Habibi und der Krieg
Jad Turjman erzählt in seinem Roman „Der Geruch der Seele“von Liebe, Flucht und Gewalt.
Das Paradies liegt unter den Füßen der Mütter“, an dieses Sprichwort aus dem Islam denkt der junge Protagonist Tarek, als seine Mutter ihn in einem höchst unpassenden Moment um einen Gefallen bittet. Tarek zögert keine Sekunde.
Jad Turjman inszeniert seinen Roman „Der Geruch der Seele. Eine Liebesgeschichte in Zeiten von Krieg und Revolution“als ein nuanciertes Porträt des Studenten Tarek im Beziehungskonflikt zwischen seiner alawitischen Geliebten Sanaa und seinen sunnitischen Eltern vor dem Hintergrund der Revolution und des Bürgerkriegs im Assad-Regime. Eine glückliche Zukunft ist für die Liebenden – Sanaa nennt Tarek zärtlich Habibi – in Syrien aufgrund der unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten unmöglich. Ihre geplante legale Flucht wird durch Tareks Einberufung zum Militär vereitelt.
Jad Turjmans erstes viel beachtetes Buch „Wenn der Jasmin auswandert. Die Geschichte meiner Flucht“(2019) handelte von seiner Flucht 2014 aus Damaskus nach Salzburg. Diesen Bericht verfasste der Autor, Jahrgang 1989, der mittlerweile auch als Journalist, Coach und Comedian tätig ist, bereits auf Deutsch. Auch in „Der Geruch der Seele“kreist alles um den zähen Kampf um Sicherheit an den Schauplätzen Damaskus, Arraqa und auf dem Flughafen München.
Wenngleich für den Roman die dritte Person gewählt wird, bleibt er doch stets nahe an der Wahrnehmung seines Protagonisten Tarek. Er folgt seinen Assoziationen und Erinnerungen. In diesen verdichtet sich – auf Basis biografischer Erfahrungen des Autors – die Rekonstruktion der zwischen Aufbruch und Angst oszillierenden Stimmung im Damaskus der 2010er-Jahre.
Frauen im IS-Gefängnis
Die Lebendigkeit und Schönheit der Stadt, vermittelt durch die Beschreibung der Gerüche von Jasmin, Shishas, frischen Speisen oder der Gesprächskultur, werden greifbar. Im Aufspüren der Erinnerungen an Turjmans Heimatstadt entwickelt der Roman seine stärksten Stellen. Gleichzeitig beschönigt der Autor nicht, sondern beleuchtet etwa die der patriarchalen Ordnung inhärenten Formen der Gewalt gegen Frauen und Gräueltaten im Assad-Regime. Tarek möchte dieses System zwar bekämpfen, doch Sinnsprüche wie „Ein anständiger Syrer geht an der Wand entlang und betet zu Gott, um nicht aufzufallen“haben sich bei ihm eingebrannt.
Durchkreuzt werden Tareks Erlebnisse durch einige in Ich-Form gehaltene Kapitel seiner Freundin Sanaa. Diese gerät auf ihrer Flucht 2015 in Gefangenschaft des IS, ihre Zellengenossin Amina ist just eine aus dem Westen geflohene ehemalige IS-Sympathisantin. Turjman verleiht dieser an Stereotypen nicht armen Gruppe von Frauen ein Gesicht. Die um falsche Mythen kreisenden Gespräche von Sanaa und Amina sind erhellend und eine Seltenheit in der deutschsprachigen Literatur. Souverän behält der Autor dabei die Vielzahl von Erzählsträngen und Figuren im Blick. Seine Sprache ist klar, ihr Sound unmittelbar – mal rasant, mal in sich ruhend. Entlang eines packenden, abenteuerlich anmutenden Plots verhandelt „Der Geruch der Seele“nicht zuletzt die brisante Frage nach dem Recht auf individuelles Glück. Denn wie viel ist das eigene Glück wert, wenn ich dadurch etwa meine Liebsten gefährde?
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