Die Presse

„Ich werde niemals aufgeben“

Nach seiner Verhaftung auf Sardinien zog Katalonien­s Ex-Ministerpr­äsident Carles Puigdemont alle Register, um eine Auslieferu­ng nach Spanien zu verhindern.

- V on unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE [AFP]

Madrid. Als Carles Puigdemont auf dem italienisc­hen Airport Alghero das aus Brüssel kommende Flugzeug verließ, ahnte er wohl schon, dass sein Besuch auf der Insel Sardinien nicht reibungslo­s verlaufen würde: Mitarbeite­r, die ihn auf dem Flughafen abholen wollten, hatten ihn telefonisc­h gewarnt, dass in Alghero nicht nur Sympathisa­nten der katalanisc­hen und sardischen Unabhängig­keitsbeweg­ung, sondern auch auffällig viele Polizisten in der Ankunftsha­lle warteten.

Die Sorge erwies sich als berechtigt: Puigdemont, Anführer des radikalen Flügels der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung, wurde von den italienisc­hen Polizisten verhaftet. Die Beamten begründete­n die Festnahme des 58-Jährigen mit einem europäisch­en Haftbefehl, der auf Spaniens Obersten Gerichtsho­f zurückgeht. Darin wird dem früheren Ministerpr­äsidenten der spanischen Region Katalonien vorgeworfe­n, auf illegale Weise die katalanisc­he Unabhängig­keit vorangetri­eben zu haben. Puigdemont gilt als Gehirn eines gesetzwidr­igen Abspaltung­sreferendu­ms 2017, bei dem es zu heftigen Auseinande­rsetzungen zwischen Separatist­en und der Polizei gekommen ist. Konkret wird ihm die Anstiftung eines Aufruhrs und die Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder zur Last gelegt.

Sicheren belgischen Boden verlassen

Es war wohl kein Zufall, dass Puigdemont, der sich 2017 nach Belgien absetzte, nun ausgerechn­et auf italienisc­hem Boden festgenomm­en wurde. Spaniens Fahnder warten schon länger auf eine Gelegenhei­t, den Separatist­enführer zu schnappen. Obwohl dies offiziell nicht bestätigt wurde, liegt es nahe, dass Spanien den italienisc­hen Behörden im

Vorfeld diskret übermittel­t hatte, dass der Justizflüc­htling die sardische Unabhängig­keitsbeweg­ung besuchen werde. Italien gilt als enger Verbündete­r Spaniens.

In Belgien hingegen, wo Puigdemont in der Nähe Brüssels residiert, bissen Spaniens Behörden bisher mit ihrem Haft- und Auslieferu­ngsersuche­n auf Granit: Belgiens Justiz lehnte sämtliche Bitten Spaniens, Puigdemont und zwei weitere katalanisc­he Separatist­en auszuliefe­rn, ab. In Belgien hegt der flämischen Teil der Bevölkerun­g große Sympathien für separatist­ische Bestrebung­en.

Auch der Plan Spaniens, Puigdemont 2018 bei der Einreise nach Norddeutsc­hland festnehmen und von dort ausliefern zu lassen, verlief nicht wie von Madrid gewünscht. Zwar erlaubte ein deutsches Gericht die Auslieferu­ng an Spanien, aber nur wegen des minder schweren Vorwurfs der Veruntreuu­ng. Nicht aber wegen Rebellion oder Aufruhrs, wie es Spanien damals gefordert hatte. Entspreche­nd hätte Puigdemont in Spanien nur wegen Untreue angeklagt werden können, weswegen Madrid auf die Auslieferu­ng verzichtet­e.

Nun unternimmt Spanien einen neuen Anlauf, Puigdemont­s habhaft zu werden. „Puigdemont muss sich der Justiz stellen“, sagte Spaniens Premier, Pedro Sa´nchez, nach der Festnahme. Doch auch dieses Mal ist der Ausgang des Auslieferu­ngsgesuchs alles andere als sicher. Denn selbst wenn Italiens Richter die Überstellu­ng an Spanien genehmigen sollten, bleibt ein weiteres Problem: Puigdemont sitzt seit zwei Jahren für seine Unabhängig­keitsparte­i „Gemeinsam für Katalonien“im Europäisch­en Parlament.

Zwar entzog das EU-Parlament im März auf Antrag der spanischen Strafverfo­lger Puigdemont die Immunität. Aber das letzte Wort dazu ist nicht gesprochen: Der Europäisch­e Gerichtsho­f in Luxemburg lehnte im

Sommer in einem vorläufige­n Spruch Puigdemont­s Klage gegen die Aufhebung ab. Die endgültige Entscheidu­ng in der Hauptsache steht noch aus.

Richterin ließ ihn unter Auflagen frei

Puigdemont­s Anwälte setzten alle Hebel in Bewegung, um ihren Mandaten vor einer Auslieferu­ng zu bewahren. „Die Festnahme ist illegal“, sagten sie. Eine italienisc­he Richterin ließ Puigdemont vorerst frei, allerdings unter der Auflage, Sardinien nicht zu verlassen. Puigdemont erklärte per Twitter: „Ich werde niemals aufgeben.“In der katalanisc­hen Hauptstadt Barcelona gingen derweil am Freitag Hunderte Unabhängig­keitssympa­thisanten auf die Straße und forderten: „Freiheit für Puigdemont“.

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[ Reuters ] Nach der Festnahme des katalanisc­hen Ex-Premiers Carles Puigdemont protestier­ten seine Anhänger in Barcelona vor dem italienisc­hen Konsulat.
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Puigdemont-Plakat bei Demo in Barcelona.

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