„Armut, Gehorsam, Keuschheit“
Die Entwicklung der Malteser vom Kreuzrittertum zum christlichen Dienst an den Kranken.
In der Herbeckstraße des ehemaligen Wiener Vorortes Gersthof befindet sich die Zentrale einer unschätzbaren humanitären Organisation, deren Rettungsfahrzeuge das Stadtbild prägen: die Johanniter. Und die Einsatzfahrzeuge dieser ehrenamtlichen Helfer werden immer zahlreicher. Ein Zeichen dafür, dass sich das städtische Gesundheitswesen ohne Johanniter, Malteser, Samariterbund und Rotes Kreuz auf einem sehr bedenklichen Niveau befände.
1048 eröffneten die Kreuzritter in Jerusalem ihr Hospital, eigentlich eine notwendige Nebenerscheinung der christlichen Kreuzzüge, deren Beweggründe heute nur noch aus der Zeit zu verstehen sind. Diese „Ritter des Hl. Johannes von Jerusalem“verteidigten das in Besitz genommene Land mit Brachialgewalt, oder, wie die Autoren schreiben, „gegen Einfälle und Eroberungsfeldzüge“. Seine Ordenssitze – Jerusalem, Akkon, Zypern, Rhodos, Malta, Sankt Petersburg, Messina, Catania, Rom – künden von den Begegnungen des christlichen abendländischen Europas mit dem arabischen und kleinasiatischen Raum. Begleiter dieses Weges waren aufseiten der Ritter militärische Kühnheit, weltliche Macht, tiefe Religiosität und aufopfernde Pflege der Kranken und Bedürftigen. Mehr als 100.000 Menschen rund um den Erdball sind heute für den Malteser-Orden und seine Werke tätig, „in spektakulären Großeinsätzen ebenso wie in der Stille des Krankenzimmers“, liest man da.
Die Malteser sind ein Zweig dieser christlichen humanitären Organisation. Sie haben es verstanden, als „Souveräner Ritter- und Hospitalorden vom Hl. Johannes zu Jerusalem, genannt von Rhodos, genannt von Malta“diplomatischen Status zu erlangen. Ja, dieser Ritterorden ist ein internationales Völkerrechtssubjekt und ein eigener souveräner Staat! Er unterhält mit 110 Staaten der Welt diplomatische Beziehungen, ebenso zu den UN-Organisationen. Der Orden, dessen Souveränität vielfach das große karitative Engagement erleichtert, hat eine eigene Verfassung, eigene öffentliche Institutionen und Gerichte. Er stellt eigene Pässe aus, besitzt eine eigene Währung (Scudo, Tara) und Briefmarken.
Im Zeichen des weißen Kreuzes
Die beiden Autoren mit klingenden Namen entführen uns in eine Zeit, in der Waffengeklirr zur Verteidigung des christlichen Glaubens noch selbstverständlich war. Im 14. Jahrhundert hatten die Johanniter ihre größte territoriale Ausdehnung in Europa erreicht. Davor schon hatten sich die Ordensbrüder im Zeichen des weißen Kreuzes auf rotem Grunde im Wege- und Pilgerschutz unentbehrlich gemacht. Sie erwiesen sich bei der Erschließung unbewohnter Gebiete im Rahmen von Rodungs- und Kolonialisierungsmaßnahmen als geschickt, und sie kümmerten sich in den rasch wachsenden Städten um militärische und medizinische Belange.
Heute dienen die Ordensritter und -damen der Malteser nur noch den Kranken. Der Orden ist wieder zu seinen Wurzeln zurückgekehrt. Und zwar in christlicher Demut. Manche von ihnen leben sogar nach den drei „evangelischen Räten“, also Armut, Gehorsam und Keuschheit. Militärische Kühnheit, weltliche Macht sind längst dahin, Adelsstolz hingegen begegnet man bisweilen auch heute noch. Denn: Die Ordensdekorationen sind einzigartig schön.
Gregor Gatscher-Riedl Fra` Ludwig Call
„Weißes Kreuz auf rotem Grund:
Der Malteserorden zwischen Mittelmeer und Mitteleuropa“
Tyrolia
280 Seiten, 30 Euro