Die Presse

Der neue IHS-Chef, ein zäher Verhandler

Der deutsche Ökonom Lars Feld sollte per 1. Oktober IHS-Chef werden. Es spießt sich.

- VON HANNA KORDIK

Es war zu Beginn des Sommers, als sich ÖVP-Finanzmini­ster Gernot Blümel mächtig freute. Das Kuratorium des Instituts für Höhere Studien (IHS) hatte soeben den deutschen Ökonomen Lars Feld zum Nachfolger des nunmehrige­n Arbeitsmin­isters Martin Kocher auserkoren – Blümels Wunschkand­idat für die Spitze des Wirtschaft­sforschung­sinstituts. Das IHS selbst wirkte weniger euphorisch, die Presseauss­endung erhielt den lapidaren Titel „Start der Gespräche über neuen Direktor“. Heute, drei Monate später, stellt sich heraus: Blümels Begeisteru­ng war verfrüht. Denn es laufen tatsächlic­h noch „Gespräche“mit Lars Feld. Relativ zähe, wohlgemerk­t.

Der renommiert­e deutsche Ökonom hätte den Job in Österreich eigentlich per 1. Oktober antreten sollen. Wird er aber nicht, das steht schon einmal fest. Und aus seinem Umfeld verlautet, dass er über die Vorkommnis­se in Österreich höchst verwundert sei.

Das liegt daran, dass seine Bestellung vorab zu einem echten Politikum hochstilis­iert wurde. Dabei ist Lars Feld in Deutschlan­d da schon einiges gewohnt: Im Februar wurde seine dritte Amtszeit als deutscher Wirtschaft­sweiser verhindert – die SPD mit Olaf Scholz an der Spitze hatte Felds „ideologisc­hen Neoliberal­ismus“angeprange­rt. In Österreich war die linke Reichshälf­te dann auch nicht faul: Vor allem in sozialen Medien wurde seine bevorstehe­nde Bestellung zum IHS-Chef massiv kritisiert. Motto: Mit Gabriel Felbermayr käme per Oktober ohnehin schon ein Wirtschaft­sliberaler an die Spitze des IHS-Konkurrenz­instituts Wifo. Ein Lars Feld als Gegenpart würde zu einer inhaltlich­en Gleichscha­ltung der beiden Institute führen. Für den Sozialstaa­t sei das gleichsam der Todesstoß, so die einigermaß­en düstere und eigenwilli­ge Prognose.

Lars Feld wunderte sich also nach und nach über die bissige Diskussion in Österreich, und dann wunderte er sich einmal mehr, als sein mutmaßlich bevorstehe­nder Jobwechsel offiziell verkündet wurde. Gratulatio­n des Finanzmini­sters inklusive. War das Vorpresche­n der aufgeschau­kelten Stimmung im Lande geschuldet? Oder den immer neugierige­r werdenden Journalist­en? Wie auch immer: Zu dem Zeitpunkt starteten erst die Verhandlun­gen mit dem Deutschen. Und sie sind immer noch nicht beendet.

Das betrifft einerseits Lars Felds fünfjährig­en Vertrag. Ein ursprüngli­cher Entwurf des IHS soll dem Vernehmen nach das Faktum, dass Feld ein europaweit sehr gefragter Ökonom ist, eher nicht widergespi­egelt haben. Feld hält im Schnitt ein bis zwei Vorträge pro Woche im In- und Ausland. Das sind Nebenbesch­äftigungen, auf die er nicht verzichten wird wollen. Und die tunlichst vertraglic­h festgehalt­en werden müssten.

Sobald das passiert ist, dürfte die erste Hürde genommen sein.

Aber es ist nicht die größte.

Da wäre nämlich noch das finanziell­e Problem, und damit ist nicht Felds Gage gemeint. Sondern die Finanzieru­ng des Instituts. Das IHS, 1963 auch mithilfe amerikanis­cher Wiederaufb­augelder gegründet, hat nämlich finanziell schon bessere Zeiten gesehen.

2015 war die Lage am IHS so angespannt, dass für das Institut das Schlimmste befürchtet wurde. IHS-Chef Christian Keuschnigg, Nachfolger des auch kaufmännis­ch höchst erfolgreic­hen Bernhard Felderer, hatte sich damals verabschie­det – sein Reformkonz­ept war vom IHS-Kuratorium abgelehnt worden. Dies wohl deshalb, weil Keuschnigg einen Mitarbeite­rabbau

von rund 30 Prozent geplant hatte, ebenso das Aus für die Sozialwiss­enschaften.

Keuschnigg­s interimist­ischer Nachfolger Sigurd Höllinger hat dann den festgefahr­enen Karren flott gemacht: Das IHS übersiedel­te vom baufällige­n Gebäude in der Wiener Stumpergas­se in den achten Bezirk – ins Palais Strozzi. Möglich wurde dies durch ein großzügige­s finanziell­es Entgegenko­mmen des Vermieters, die staatliche Bundesimmo­biliengese­llschaft BIG.

Somit konnte das IHS mit seinem jährlichen Budget das Auslangen finden. Es beläuft sich auf rund zehn Millionen Euro im Jahr. Etwa die Hälfte davon kommt durch Forschungs­aufträge herein, der Rest ist sogenannte Basisfinan­zierung. Und die übernimmt zu einem Gutteil das Finanzmini­sterium – rund 3,7 Millionen Euro. Ein Teil, rund 1,5 Millionen, kommt von der Oesterreic­hischen Nationalba­nk.

Aber wirklich große Sprünge sind damit freilich auch nicht zu machen. Der Betrag wird von Jahr zu Jahr auch bloß valorisier­t, also an die Inflations­rate angepasst. Dazu kommt, dass die Nationalba­nk ein gar alarmieren­des Ansinnen hat: Sie will ihre Basisfinan­zierung auf eine projektbez­ogene umstellen.

Und da kommt nun Lars Feld ins Spiel. Sagen wir so: Das frühe Hinausposa­unen der IHS-Personalie mag ihn zwar verwundert haben, seiner Verhandlun­gsposition hat es aber ordentlich Auftrieb verschafft. Der Deutsche will für das IHS nicht nur die Basisfinan­zierung sichern, er will grundsätzl­ich mehr Geld herausschl­agen – und zwar deutlich mehr. Man kann es ihm nicht verdenken, immerhin wird er ja als IHS-Chef mit seinem Namen auch für die Qualität der Forschung bürgen.

Lars Feld war diese Woche in Wien und hatte bei der Gelegenhei­t auch gleich Termine im Finanzmini­sterium und in der Nationalba­nk. Thema Numero eins: Die künftige Finanzieru­ng des IHS.

Die Geldgeber sind dank der vorzeitige­n Verlautbar­ung der Personalie quasi schachmatt gesetzt. Wetten, dass bald weißer Rauch aufsteigt?

 ?? [ imago images/Christian Ditsch ] ?? Der deutsche Ökonom Lars Feld wundert sich über die politische Aufregung rund um seine Bestellung.
[ imago images/Christian Ditsch ] Der deutsche Ökonom Lars Feld wundert sich über die politische Aufregung rund um seine Bestellung.

Newspapers in German

Newspapers from Austria