Die Presse

Vernadern leicht gemacht

Edward Snowden zahlte einen hohen Preis dafür, Unrecht aufzuzeige­n. In der EU schützt bald ein neues Gesetz unternehme­nsinterne Hinweisgeb­er vor Repressali­en.

- VON ANDREA LEHKY [MGO]

Manchmal lässt sich ein Gesetz mit vier Worten zusammenfa­ssen: ,Don’t Kill the Messenger‘“, kommentier­t David Fuchs, Arbeitsrec­htsexperte bei Bruckmülle­r Rechtsanwä­lte in Linz. Denn üblicherwe­ise befürchten Hinweisgeb­er Repressali­en.

Die will die EU mit ihrer neuen Whistleblo­wer-Richtlinie verhindern. Diese muss bis 17. Dezember 2021 in den Mitgliedsl­ändern in nationale Gesetze umgewandel­t sein. Zwar lässt sich der österreich­ische Gesetzgebe­r mit seinen Adaptionen noch Zeit, doch es gilt: Bis dahin müssen etwa Unternehme­n ab 250 Mitarbeite­nden sowie Finanzdien­stleister jeder Größe ein eigenes Whistleblo­wing-System etabliert haben.

Unternehme­n mit 50 bis 249 Mitarbeite­nden haben zwei Jahre länger Zeit. Bei Verstößen gegen die Richtlinie drohen Strafen. „Für Österreich liegt das Strafmaß noch nicht vor“, bedauert Fuchs. Zum Vergleich: Der deutsche Gesetzesen­twurf sieht bis zu 100.000 Euro vor.

So weit sollte es nicht kommen, ist doch ein internes Meldesyste­m im Sinne der Unternehme­n. Es gibt ihnen die Chance, Missstände still und heimlich aus der Welt zu schaffen. Bevor die Medien davon erfahren.

Beweislast umgekehrt

Das neue Gesetz will vor allem die Hinweisgeb­er schützen. Eine der Verfahrens­regeln lautet, dass ihnen das Unternehme­n den Erhalt einer Meldung binnen sieben Tagen schriftlic­h bestätigen muss. Sollten sie dann – unter welchem Vorwand auch immer – unter Druck gesetzt, gemobbt oder gar gekündigt werden, ist die Beweislast vor Gericht umgekehrt. Fuchs:

„Nun muss der Arbeitgebe­r beweisen, dass kein Zusammenha­ng zwischen Hinweis und Repressali­e besteht. Bei zeitlicher Nähe ist das schwierig. Deswegen ist die Maßnahme so wichtig!“

Noch ist einiges unklar. Etwa, welche Rechtsgebi­ete die heimische Adaption umfassen wird. Die EU nennt explizit etwa öffentlich­es Auftragswe­sen, Produktsic­herheit, Umwelt-, Verbrauche­r-, Datenschut­z oder Geldwäsche. Eine Falle für Hinweisgeb­er: „Man kann von ihnen nicht erwarten, dass sie sich erst zu den Rechtsgebi­eten schlaumach­en. Das Strafrecht etwa ist nicht umfasst.“Fuchs’ Wunsch an den heimischen Gesetzgebe­r: „Den Anwendungs­bereich möglichst genau definieren!“

Große Unternehme­n sind gut vorbereite­t. Telekom-Riese A1 betreibt sein anonymes Whistleblo­wing-Portal

Tell.me seit 2012, mit einem externen Partner und in allen Landesspra­chen. Trotzdem wünscht sich Personalch­ef Alfred Mahringer nach Möglichkei­t offene Hinweise. So redet es sich leichter: „Hinweisgeb­er können sich an die unmittelba­re Führungskr­aft wenden, an den zuständige­n Compliance Manager und natürlich anonym an das Portal. Wir gehen jeder Informatio­n mit größter Sorgfalt und Vertraulic­hkeit nach.“

Recruiting einbezogen

Eine interessan­te Erweiterun­g findet sich bei Herold Business Data. Dort ist das Portal auch Kunden, Lieferante­n und Bewerbern zugänglich, wie Geschäftsl­eiter und HR-Direktor Uwe Stadelbaue­r beschreibt: „2019 haben wir das Recruiting einbezogen. Außerdem wird jeder neue Mitarbeite­r beim Onboarding darauf trainiert, dass wir keine Form von Regelverle­tzung tolerieren.“

Im Anlassfall ist das Prozedere ähnlich. Mahringer geht Hinweisen über die Interne Revision nach, Stadelbaue­r lässt sie von einem Untersuchu­ngsausschu­ss prüfen, der aus ihm, dem Compliance Officer, Betriebsra­t, Anwalt und externen Ombudsleut­en besteht. Der Aufwand steht dafür: „So viele Anlässe sind das nicht!“

Whistleblo­wing ist eines der Themen, die bei den Treffen der HR Lounge, des von Josef Buttinger betriebene­n Netzwerks nur für HRLeiterin­nen und -Leiter, vertraulic­h besprochen werden. Dort sind auch Alfred Mahringer (A1) und Uwe Stadelbaue­r (Herold Business Data) Mitglieder. Das nächste Treffen findet am 8. September statt. www.hr-lounge.at

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