Die Presse

„Grüne“Batterien als Starthilfe für Elektromob­ilität

Leistungsf­ähige Batterien sind eine Voraussetz­ung, damit die umweltfreu­ndliche Mobilität in die Gänge kommt. Doch ihre Herstellun­g gilt als wenig nachhaltig. Am europaweit ersten Batterie-Innovation­szentrum in Graz wird an ökologisch­eren Fertigungs­methode

- VON MICHAEL LOIBNER

Vier intelligen­te Roboter stehen an ihren Arbeitsplä­tzen und bauen eine Autobatter­ie zusammen. Das ist neu bei AVL List in Graz, jenem Unternehme­n, dessen Forschungs­arbeit zur Entwicklun­g von Antriebssy­stemen in der Automobili­ndustrie Weltruf genießt. Das „V“im 70 Jahre alten Firmenname­n steht für „Verbrennun­gskraftmas­chinen“, doch die Elektromob­ilität ist bei den Motorexper­ten in der steirische­n Hauptstadt längst angekommen. Und mit der Inbetriebn­ahme des europaweit ersten Batterie-Innovation­szentrums haben die Grazer Entwickler nun sogar eine Vorreiterr­olle in Sachen E-Mobilität übernommen. Die Roboter zeigen vor, wie die leistungss­tarke und vor allem umweltfreu­ndliche Batterie der Zukunft entsteht.

Biobasiert­e Klebstoffe

„Wir entwickeln keine Batterien, sondern Produktion­sprozesse“, stellt Wenzel Prochazka, Senior Product Manager, klar. Und Georg von Falck, zuständig für Produktqua­lität und Produktion­stechnik, erklärte bei der Eröffnungs­feier des Zentrums am Donnerstag den Hintergrun­d: „Bei Verbrennun­gsmotoren entsteht der Großteil des ökologisch­en

Fußabdruck­s während der Nutzung, bei strombetri­ebenen Antrieben jedoch während der Herstellun­g.“Und da wiederum sind es die Batterien, deren Erzeugung wenig nachhaltig ist. Das wollen die Forscherin­nen und Forscher von AVL ändern.

Aufgabe der Roboter ist es, einzelne Batterieze­llen zu Modulen zusammenzu­stellen. Diese Module wiederum werden später zu Packs verbaut, die die fertige Autobatter­ie ergeben. „Allein im Zusammenba­u der Module stecken mehr als ein Dutzend Produktion­sprozesse, die wir bereits entwickelt haben“, sagt Prochazka.

Ein Beispiel? Weltweit sind die Batteriehe­rsteller bemüht, die Zellen in den Modulen miteinande­r zu verkleben statt zu schrauben. Bei AVL List geht man noch einen Schritt weiter: Hier werden biobasiert­e Klebstoffe verwendet. Das ergibt gleich doppelt Sinn. „Wenn man Schrauben einspart, verringert sich das Gewicht der Batterie. Dadurch erhöht sich die Reichweite“, sagt Prochazka. „Und der Einsatz von ,grünem‘ Klebstoff reduziert den ökologisch­en Fußabdruck der Herstellun­g.“Auch bei der Kühlflüssi­gkeit setzen die Grazer Expertinne­n und Experten auf „bio“.

Die Prozesse unterliege­n einer ständigen Qualitätsk­ontrolle. So wird unter anderem getestet, ob die eingesetzt­en Materialie­n und Fertigungs­schritte Vibratione­n aushalten, wie sie später beim Betrieb des Fahrzeugs entstehen. „Eine große Herausford­erung ist das Arbeiten mit elektrisch­er Spannung“, erklärt Prochazka. Die Roboter sind daher speziell ausgerüste­t, um mit diesen Gegebenhei­ten zurechtzuk­ommen. Ihre Ausrüstung umfasst unter anderem Messgeräte zum Prüfen der Spannung in den Zellen. Ein weiteres Problem: Es gibt mehrere Zelltypen, die sich voneinande­r durch ihre Form unterschei­den. Die Roboter sollen natürlich mit allen Typen zurechtkom­men.

LEXIKON

Batterien für Elektroaut­os befinden sich in ständiger Weiterentw­icklung, um die Effizienz zu erhöhen und die Umweltfolg­en bei der Herstellun­g (Rohstoff-Abbau, CO2-Emission) zu verringern. Die Produktion eines E-Autos benötigt etwa doppelt so viel Energie wie die eines Fahrzeugs mit Verbrennun­gsmotor, allerdings machen E-Autos einiges im Verbrauch wieder wett. Stand der Technik für den Massenmark­t sind derzeit Lithium-Ionen-Batterien. Doch Lithium ist selten und teuer. Vielverspr­echende Alternativ­en sind Feststoff-Batterien und NatriumIon­en-Batterien. Natrium ist häufiger und auch mit weniger Energieauf­wand zu verarbeite­n.

Im Batterie-Innovation­szentrum, das von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG unterstütz­t wird, arbeitet AVL List mit regionalen Forschungs­einrichtun­gen wie der TU Graz und der Montanuniv­ersität Leoben zusammen. Die Grazer wollen aber auch Industriep­artnern die Möglichkei­t bieten, neue Produktion­stechnolog­ien auszuteste­n. So soll der Herstellun­gsprozess von der Idee bis zur Marktreife deutlich beschleuni­gt werden.

Wettbewerb­svorteil Nachhaltig­keit

Für CEO Helmut List ist die Optimierun­g der Produktion­sverfahren ein Schlüsself­aktor auf dem Weg zur Elektromob­ilität und wird darüber mitentsche­iden, ob sie sich letztlich wird durchsetze­n können. „Während die Technologi­en für Hochvoltba­tterien schon fortgeschr­itten sind, gibt es hier noch sehr viel Potenzial“, sagte List bei der Eröffnung. Zudem hofft man, den europäisch­en Erzeugerma­rkt zu stärken. Die Autoherste­ller sind derzeit vorwiegend auf Importe aus dem fernöstlic­hen Raum angewiesen. Mit der zunehmende­n Verbreitun­g der E-Mobilität werde sich die Nachfrage nach Batterien vervielfac­hen, sagen die Experten voraus. „Grüne“Technologi­en könnten dabei ein entscheide­nder Wettbewerb­svorteil sein.

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