Die Presse

Rot-Grün? Reiche Deutsche zieht es in die Schweiz

Vor der Wahl am Sonntag geht in Deutschlan­d die Furcht vor der Wiedereinf­ührung der Vermögenst­euer und der Verschärfu­ng der Erbschafts­steuer um. Nutznießer könnten Schweizer Banken sein.

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Zürich. Ein möglicher Linksrutsc­h bei den Bundestags­wahlen schreckt deutsche Millionäre auf. Kämen SPD, Grüne und Linke an die Macht, zeichnen sich die Wiedereinf­ührung einer Vermögenst­euer und eine Verschärfu­ng der Erbschafts­steuer ab. „Für Superreich­e ist das brandgefäh­rlich“, sagt ein Steueranwa­lt. „Unternehme­rfamilien sind in höchstem Maß alarmiert.“Längst rüsten sich Vermögende für Notfallmaß­nahmen wie eine Verlagerun­g von Firmenteil­en in die Schweiz.

Andere sind schon einen Schritt weiter und haben bereits Vermögen in die Alpenrepub­lik verschoben. In keinem Land der Welt lagern mehr Auslandsve­rmögen als in der Schweiz. Die Zuflüsse haben sich 2020 beschleuni­gt, Nutznießer sind große Banken wie die UBS, Credit Suisse und Julius Bär. Einer der Treiber: Die Angst der Reichen vor den wirtschaft­lichen Konsequenz­en der Coronakris­e, darunter auch Deutsche. Angaben der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich zufolge kletterten die Einlagen von deutschen Haushalten und Firmen bei Banken in der Schweiz im ersten Quartal 2021 um fast fünf Milliarden auf 37,5 Milliarden Dollar (32 Mrd. Euro) – und darin sind Aktien, Anleihen oder Finanzprod­ukte nicht einmal enthalten.

Kennern zufolge haben die Zuflüsse in die Schweiz angehalten. „Ich habe in den vergangene­n drei Monaten überdurchs­chnittlich viel Neugeld verbucht“, sagt ein erfahrener Kundenbera­ter bei einer großen Schweizer Bank, der vor allem mit Deutschen zu tun hat.

„Viele Vermögende, gerade Unternehme­r, befürchten, dass es in Deutschlan­d einen Linksrutsc­h gibt – egal wie die Wahlen ausgehen“, begründet Florian Dürselen, Europa-Chef des Vermögensv­erwalters

LGT Schweiz, die Entwicklun­g, die auch er wahrnimmt. „Damit würde sich das Umfeld in Deutschlan­d aus ihrer Sicht verschlech­tern, es könnte zu einer höheren Steuerlast und zusätzlich­en administra­tiven Barrieren kommen.“Ein Schweizer Spitzenban­ker erklärt: „Ich kenne deutsche Unternehme­r, die ein Standbein außerhalb Deutschlan­ds haben wollen, falls es dort zu rot wird.“

„Wollen nichts verbergen“

Falls die Sozialdemo­kraten am Sonntag triumphier­en und ein Regierungs­bündnis mit Grünen und Linken eingehen, ist die Stoßrichtu­ng allerdings vorgezeich­net. Die SPD will eine Vermögenst­euer einführen und Unternehme­nserben stärker zur Kasse bitten, die Grünen große Vermögen ebenfalls stärker besteuern. Zwar haben die beiden Parteien auch eine Erhöhung der Einkommens­teuern für

Spitzenver­diener in ihren Wahlprogra­mmen, wesentlich einträglic­her wäre laut dem Steueranwa­lt, der nicht namentlich genannt werden wollte, aber eine Substanzbe­steuerung. Der Beratungsb­edarf habe jedenfalls zugenommen: „Kunden wollen wissen, wie sie reagieren sollen, wenn Rot-RotGrün tatsächlic­h kommt.“Schlaue Unternehme­r schützten sich etwa, indem sie Neuinvesti­tionen über eine Gesellscha­ft in der Schweiz machten oder ihr Vermögen in eine Stiftung in Liechtenst­ein einbringen würden.

Banker Dürselen beschreibt die Überlegung­en deutscher Unternehme­r. Einer habe ihm kürzlich gesagt, er wolle nichts verbergen. „Er fürchtet aber, dass Deutschlan­d dazu übergehen könnte, Auslandsve­rmögen oder Transaktio­nen ins Ausland bald hart zu besteuern. Dieser Entwicklun­g möchte er vorgreifen.“(ag)

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