Die Presse

Braches digitales Land

Laut einer Analyse von PlanRadar liegt Österreich bei der Nutzung von BIM weit abgeschlag­en hinter Ländern wie Großbritan­nien oder Deutschlan­d. Das hat seine Gründe.

- VON ERICH EBENKOFLER [ ATP/Becker]

Noch vor wenigen Jahren nur Experten ein Begriff, ist BIM heute – zumindest in Teilen der Baubranche – bereits fest verankert. Das Kürzel steht für Building Informatio­n Modeling, ein digitales Verfahren, mit dessen Hilfe ein virtuelles, dreidimens­ionales Modell eines Bauwerks geschaffen werden kann, das alle Informatio­nen über Bauteile, Aufbau, Bauphasen und Ähnliches enthält. Dieses virtuelle Modell steht im Idealfall dann allen Projektbet­eiligten, vom Planer bis zu den ausführend­en Firmen, zur Verfügung. Bei erfolgreic­her Implementi­erung verspricht BIM eine fehlerredu­zierte, effiziente­re Planung, eine bessere Kommunikat­ion und Kooperatio­n unter allen Beteiligte­n und einen minimierte­n Datenverlu­st beim Austausch von Projektinf­ormationen. Baukosten und Ökobilanz eines Gebäudes lassen sich transparen­ter darstellen und selbst in der Bewirtscha­ftung der Gebäude ergeben sich große Vorteile.

Großbritan­nien an der Spitze

Und dennoch wird BIM in Österreich bisher nur verhalten eingesetzt. Lediglich 20 Prozent der heimischen Unternehme­n nutzen die Technologi­e, hat PlanRadar, ein aufstreben­des Unternehme­n im Bereich der digitalen Baudokumen­tation, im Rahmen einer europaweit­en Analyse erhoben. Ganz anders in Großbritan­nien, das bei der Entwicklun­g und Implementi­erung von BIM-Technologi­en unangefoch­ten an der Spitze steht. Dort wird BIM bereits von rund 80 Prozent der Unternehme­n im Bausektor eingesetzt. Selbst in Polen liegt die Nutzungsfr­eudigkeit deutlich höher als in Österreich – 40 bis 50 Prozent der Bauunterne­hmen haben dort bereits Erfahrunge­n damit gesammelt. Große Unterschie­de zwischen den einzelnen Ländern gibt es laut PlanRadar-Analyse zudem beim Digitalisi­erungsgrad von Bauprojekt­en. Während die österreich­ischen Unternehme­n gerade einmal auf Level eins angekommen sind, haben Länder wie Deutschlan­d oder Großbritan­nien längst Level zwei erreicht. Insgesamt werden vier Stufen unterschie­den, angefangen bei Level null, das für eine geringfügi­ge digitale Zusammenar­beit von Projekttea­ms im Planungs- und Bauprozess steht, bis hin zum höchsten Level drei, das eine vollständi­ge Digitalisi­erung des Datenausta­usches und der Kooperatio­n einzelner Projektmit­arbeiter beschreibt.

Fehlender Standard

Rudi Pistora, Head of Sales bei PlanRadar, sieht einen der Hauptgründ­e für den geringen Nutzungsgr­ad in Österreich in der fehlenden Standardis­ierung: „Vor allem die unterschie­dlichen Formate und Standards bei CAD-Programmen und deren Kompatibil­ität sind aktuell Verursache­r der eingeschrä­nkten Anwendung von BIMTechnol­ogien. Diese Unterschie­de führen zu Schwierigk­eiten beim Datentrans­fer zwischen den Beteiligte­n und erschweren in der Folge die Abfrage von BIM-Modellen und deren Bearbeitun­g.“

Steffen Robby, Geschäftsf­ührer des Wiener Innovation­streibers Digital Findet Stadt, bemerkt vor allem bei kleineren und mittleren Unternehme­n der Baubranche noch eine gewisse Zurückhalt­ung: „Die gute Auftragsla­ge bedingt bei vielen Betrieben wenig Zeit für Weiterentw­icklungen dieser Art. Hinzu kommen Unsicherhe­iten, fehlende gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen und Standardis­ierung – sprich, der Innovation­sdruck ist auch nicht vorhanden“, sagt der Experte. Solche Berührungs­ängste soll unter anderem der Innovation­skongress 2021 in Aspern Seestadt nehmen, an dessen Organisati­on Robby und sein Team derzeit mit Hochdruck arbeiten (siehe Infokasten). BIM wird dort einer der großen Programmpu­nkte sein. Denn ihm gehört die Zukunft, meint Robby: „Allein in der Planung lassen sich damit rund 30 Prozent an Ressourcen einsparen.“

Georg Stadlhofer, Geschäftsf­ührer des Beratungsu­nternehmen­s Drees & Sommer Österreich, lenkt die Aufmerksam­keit in diesem Zusammenha­ng auch auf das Facility Management: „Für die Übernahme der Verwaltung eines Objekts müssen jedes Mal rund zehn bis 15 Prozent der jährlichen Kosten, für die derzeit noch sehr komplexe Übernahme der Daten und Informatio­nen zum Objekt kalkuliert werden. Ein hochautoma­tisierter Datentrans­fer im Rahmen eines BIMModells ermöglicht einen weitaus kostengüns­tigeren Wechsel des Dienstleis­ters.“Das Einsparung­spotenzial bei den Bewirtscha­ftungskost­en über den gesamten Immobilien­zyklus beziffert er mit bis zu zehn Prozent.

Politik am Zug

Inzwischen gibt es auch schon Lösungen für das drängendst­e Probleme beim BIM-Einsatz, den fehlenden Standard. So hat PlanRadar etwa bei seiner webbasiert­en SaaSSoftwa­re für Dokumentat­ion und Kommunikat­ion in Bau- und Immobilien­projekten eine OpenBIM-Schnittste­lle integriert, über die sich auch unterschie­dliche Datenforma­te problemlos austausche­n lassen. Für Robby ist das aber bestenfall­s eine Zwischenlö­sung: „Für eine breitere Durchsetzu­ng von BIM benötigen wir eine gemeinsame Plattform mit einem einheitlic­hen Standard für den Datenausta­usch“, betont er. Doch dafür braucht es ein Commitment der Politik: „Großbritan­nien liegt nicht zuletzt deshalb so weit vorn, weil dort bereits seit 2016 für alle staatlich geförderte­n Projekte mindestens BIM-Level zwei vorgeschri­eben ist. In Österreich ist bisher nichts Derartiges zu erkennen.“

 ??  ?? BIM im Einsatz bei ATP architekte­n ingenieure in München.
BIM im Einsatz bei ATP architekte­n ingenieure in München.

Newspapers in German

Newspapers from Austria