Ein „Fall Baerbock“in Oberösterreich?
Über Widersprüche im Lebenslauf von Stefan Kaineder, dem grünen Spitzenkandidaten in Oberösterreich.
Selbst Polit-Insidern und aktiven Nationalratsabgeordneten ist kaum bekannt, dass man gleichzeitig Landtagsabgeordneter und Abgeordneter zum Nationalrat sein kann. Artikel 59 B-VG verbietet nämlich nur die gleichzeitige Mitgliedschaft in Nationalrat, Bundesrat oder Europaparlament. Der Spitzenkandidat der Grünen in Oberösterreich, Landesrat Stefan Kaineder, war so ein ungewöhnlicher und seltener Ämterkumulierer. Von 2015 bis zum 29. Jänner 2020 durchgehend Landtagsabgeordneter in Linz, saß er auch noch von Oktober 2019 bis Jänner 2020 im Nationalrat.
Wäre dies allein nicht schon mehr als ungewöhnlich, macht eine andere Tatsache noch stutziger: Kaineder verschweigt dieses Doppelmandat in seinen offiziellen Lebensläufen konsequent. Offensichtlich möchte der selbst ernannte Saubermann, der so großen Wert auf seine „christlich-soziale“Basis legt, an diesen demokratiepolitischen Ausrutscher in seiner Karriere nicht gern erinnern.
Es gibt drei offizielle Lebensläufe von Kaineder. Einer befindet sich auf der Homepage des Parlaments, einer bei der oberösterreichischen Landesregierung und schließlich einer bei den Grünen. Alle drei differieren, was die Angaben zur Mandatsdauer und zum politischen Werdegang angehen. Beim österreichischen Parlament lässt sich die Mitgliedschaft im Nationalrat schlecht verschweigen – dafür wird angegeben, bereits 2019 aus dem Landtag ausgeschieden zu sein. Damit wird suggeriert, dass man in Linz zurückgelegt habe, bevor man in Wien ein Mandat angenommen habe. Bei den anderen Lebensläufen wird das Mandat im Nationalrat vollständig verschwiegen und behauptet, man sei bereits 2019 aus dem Landtag ausgeschieden. Auch auf explizite schriftliche Nachfrage teilt das Büro von Kaineder mit, dass dies so sei. Offensichtlich hat der grüne Umweltlandesrat vergessen, dass er selbst ein Schreiben an den Landtag geschickt hat, in dem er mitteilt, dass er erst mit Ablauf des 29. Jänner 2020 auf sein Mandat verzichtet.
Aber auch bei anderen Angaben in seinen Lebensläufen erkennt man „feine Unterschiede“. Einmal etwa hat er Religionspädagogik studiert, in den beiden anderen Fällen ist er gar studierter Theologe. Und natürlich macht es in der öffentlichen Wahrnehmung einen Unterschied, ob jemand „Religionslehrer“oder eben „Theologe“ist. Bei Ersterem denkt der Normalbürger an seine Erfahrungen während der eigenen Schulzeit, bei Zweiterem eher doch an intellektuelle Ausnahmegestalten.
Mehr Schein als Sein
Das alles erinnert an die Spitzenkandidatin der deutschen Grünen, Annalena Baerbock. Auch sie hat ihren Lebenslauf ein wenig geschönt. Auch bei ihr gibt es mehr Schein als Sein. Und irgendwie passt diese Schlampigkeit, was eigene Dinge angeht, auch gut zum Gesamtbild der Grünen in Oberösterreich. War Kaineders Vorgänger Rudolf Anschober doch noch bis vor wenigen Tagen als Redner unter einer offiziellen E-Mail-Adresse der Grünen zu buchen. Man stelle sich nur den moralisch erhobenen Zeigefinger und das politische Geschrei vor, hätte etwa Alfred Gusenbauer nach seinem Ausscheiden aus der Politik sein Kasachstan-Lobbying via offizieller SPÖ-Adresse feilgeboten.
Einen zweiten Fall Baerbock wird der ehemalige Bildungsreferent der katholischen Jungschar Oberösterreichs aber dennoch wohl nicht fürchten müssen. Da er lediglich ein Bachelorstudium an der katholischen Privatuniversität Linz absolvierte, ist er allein schon dadurch vor politisch motivierten Plagiatsjägern gefeit. Seine Universität hat nämlich alle Bachelorarbeiten gesperrt und damit einer öffentlichen Einsicht, Lektüre und Überprüfung entzogen.
Mag. Stefan Brocza (* 1967) ist Experte für Europarecht und int. Beziehung.