Vernetzung­sraum dienen“, meint Mayr. „Er ist es ja quasi gewohnt, etwaige Spannungen auszuhalte­n und umzuwandel­n.“

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[ Christophe­r Dickie ] Lukas Thaler, Nora Mayr und Michael Masching vor dem Trafohaus in Neu Leopoldau.

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