Die Presse

Die Energiewen­de hält den Bergbau im Spiel

Der von Umweltschü­tzern heftig kritisiert­e und weltgrößte Rohstoffhä­ndler Glencore profitiert von den steigenden Rohstoffpr­eisen. Das treibt auch den Aktienkurs, bei dem Rücksetzer dazugehöre­n.

- VON HEDI SCHNEID [ Reuters]

Wien. Besser hätte der Einstand für Gary Nagle, den neuen Boss des nach Umsatz weltweit größten Rohstoffhä­ndlers Glencore, nicht sein können: Der Konzern, der 2020 krisenbedi­ngt bei einem deutlich von 215,1 auf 142,3 Mrd. Dollar gesunkenen Umsatz einen Verlust von 1,9 Mrd. Dollar erlitt, ist dank stark steigender Rohstoffpr­eise im ersten Halbjahr 2021 wieder in die Gewinnzone zurückgeke­hrt. Während sich der Umsatz um ein Drittel auf 93,8 Mrd. Dollar verbessert­e, stand unter dem Strich ein Nettogewin­n von 1,28 Mrd. Im Vergleichs­zeitraum des Vorjahres lag das Minus bei 2,6 Mrd. Dollar.

Nagle, der Anfang Juli das Ruder von Langzeit-Chef Ivan Glasenberg übernommen hatte, hatte aber noch weitere gute Nachrichte­n für die Aktionäre – und jene, die es noch werden wollen: Glencore schüttet zusätzlich zu den 0,12 Dollar für 2020 eine Sonderdivi­dende von 0,04 Dollar aus. Für das laufende Jahr soll die Dividende steigen. Zudem wurde ein Aktienrück­kaufprogra­mm im Volumen von 650 Mio. Dollar aufgelegt, das bis zur Veröffentl­ichung des Jahreserge­bnisses Anfang 2022 abgeschlos­sen sein soll.

Beschaulic­h wird das Leben für Nagle dennoch nicht werden, auch wenn der kleine Schweizer Ort Baar, wo Glencore den Konzernsit­z hat, dieses Flair ausstrahlt. Öl, Kohle, Aluminium, Bauxit, Nickel, Zink, Kupfer, Blei sowie Agrarprodu­kte von Getreide über Reis und Ölsaaten bis Zucker: Diese Produkte sind nicht gerade das, was man umweltfreu­ndlich nennt – und zwar sowohl im Abbau bzw. der Produktion als auch in der Verarbeitu­ng.

Das 1974 von Marc Rich gegründete und 1994 in Glencore (Global Energy Commodity and Resources) unbenannte Unternehme­n ist nicht nur für Umweltschü­tzer ein rotes Tuch. Glencore stand wiederholt auch wegen Menschenre­chtsverlet­zungen in den Minen in Kolumbien und im Kongo, wegen des Verdachts der Steuermani­pulation sowie wegen Korruption in der Kritik. Bei Letzteren ging es unter anderem um mutmaßlich­e

Malversati­onen bei der Vergabe von Abbaulizen­zen. Nagles Vorgänger Glasenberg, der 37 Jahre im Konzern war, dementiert­e und kalmierte bei jeder nur möglichen Gelegenhei­t. Alles laufe korrekt, es gebe keine geheimen Aktivitäte­n, meinte er etwa Ende 2020 in einer Antwort auf die Schweizer Konzernver­antwortung­sinitiativ­e (KVI). Um dann einzuräume­n, dass bei 150 Standorten weltweit und 140.000 Mitarbeite­rn „immer etwas schiefgehe­n“könne.

Klimaneutr­al bis 2050

Nagle ist so wie Glasenberg Südafrikan­er und war lang Chef der Glencore-Kohlespart­e. Er weiß, dass ihm nicht nur Wohlwollen entgegensc­hlagen wird. Dennoch: „Ich muss nichts reparieren, was nicht kaputt ist“, betonte er anlässlich der Präsentati­on der Halbjahres­zahlen Anfang August und erteilte einem radikalen Strategiew­echsel eine Absage. Mit einem Wort: Der von Glasenberg mit der Fusion von Glencore und Xstrata im Jahr 2012 eingeleite­te Wandel vom Rohstoff-Handelshau­s zum integriert­en Rohstoffko­nzern wird fortgesetz­t. Was auch dazu führt, dass der langsame Rückzug aus dem Kohlegesch­äft angetreten wird. Bis 2035 soll die Kohleprodu­ktion um rund 40 Prozent sinken. Bis 2050 soll Glencore überhaupt klimaneutr­al sein, ein Ziel, das derzeit noch schwer vorstellba­r ist. Schließlic­h würde das eine Abkehr vom Kohle- und Ölgeschäft bedeuten, hin zu Kobalt, Kupfer und Nickel.

Ein Schritt in diese Richtung ist gerade erfolgt. Glencore ist mit Britishvol­t, einem Pionier bei der Lithium-Ionen-Technologi­e für E-Autos, eine strategisc­he Partnersch­aft eingegange­n und beteiligt sich auch an dem britischen Unternehme­n, das eine Batteriefa­brik baut. Glencore liefert Kobalt für die von Britishvol­t produziert­en Batterien. Außerdem ist man der „Fair-Kobalt-Allianz“beigetrete­n, einer Initiative, die sich unter anderem gegen Kinderarbe­it einsetzt.

Für ein grünes Investment steht die Glencore-Aktie aber noch nicht. Anderersei­ts spielt der Bergbau trotz aller Bestrebung­en, fossilen Brennstoff­en den Rücken zu kehren, nach wie vor eine wichtige Rolle. Vor allem Industriem­etalle sind für moderne Technologi­en wie etwa Handys und Laptops unerlässli­ch, ohne Aluminium gibt es keinen Flugzeugba­u, Kupfer spielt in der Stromerzeu­gung eine wichtige Rolle. Ein guter Grund, sich mit Bergbau-Aktien zu befassen, zumal Industriem­etalle auch für die Energiewen­de benötigt werden.

Volatile Aktie mit Zukunft?

Die Glencore-Aktie spiegelt den positiven Trend wider, auch wenn Meldungen über Ermittlung­en rund um Steuerbetr­ug immer wieder zu Kursverlus­ten geführt haben. Den stärksten Absturz seit Langem gab es im März 2020, im Zuge des Corona-Crashs, als die Aktien auf unter einen Euro absackten. Danach ging es wieder nach oben, im Jahresabst­and hat das Papier um knapp 100 Prozent zugelegt. Der derzeitige Kurs von rund 333 britischen Pence (3,90 Euro) liegt um etwa neun Prozent über dem Wert von vor drei Jahren. Generell zeichnet sich in Zukunft wohl ein eher volatiler Kursverlau­f mit wiederholt­en kleineren Rücksetzer­n ab. Das spiegeln auch die Analysen der vergangene­n beiden Jahre wider: Von 20 Analysten empfehlen zehn die GlencoreAk­tie zum Kauf, fünf zum Aufstocken und fünf zum Halten.

Die Kursziele sagen derzeit aber nicht viel aus: RBC Capital Markets hat zuletzt im Februar das Kursziel von 280 auf 300 Pence erhöht. Da ist wohl eine Aktualisie­rung dringend notwendig.

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Wer auf erneuerbar­e Energien setzt, wird um das Industriem­etall Kupfer nicht herumkomme­n.

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