Vernadern leicht gemacht
Edward Snowden zahlte einen hohen Preis dafür, Unrecht aufzuzeigen. In der EU schützt bald ein neues Gesetz unternehmensinterne Hinweisgeber vor Repressalien.
Manchmal lässt sich ein Gesetz mit vier Worten zusammenfassen: ,Don’t Kill the Messenger‘“, kommentiert David Fuchs, Arbeitsrechtsexperte bei Bruckmüller Rechtsanwälte in Linz. Denn üblicherweise befürchten Hinweisgeber Repressalien.
Die will die EU mit ihrer neuen Whistleblower-Richtlinie verhindern. Diese muss bis 17. Dezember 2021 in den Mitgliedsländern in nationale Gesetze umgewandelt sein. Zwar lässt sich der österreichische Gesetzgeber mit seinen Adaptionen noch Zeit, doch es gilt: Bis dahin müssen etwa Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden sowie Finanzdienstleister jeder Größe ein eigenes Whistleblowing-System etabliert haben.
Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitenden haben zwei Jahre länger Zeit. Bei Verstößen gegen die Richtlinie drohen Strafen. „Für Österreich liegt das Strafmaß noch nicht vor“, bedauert Fuchs. Zum Vergleich: Der deutsche Gesetzesentwurf sieht bis zu 100.000 Euro vor.
So weit sollte es nicht kommen, ist doch ein internes Meldesystem im Sinne der Unternehmen. Es gibt ihnen die Chance, Missstände still und heimlich aus der Welt zu schaffen. Bevor die Medien davon erfahren.
Beweislast umgekehrt
Das neue Gesetz will vor allem die Hinweisgeber schützen. Eine der Verfahrensregeln lautet, dass ihnen das Unternehmen den Erhalt einer Meldung binnen sieben Tagen schriftlich bestätigen muss. Sollten sie dann – unter welchem Vorwand auch immer – unter Druck gesetzt, gemobbt oder gar gekündigt werden, ist die Beweislast vor Gericht umgekehrt. Fuchs:
„Nun muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Zusammenhang zwischen Hinweis und Repressalie besteht. Bei zeitlicher Nähe ist das schwierig. Deswegen ist die Maßnahme so wichtig!“
Noch ist einiges unklar. Etwa, welche Rechtsgebiete die heimische Adaption umfassen wird. Die EU nennt explizit etwa öffentliches Auftragswesen, Produktsicherheit, Umwelt-, Verbraucher-, Datenschutz oder Geldwäsche. Eine Falle für Hinweisgeber: „Man kann von ihnen nicht erwarten, dass sie sich erst zu den Rechtsgebieten schlaumachen. Das Strafrecht etwa ist nicht umfasst.“Fuchs’ Wunsch an den heimischen Gesetzgeber: „Den Anwendungsbereich möglichst genau definieren!“
Große Unternehmen sind gut vorbereitet. Telekom-Riese A1 betreibt sein anonymes Whistleblowing-Portal
Tell.me seit 2012, mit einem externen Partner und in allen Landessprachen. Trotzdem wünscht sich Personalchef Alfred Mahringer nach Möglichkeit offene Hinweise. So redet es sich leichter: „Hinweisgeber können sich an die unmittelbare Führungskraft wenden, an den zuständigen Compliance Manager und natürlich anonym an das Portal. Wir gehen jeder Information mit größter Sorgfalt und Vertraulichkeit nach.“
Recruiting einbezogen
Eine interessante Erweiterung findet sich bei Herold Business Data. Dort ist das Portal auch Kunden, Lieferanten und Bewerbern zugänglich, wie Geschäftsleiter und HR-Direktor Uwe Stadelbauer beschreibt: „2019 haben wir das Recruiting einbezogen. Außerdem wird jeder neue Mitarbeiter beim Onboarding darauf trainiert, dass wir keine Form von Regelverletzung tolerieren.“
Im Anlassfall ist das Prozedere ähnlich. Mahringer geht Hinweisen über die Interne Revision nach, Stadelbauer lässt sie von einem Untersuchungsausschuss prüfen, der aus ihm, dem Compliance Officer, Betriebsrat, Anwalt und externen Ombudsleuten besteht. Der Aufwand steht dafür: „So viele Anlässe sind das nicht!“
Whistleblowing ist eines der Themen, die bei den Treffen der HR Lounge, des von Josef Buttinger betriebenen Netzwerks nur für HRLeiterinnen und -Leiter, vertraulich besprochen werden. Dort sind auch Alfred Mahringer (A1) und Uwe Stadelbauer (Herold Business Data) Mitglieder. Das nächste Treffen findet am 8. September statt. www.hr-lounge.at