Was bringt das Dehnen beim Sport?
Warum das Dehnen des linken Beins den rechten Arm beweglicher machen kann und weshalb auch Nichtsportler von Stretching profitieren. „Hält man eine Dehnposition länger als eine Minute, kann das zu einem Kraftverlust führen.“
Profis tun es vor dem Wettkampf, Hobbysportler auch – Letztere jedoch oft nur, wenn sie gerade Lust dazu haben: das Dehnen. Doch auch die Freizeitsportler sollten es regelmäßig tun, rät Sportwissenschaftler Markus Tilp vom Institut für Bewegungswissenschaften, Sport und Gesundheit der Universität Graz. Und zwar aus zumindest zwei Gründen: „Es fördert die Beweglichkeit und beugt Muskelverletzungen vor.“
Beim Dehnen, für das sich bei uns auch die englische Bezeichnung Stretching eingebürgert hat, wird ein Muskel durch eine entsprechende Übung bis knapp an die Schmerzgrenze gestreckt. Beim statischen Dehnen hält man die Endposition für mindestens 20 Sekunden, beim dynamischen Dehnen erfolgt durch leichtes Federn ein Wechsel von Streckung und Lockerung. „Beides ist geeignet, um einen Zugewinn an Beweglichkeit zu erreichen“, erklärt der Experte.
Dehnen macht elastische Muskeln
Beim statischen Dehnen hat man dadurch, dass es zu keinen Beschleunigungen kommt, eine bessere Kontrolle über den Dehnvorgang, was diese Form für Anfänger geeigneter macht. Der mögliche Nachteil: „Hält man die Position länger als eine Minute, kann das zu einem Kraftverlust führen.“In der Dehnposition verlängern sich der Muskel und die passiven Strukturen, vor allem die Sehne, um etwa fünf Prozent. Die größere Beweglichkeit wird vor allem dadurch erreicht, dass die Muskulatur nun elastischer ist. Bei Untersuchungen wurde ein Phänomen
beobachtet, das zunächst rätselhaft erschien, berichtet Tilp: Wird ein Körperteil gedehnt, wirkt sich das auch positiv auf die Beweglichkeit anderer Körperteile aus. Die Wissenschaftler nennen das den „CrossoverEffekt“. Inzwischen geht man davon aus, dass dabei die neuronalen Strukturen eine Rolle spielen: Die StretchToleranz wird erhöht. Anders ausgedrückt: Man wird weniger empfindlich gegen den Schmerz, den eine extreme Bewegung auslöst, und schafft es daher, sie ausführen.
Wer vor dem Sport dehnt, reduziert zudem das Verletzungsrisiko. „Die Gefahr einer Muskelzerrung bei der anschließenden Sportausübung verringert sich um mehr als 50 Prozent“, weiß Tilp. Manche Sportler pflegen außerdem ein „Ausdehnen“nach dem Wettkampf. „Dabei wird aber nicht die Muskellänge wieder auf das Normalmaß reduziert“, erklärt Tilp. „Das dient eher dem Herunterkommen und der Entspannung.“
Stretching sei nicht nur unmittelbar vor einem Wettkampf sinnvoll, sondern beeinflusst, über mehrere Jahre hindurch regelmäßig durchgeführt, auch langfristig den Beweglichkeitsradius. Studien zufolge bleiben die Muskelfasern nach etwa sechs Monaten regelmäßigem Dehnen dauerhaft lang. „Es kann daher präventiv gegen eine Unbeweglichkeit als Folge des Alterungsprozesses eingesetzt werden“, sagt Tilp. Sitzende Tätigkeiten oder einseitige Belastungen etwa bei der Arbeit am Computer führen zu verkürzten Muskeln. „Zwei- bis dreimal pro Woche Stretching kann dem entgegenwirken.“
Markus Tilp, Universität Graz
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