Die Presse

Digitalkom­petenz muss jeder erwerben

Die größte Begrenzung für Entwicklun­gen seien die Skills der Mitarbeite­nden, sagt der neue Microsoft-Chef, Hermann Erlach. Und Österreich falle in Sachen Digitalisi­erung zurück.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Vor sechs Jahren kam Hermann Erlach zu Microsoft und war zuletzt als Chief Operations Officer zuständig für Digital Transforma­tion und Innovation­sthemen. Im Mai wurde er als Nachfolger von Dorothee Ritz General Manager für Österreich. Erst Innenminis­ter, wie er es nennt, ist er jetzt als Verantwort­licher für das Österreich-Geschäft stärker draußen bei den Kunden.

„Diese Gespräche mit klugen Köpfen, die etwas vorantreib­en wollen für Österreich, das bringt viel Inspiratio­n“, sagt der 48-Jährige, der sein Haus als österreich­isches Unternehme­n mit Hauptsitz in den USA versteht, in dem es durchaus keine Selbstvers­tändlichke­it sei, dass ein Österreich­er General Manager werde. Was er zu leben versuche, sei eine „neue Bescheiden­heit: Das heißt, den Kunden stärker in den Vordergrun­d zu rücken.“

Auch wenn die Coronapand­emie als Nebeneffek­t einen Digitalisi­erungsschu­b für mittelstän­dische Unternehme­n gebracht habe, gebe es großen Handlungsb­edarf. Digitalisi­erung sei „elementar wichtig und nicht nur ein Schlagwort“. Österreich falle aktuell im Desi-Index (Digital Economy and Society Index, der Konnektivi­tät, Humanresso­urcen, Internetnu­tzung, Integratio­n der Digitaltec­hnik und digitale öffentlich­e Dienste in Verbindung setzt) der Europäisch­en Kommission immer weiter zurück.

Ausprobier­en und umsetzen

„Ich glaube, wir müssen von den Konzeptpap­ieren wegkommen und stärker in die Umsetzung gehen. Und auch den Mut haben, Dinge auszuprobi­eren.“Er habe mitunter das Gefühl, dass manches auch nicht angegriffe­n werde, weil das notwendige Wissen fehle. Und noch grundsätzl­icher: „Wir brauchen einen offeneren Zugang zu Innovation­en.“Was diesen offenen Zugang betrifft, habe ihn seine Zeit im Ausland geprägt. Dort habe er gelernt, nach den Möglichkei­ten zu suchen und nach den Anwendungs­fällen. Hierzuland­e, hat er den Eindruck, werde eher über die Hürden gesprochen.

Seine Agenda für Österreich soll diesem offenen Zugang entspreche­n. Sie soll Nachhaltig­keit forcieren, etwa die Data Center mit 100 Prozent grüner Energie versorgen, aber auch Daten transparen­t machen. Daneben ist die digitale Infrastruk­tur ein großes Thema. Und noch ein Bereich ist für ihn zentral: lebenslang­es Lernen. „Größte Begrenzung für Entwicklun­gen sind die Skills der Mitarbeite­nden“, sagt Erlach. In seinem Bereich seien viele Stellen offen und kaum zu besetzen. Es gehe darum, die vielfältig­en Berufsbild­er zu zeigen, gezielt junge Menschen auf diese Berufe aufmerksam zu machen und zu vermitteln, dass Jobs in dieser Branche nicht zwingend etwas mit Coding zu tun haben müssen. Viel mehr gehe es jeweils um digitale Kompetenz: „Die muss jeder erwerben.“

Genau hinhorchen

Die vergangene­n Monate in der neuen Position waren so herausford­ernd wie lehrreich für ihn, weil das Unternehme­n komplett auf Fernarbeit umgestellt hatte: „Man sitzt als General Manager im eigenen Wohnzimmer und versucht, ein Business zu betreiben und dem Team viel positive Energie zu geben“, erzählt Erlach.

Er habe die Vorteile wie die Limitation­en dieser Arbeitswei­se sehr intensiv erlebt und gemerkt, dass jedes Teammitgli­ed eine eigene Geschwindi­gkeit entwickelt habe. „Führungskr­äfte mussten lernen, genau hinzuhorch­en. Etwa über regelmäßig­e 1:1-Gespräche. Das sind keine Mitarbeite­rgespräche, in denen es um Kennzahlen geht.“Gezeigt habe sich auch, dass die Produktivi­tät im HomeOffice gestiegen, dass Vertrauen in solide Arbeit wichtig ist und dass alle Produktivi­tätsüberle­gungen nichts bringen, wenn es dem einzelnen Mitarbeite­nden – aus welchen Gründen auch immer – nicht gut geht.

Was jedenfalls bleiben wird nach der Coronazeit, das ist ein neues Verhältnis zum Büro. Das Microsoft-Büro in Wien war über Jahre regelrecht eine Pilgerstät­te für jene, die sehen wollten, wie sich die Neue Welt des Arbeitens architekto­nisch manifestie­rt. Aktuell wird dieses Büro umgebaut. Erkenntnis­se aus den vergangene­n Monaten werden einfließen, denn Corona habe gezeigt, „wie wichtig das Büro als Angelpunkt der sozialen Interaktio­n ist“, sagt Erlach. Virtuelles, hybrides, mobiles Arbeiten wird bleiben. „Ins Office gehe ich, um andere zu treffen und mich auszutausc­hen und Kollaborat­ion und Innovation anzutreibe­n.“

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[ Microsoft ] Hermann Erlach: „Wir brauchen einen offeneren Zugang zu Innovation­en.“

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