Vernetzung im Trafohaus
Frische Wohnungen, patinierte Betriebsgebäude: Mit Nora Mayr, Lukas Thaler und Michael Masching unterwegs auf dem Areal des ehemaligen Gaswerks Leopoldau in Floridsdorf.
Ein U-Bahn-Schild mitten in der Peripherie Neu-Leopoldaus? Ja, natürlich – auf dem Übungsgelände der Feuerwehr, das hier an der Petritschgasse eingerichtet wurde. Sonst erinnert wenig an betriebsame Zeiten, das Grau und Braun, das hier einst Gaswerk, Kohlenrutschen und Gasometer zierte, hat ausgedient: In Weiß und Grün ragen die neuen Wohnbauten selbstbewusst in den herbstlichen Himmel. Zwei davon, an der Tauschekgasse, sind besonder hoch, sie entsprechen den Gasometern, die hier bis 1985/87 das Grätzel prägten.
Zwischen den neuen Quadern harren ehemalige Betriebsgebäude in patiniertem Schönbrunner-Gelb ihrer weiteren Bestimmung – und damit auch ihrer Renovierung. „Das kann dauern“, meint Michael Masching vom GB*Stadtteilbüro für die Bezirke 21 und 22. „Besonders jetzt, da Baustoffe so teuer sind, wartet man lieber.“
Die Energie der Architektur
Zwischen 1911 und 1969 wurde hier, zwischen Thayagasse, Jürgensenweg und Petritschgasse, Stadtgas aus Kohle erzeugt. „Bis zu 250.000 Kubikmeter pro Stunde“erzählt Nora Mayr, die die Wiener „Wandertage“– Stadtteilspaziergänge mit Künstlern – kuratiert. Diesmal zu sehen: die Objektserie „Painted with Your Eyes“des Wiener Künstlers Lukas Thaler. Er nimmt im ehemaligen Trafohaus in der Menzelstraße 8 mit Skulpturen, Rohrstrukturen, Tassen und Leuchten Bezug auf die Geschichte: Energieerzeugung, Vernetzung, Transformation. Nach der Umstellung auf Erdgas wurde der Kammerofen im August 1969 abgestellt, 1978 wurde das letzte Stadtgas abgegeben.
Auf dem 13,5 Hektar großen Areal sind seit 2017 rund 1000 Wohnungen entstanden, 400 weitere und rund 70.0000 Quadratmeter Gewerbeflächen sollen folgen.
Das ehemalige Wohlfahrtsgebäude an der Tauschekgasse 7 etwa, mit Kantine und Waschräumen einst Zentrum des Soziallebens im Gaswerk, wird später ebenfalls Gastronomie beherbergen. Andere Bauten aus der vergangenen Ära, das Pförtner- und das Messhaus an der Marischkapromenade zum Beispiel, sollen wieder Wohn- und Gewerbezwecken dienen. Der heimelige Villenstil der denkmalgeschützten Mauern taugt aber schon jetzt, trotz Spanplatten vor den Fenstern und Türen, als Kontrapunkt zur neuen, kastigen, zum Teil mit Brücken als Anspielung auf das ehemalige Betriebsgelände versehenen Architektur.
Autofreie Zukunft
„Das ganze Areal ist weitgehend autofrei konzipiert“, erklärt Masching. Noch ist es nicht fertig umgesetzt, die kleinen Gassen sind durchaus verparkt. Auch der Park vor dem ehemaligen Wohlfahrtsgebäude ist derzeit noch Schotterlandschaft mit großer Pfütze. Sonst aber prägen schon bunte Spielgeräte und viele Bäume das Bild. Und weiterer alter Baubestand: Der 2200 Meter lange „Italienerschleife“genannte Teil der Bahn an der Thayagasse etwa, der 1916 von italienischen Zwangsarbeitern aus Stampfbeton händisch errichtet worden war. Nach Kriegsschäden – das Gaswerk wurde von den Allierten ebenso bombardiert wie die Bahnverbindungen – verfiel sie und wurde erst 1996 bis 1999 wiederhergestellt. Als Erinnerung an den Ursprungsbau schuf der aus Italien stammende Künstler Wander Bertoni die „Weinende Brücke“über die Siemensstraße.
Das Trafohaus ist jedenfalls schon frisch renoviert und getüncht und soll in Zukunft als Gemeinschaftsort für das neue Stadtquartier dienen. Gegenüber ist, passend, die Gebietsbetreuung untergebracht. „Der Raum soll, ähnlich und doch ganz anders als früher, als Vernetzungsraum dienen“, meint Mayr. „Er ist es ja quasi gewohnt, etwaige Spannungen auszuhalten und umzuwandeln.“