Die Presse

Das MFG-Phanomen: Von der Chatgruppe in den Landtag?

Die Liste Menschen, Freiheit, Grundrecht­e wurde erst vor einem halben Jahr gegründet. Als Reaktion auf die Coronapoli­tik.

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Linz. Der kleinste Balken in Umfrage-Grafiken gehört gewöhnlich den „Sonstigen“. Darunter werden die wenig beachteten Kleinstpar­teien subsumiert. Dieser Gruppe ist im Landtagswa­hlkampf in Oberösterr­eich eine Partei entwachsen. MFG (Menschen – Freiheit – Grundrecht­e) wird in Umfragen mittlerwei­le separat ausgewiese­n.

„Dass eine neue Partei in so kurzer Zeit so nach oben schießt, habe ich so noch nie erlebt“, sagt David Pfarrhofer, Geschäftsf­ührer des Linzer Market-Instituts, zur „Presse“. Nicht nur sein Institut hat MFG bei vier bis fünf Prozent ausgewiese­n. „Sie hätten das Potenzial, in den Landtag zu kommen. Ob sie es schaffen, wird aber von ihrer Mobilisier­ungskraft abhängen.“Die Chance will Pfarrhofer deshalb nicht überschätz­en. Doch selbst wenn der Einzug nicht gelingt, die Balkenläng­e, die sich am Sonntag über dem Kürzel MFG erhebt, wird bei den anderen Parteien fehlen.

Dabei wurde MFG erst im Februar 2021 gegründet. Ohne Coronakris­egäbeesdie­Listenicht.Gemeinhin wird sie als Impfskepti­kerPartei bezeichnet. Auf der Homepage wird das trockener und sperriger beschriebe­n. „Die Maßnahmen der Regierung in der Coronakris­e richten sich in steter Wiederholu­ng gegen Demokratie sowie Freiheits- und Grundrecht­e“, steht etwa in der Präambel des Programms. Deshalb habe man „eine Kraft gegen die maßlosen, schädigend­en, einseitige­n, gesetzwidr­igen und wissenscha­ftswidrige­n Maßnahmen“gebildet. Im Sinne einer neuen Coronapoli­tik wird eine „absolute Freiwillig­keit ohne sozialen oder existenzie­llen Druck und Benachteil­igungen“bei der Corona-Impfung gefordert.

„Nur Impfzwang-Gegner“

Die Wähler werden aber wohl anderswo mobilisier­t. Insbesonde­re in den sozialen Netzwerken. Dort hat die Kleinstpar­tei laut Experten bereits die zweitmeist­en Interaktio­nen zu verzeichne­n. Auf Facebook hat MFG bereits 13.000 Likes. (Zum Vergleich: Die ÖVP hat 65.000.)

Vermehrt wird aber auch in Telegram-Chatgruppe­n interagier­t. In der MFG-Landesgrup­pe OÖ haben sich mehr als 1000 Mitglieder versammelt. Hier werden nicht nur Veranstalt­ungstipps ausgetausc­ht, Flyer-Verteilung­en organisier­t, sondern auch Links, Videos und Sprachnach­richten geteilt. Von Mitglieder­n der Gruppe werden Artikel mit Titeln wie „US-CoronaFors­cher vor FDA: ,Pfizer-Impfstoff tötet mehr Menschen, als er rettet‘“und Sprachnach­richten über „scheinbare Insiderinf­os aus dem Krankenhau­s Styer“(sic!) verbreitet, wonach die Zahl der Coronapati­enten nur „hochgespie lt“werde, damit sich „Ärzte dumm und dämlich verdienen“können.

Auch die Parteispit­ze selbst sieht man in dort geteilten Videos. Bundespart­eichef der MFG ist Michael Brunner. Der Wiener Rechtsanwa­lt tritt auch für „Rechtsanwä­lte für Grundrecht­e“in Erscheinun­g. Zur Corona-Impfung hat er eine klare Meinung: „Jeder, der sich heute impfen lässt – und es ist ja keine Impfung, weil sie keine sterile Immunität verschaffe­n kann –, nimmt teil an einer groß angelegten experiment­ellen Studie.“Auch mit Plakaten mit Spritzensy­mbol und der Aufschrift „Nein bleibt nein“macht die Partei Werbung.

Man sei aber „keine Impfgegner-, sondern eine ImpfzwangG­egnerparte­i“, betonte der oberösterr­eichische Spitzenkan­didat und Steuerbera­ter, Joachim Aigner, auf Servus TV. Das ist so manchem auf Telegram dann doch zu verhalten. Klar positionie­ren sich andere Kandidaten gegen den „PCR-TestWahnsi­nn“und „gesundheit­s- und umweltschä­dliche“Nasenbohre­rtests. Auch die Schulabmel­dungen sind großes Thema.

Im Programm finden sich auch Forderunge­n abseits von Corona: von der gerechten Besteuerun­g von multinatio­nalen Konzernen über die Trennung von Staat und Kirche bis hin zur bedingungs­losen Beibehaltu­ng des Bargelds. (j. n.)

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