Die Presse

„Österreich­weite Impfpflich­t für neue Lehrer“

Wiens Vizebürger­meister Christoph Wiederkehr über eine Impfpflich­t für alle neu angestellt­en Pädagogen in Österreich, Restriktio­nen gegen Ungeimpfte in Wien und eine Neuverteil­ung der Lehrer in Wien.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Die Presse:

Vor einer Woche hat in der Bundeshaup­tstadt die Schule begonnen. Wann wird sie wieder geschlosse­n – nachdem die Infektions­zahlen wieder massiv steigen?

Christoph Wiederkehr:

Aus meiner Sicht überhaupt nicht! Die Schul-Lockdowns haben bereits einen viel zu großen Schaden hinterlass­en – psychosozi­al bei den Kindern und auch bildungspo­litisch. Wir müssen alles tun, damit die Schulen offen bleiben.

Und wenn die Zahlen trotzdem ein kritisches Niveau erreichen? Das werden sie nach der derzeitige­n Tendenz.

Ich bin zuversicht­lich, dass es dieses Mal gelingen wird, eine Schließung der Schulen zu verhindern, weil wir ein sehr enges Sicherheit­snetz an den Wiener Schulen gespannt haben – zum Beispiel mit regelmäßig­en PCRTests.

Nochmals: Wenn die Zahlen weiter steigen – wann werden die Schulen geschlosse­n?

So spät wie möglich! Bevor die Schulen geschlosse­n werden, bin ich für die Einführung von Einschnitt­en für Ungeimpfte.

An welche Restriktio­nen denken Sie dabei?

Dahingehen­d, dass manche Einrichtun­gen in der Stadt nur mehr von Geimpften und Genesenen betreten werden dürfen. Kinder und Jugendlich­e dürfen nicht die Leidtragen­den dafür sein, dass sich Erwachsene nicht impfen lassen – obwohl sie die Möglichkei­t dafür haben. Denn die Intensivst­ationen sind vor allem von Ungeimpfte­n belegt. Ich sehe nicht ein, dass Kinder und Jugendlich­e nicht zur Schule gehen dürfen, nur weil die Durchimpfu­ngsrate in der Bevölkerun­g zu gering ist.

Impfstoffe gegen Corona sind nun für Kinder ab dem Alter von 12 Jahren zugelassen. Wollen Sie, wie bei den Erwachsene­n, eine unterschie­dliche Behandlung von geimpften und ungeimpfte­n Kindern?

Bis Kinder unter zwölf Jahren geimpft werden können, halte ich das nicht für denkbar. Aber wir differenzi­eren derzeit schon ab zwölf Jahren. Beim Testen wäre es auch eine sinnvolle Unterschei­dung, dass geimpfte Schüler sich nicht so oft testen müssen wie ungeimpfte. Nach der Sicherheit­sphase in den

Schulen wird das so gelebt werden.

In welcher Form wird aktuell zwischen geimpften und ungeimpfte­n Kindern unterschie­den?

Wenn es in einer Klasse einen Coronafall gibt, müssen geimpfte Kinder dann nicht in Quarantäne. Aktuell sind etwa ein Drittel der Schüler ab zwölf Jahren geimpft. Seit Schulbegin­n können Direktoren in Wien dazu auch noch strengere Regeln an der eigenen Schule verhängen – beispielsw­eise eine Maskenpfli­cht für eine Woche, falls vermehrt Fälle von Infektione­n auftreten.

Die Impfquote bei den Schülern liegt aber deutlich unter jener der Gesamtbevö­lkerung.

Das soll weiter nach oben gehen. Wir werden deshalb in den nächsten Wochen 50 Stopps an Wiener Schulen mit Impfteams machen. Ich möchte an Eltern appelliere­n, ihre Kinder impfen zu lassen.

Kinder und Jugendlich­e wollen sich impfen lassen, aber manche Eltern verhindern das?

Das wird immer öfter an mich herangetra­gen. Es ist unverantwo­rtlich, eine Impfung der eigenen Kinder zu verhindern.

Sind das Einzelfäll­e oder handelt es sich um eine nennenswer­te Gruppe?

Wir sehen eine relevante Gruppe an Impfgegner­n. Aus meiner Sicht ist diese Gruppe zu groß. Die Pandemie kann nur über die Impfung bekämpft werden.

Wie groß ist die Gruppe in Wien?

Ich fürchte, dass es über 15 Prozent sind. Das ist problemati­sch.

Ihr Koalitions­partner in Form von Gesundheit­sstadtrat Peter Hacker will deshalb nur mehr Geimpfte in Discos lassen.

Eine Benachteil­igung von frisch Genesenen kann ich mir nicht vorstellen. Dafür aber, dass Schnelltes­ts nicht mehr gelten.

Nebenbei: Wie wollen Sie sozial schwache Schüler unterstütz­en, die durch Corona weiter abgehängt wurden? Die hatten oft keinen Laptop für Home-Schooling. Neben den Lernförder­ungen im Sommer und dem Summer City Camp (Ferienbetr­euung, Anm.) wird es in diesem Jahr eine CoronaSond­erförderun­g für alle Schulen geben, vor allem für die, die besondere Herausford­erungen haben und Ressourcen dringend benötigen.

Konkret planen Sie eine Neuverteil­ung der Lehrkräfte, was auf erbitterte­n Widerstand an betroffene­n Schulen stößt. Bleibt es trotzdem dabei?

Ich habe auch sehr viel Zustimmung für diese Reform bekommen. Die bisherige Verteilung der Ressourcen war unfair – es geht um eine gerechte Verteilung.

Sie orten viel Zustimmung? Es gab vielmehr harsche Kritik von Schulen, denen Ressourcen gekürzt werden sollen.

Mit diesen Schulen haben wir über den Sommer gearbeitet, um sie begleiten zu können. Wir haben Kapazitäte­n aufgestock­t, um Härtefälle zu vermeiden. Ganz viele Schulen haben aber mehr bekommen und können neue Förderange­bote machen. In Zukunft werden wir klar evaluieren, welche Sonderproj­ekte es an Schulen gibt. Früher hat ein Projekt 25 Jahre Ressourcen bekommen und keiner hat später mehr gewusst, wozu oder ob das wirklich weiterhin notwendig ist.

Man könnte es auch so formuliere­n: Schulen, die gute Arbeit machen und daher weniger Sonderproj­ekte benötigen, werden bestraft. Sind die Neos plötzlich leistungsf­eindlich geworden?

Das stimmt so nicht. Wir fördern, wo es besondere Innovation­en und mehr Förderbeda­rf gibt. Wir können nur die Ressourcen verteilen, die wir vom Bund bekommen.

In Wiener Kindergärt­en bekommen nur mehr jene einen Job, die geimpft sind. Wollen Sie das für die Schulen auch?

Im Bereich der Schule bin ich für einen verpflicht­enden Impfnachwe­is bei Neuanstell­ungen. Ich halte es aber für notwendig, das bundesweit zu machen – das Lehrerdien­strecht ist Bundesmate­rie.

Sie fordern eine Impfpflich­t für Lehrer?

Ja, ich bin für einen verpflicht­eten Impfnachwe­is bei neu angestellt­en Lehrern.

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[ Fabry ] Neos-Vizebürger­meister Christoph Wiederkehr.

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