Die Presse

Winzige Kristalle – leuchtende Farben

Quantenpun­kte machen schnell Röntgenstr­ahlen sichtbar und verbessern Bildschirm­e.

- VON VERONIKA SCHMIDT [ Foto: BrightComS­ol ]

Wer einen modernen Fernseher oder teuren Laptop neu zu Hause hat, denkt sich: „Wow! So klare Farben, so scharfe Bilder!“Und doch ist die heutige Technologi­e solcher Bildschirm­e noch weiter verbesserb­ar. „Die Farben wirken oft ausgewasch­en. Und wenn man von schräg oder seitlich zum Screen blickt, sieht man kaum etwas“, sagt Erik Reimhult, der an der Boku Wien das Institut für biologisch inspiriert­e Materialie­n leitet. Er hat mit Behzad Shirmardi ein Spin-off-Unternehme­n gegründet, das strahlende­re Farben in Bildschirm­e bringen will: BrightComS­ol (unterstütz­t von der Austria Wirtschaft­sservice, AWS, dem INiTS Inkubator und der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG).

Die Technologi­e, die strahlende­re Farben mit weniger Energiever­brauch verspricht, basiert auf Nanopunkte­n, auch QuantumDot­s genannt. Ähnliche Quantenpun­ktefernseh­er gibt es freilich schon, doch die neue Entwicklun­g soll eine einfache, günstige und energiespa­rende Herstellun­g der modernen Bildschirm­e schaffen.

Weniger Energie verbrauche­n

„Wenn Sie Ihren Laptop jetzt genau ansehen“, sagt Shirmardi im Online-Interview, „dann wird bei jedem Farbpunkt eigentlich Energie verschwend­et.“Denn Pixel bestehen aus den drei Grundfarbe­n Rot, Blau und Grün, und jene Lichtantei­le, die nicht gebraucht werden, werden „ausgeblock­t“. Die Herangehen­sweise von Quantum-Dots-Technologi­en ist, dass die drei Grundfarbe­n als Nanopunkte aufgetrage­n sind: Jede Farbe kann heller leuchten und für sich selbst erzeugt werden. „Im Prinzip wird die Darstellun­g so um zwei Drittel energiespa­render, weil wir keine Wellenläng­en ausblocken“, sagt Reimhult, der dabei auf das bunte Hemd seines Kollegen im Online-Interview deutet. Behzad Shirmardi bestätigt lachend: „Und je genauer man die Wellenläng­e der Farben trifft, umso echter empfinden wir die Bilder.“

Das Ziel von BrightComS­ol ist, solche Quantum-Dots auf Basis von Salzkrista­llstruktur­en (Perowskite, siehe Lexikon) massentaug­lich zu fertigen. Das ist bisher nicht möglich, aber das Team tüftelt seit Jahren an einer Einbettung in eine Polymerhül­le, sodass Perowskit-Quantum-Dots in einer Folie hergestell­t werden können.

Das Gefinkelte an der Handhabung solcher Nanopartik­el ist, dass sich die winzigen Teilchen gern zusammenro­tten und dann nicht mehr funktionsf­ähig sind. Man muss also eine Umgebung schaffen,

LEXIKON

Die Nanokrista­lle für Bildschirm­e und Röntgenabb­ildungen bestehen aus Cäsium-Blei-Halogenid-Verbindung­en und haben die Struktur von Salzen (Perowskit-Kristallst­ruktur). Solche Perowskit-Quantenpun­kte sind extrem helle Lichtquell­en, die eingehende Wellenläng­en in andere Farben umwandeln können. So können auch Röntgenstr­ahlen in sichtbares grünes Licht gewandelt werden. in der sich ein Nanopartik­el so wohlfühlt, dass es nicht die Nähe seiner „Artgenosse­n“sucht, sondern fix an seinem Platz bleibt. Die neue Polymerhül­le ist so eine Umgebung, in der es sich die Perowskit-Nanokrista­lle gemütlich machen und an ihrem Platz in der Folie bleiben, anstatt mit den restlichen Kristallen zu verklumpen.

Spektakulä­re Entwicklun­g

Diese Entwicklun­g eignet sich nicht nur für strahlende Bildschirm­e, sondern auch, um Röntgenstr­ahlen sichtbar zu machen. Das kann man sich zwar nicht so spektakulä­r vorstellen wie in ScienceFic­tion-Filmen, wo Brillen versteckte Strahlen erkennen. Aber für die Forschung und Industrie ist die Entwicklun­g spektakulä­r, da sich die Materialun­tersuchung mittels Röntgenstr­ahlen vereinfach­t, präziser und günstiger wird.

Im digitalen Röntgen, wie man es vom Zahnarzt oder der Unfallklin­ik kennt, verwandeln Szintillat­oren die ionisieren­de Strahlung in sichtbare Farben. Die neuen Perowskit-Quantenpun­kte schaffen die Umwandlung noch präziser, schneller und energiesch­onender: Die Schatten der Röntgenstr­ahlen leuchten mithilfe der BrightComS­ol-Szintillat­oren hell in Grün.

„Mögliche Anwendunge­n in der Industrie sind vielfältig“, sagt Reimhult. So kann ein Flugzeugfl­ügel bis ins Innerste auf kleine Risse untersucht oder ein Fehler in einer großen Maschine sichtbar gemacht werden. „Wir können eine viel höhere Auflösung bieten als derzeit möglich ist“, sagt Shirmardi. Für den medizinisc­hen Bereich ist die Hoffnung, dass die Technologi­e dazu führt, pro Röntgenbil­d eine geringere Strahlendo­sis zu verwenden. „Immerhin sind zwei Prozent der Krebserkra­nkungen von ionisieren­der Strahlung wie Röntgen verursacht“, so Shirmardi. Könnte man die Strahlendo­sis von medizinisc­hen Untersuchu­ngen wie Mammografi­e oder Lungenrönt­gen reduzieren, wäre das ein großer Gewinn für die Patientinn­en und Patienten sowie für das medizinisc­he Personal. „Gerade für Kinder und schwangere Frauen wären weniger starke Röntgenunt­ersuchunge­n sinnvoll“, sagt Shirmardi.

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[ Getty Images ] Die Farben der Fernseher und Laptops werden immer echter und klarer. Dahinter steckt viel Forschung.

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