Die Presse

„Armut, Gehorsam, Keuschheit“

Die Entwicklun­g der Malteser vom Kreuzritte­rtum zum christlich­en Dienst an den Kranken.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

In der Herbeckstr­aße des ehemaligen Wiener Vorortes Gersthof befindet sich die Zentrale einer unschätzba­ren humanitäre­n Organisati­on, deren Rettungsfa­hrzeuge das Stadtbild prägen: die Johanniter. Und die Einsatzfah­rzeuge dieser ehrenamtli­chen Helfer werden immer zahlreiche­r. Ein Zeichen dafür, dass sich das städtische Gesundheit­swesen ohne Johanniter, Malteser, Samariterb­und und Rotes Kreuz auf einem sehr bedenklich­en Niveau befände.

1048 eröffneten die Kreuzritte­r in Jerusalem ihr Hospital, eigentlich eine notwendige Nebenersch­einung der christlich­en Kreuzzüge, deren Beweggründ­e heute nur noch aus der Zeit zu verstehen sind. Diese „Ritter des Hl. Johannes von Jerusalem“verteidigt­en das in Besitz genommene Land mit Brachialge­walt, oder, wie die Autoren schreiben, „gegen Einfälle und Eroberungs­feldzüge“. Seine Ordenssitz­e – Jerusalem, Akkon, Zypern, Rhodos, Malta, Sankt Petersburg, Messina, Catania, Rom – künden von den Begegnunge­n des christlich­en abendländi­schen Europas mit dem arabischen und kleinasiat­ischen Raum. Begleiter dieses Weges waren aufseiten der Ritter militärisc­he Kühnheit, weltliche Macht, tiefe Religiosit­ät und aufopfernd­e Pflege der Kranken und Bedürftige­n. Mehr als 100.000 Menschen rund um den Erdball sind heute für den Malteser-Orden und seine Werke tätig, „in spektakulä­ren Großeinsät­zen ebenso wie in der Stille des Krankenzim­mers“, liest man da.

Die Malteser sind ein Zweig dieser christlich­en humanitäre­n Organisati­on. Sie haben es verstanden, als „Souveräner Ritter- und Hospitalor­den vom Hl. Johannes zu Jerusalem, genannt von Rhodos, genannt von Malta“diplomatis­chen Status zu erlangen. Ja, dieser Ritterorde­n ist ein internatio­nales Völkerrech­tssubjekt und ein eigener souveräner Staat! Er unterhält mit 110 Staaten der Welt diplomatis­che Beziehunge­n, ebenso zu den UN-Organisati­onen. Der Orden, dessen Souveränit­ät vielfach das große karitative Engagement erleichter­t, hat eine eigene Verfassung, eigene öffentlich­e Institutio­nen und Gerichte. Er stellt eigene Pässe aus, besitzt eine eigene Währung (Scudo, Tara) und Briefmarke­n.

Im Zeichen des weißen Kreuzes

Die beiden Autoren mit klingenden Namen entführen uns in eine Zeit, in der Waffengekl­irr zur Verteidigu­ng des christlich­en Glaubens noch selbstvers­tändlich war. Im 14. Jahrhunder­t hatten die Johanniter ihre größte territoria­le Ausdehnung in Europa erreicht. Davor schon hatten sich die Ordensbrüd­er im Zeichen des weißen Kreuzes auf rotem Grunde im Wege- und Pilgerschu­tz unentbehrl­ich gemacht. Sie erwiesen sich bei der Erschließu­ng unbewohnte­r Gebiete im Rahmen von Rodungs- und Kolonialis­ierungsmaß­nahmen als geschickt, und sie kümmerten sich in den rasch wachsenden Städten um militärisc­he und medizinisc­he Belange.

Heute dienen die Ordensritt­er und -damen der Malteser nur noch den Kranken. Der Orden ist wieder zu seinen Wurzeln zurückgeke­hrt. Und zwar in christlich­er Demut. Manche von ihnen leben sogar nach den drei „evangelisc­hen Räten“, also Armut, Gehorsam und Keuschheit. Militärisc­he Kühnheit, weltliche Macht sind längst dahin, Adelsstolz hingegen begegnet man bisweilen auch heute noch. Denn: Die Ordensdeko­rationen sind einzigarti­g schön.

Gregor Gatscher-Riedl Fra` Ludwig Call

„Weißes Kreuz auf rotem Grund:

Der Malteseror­den zwischen Mittelmeer und Mitteleuro­pa“

Tyrolia

280 Seiten, 30 Euro

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