Die Presse

Sammler kaufen trotz Pandemie Kunst

Der Kunstmarkt erholt sich langsam vom Coronascho­ck. Doch das geht nicht überall gleich schnell. Während die Umsätze in Asien wachsen, kämpft Europas Handel noch mit Einbußen.

- VON EVA KOMAREK [ Paul McCarthy ] [ Art Basel ]

Wien. Der Kunstmarkt ist resilient. Zu dieser Erkenntnis gelangt die Kunstökono­min Clare McAndrew im „Art Basel und UBS Mid Year Report“. Demnach haben sich die massiven Umsatzeinb­ußen, die Galerien und Kunsthändl­er im Jahr 2020 aufgrund der Pandemie erlitten haben, wieder verbessert. Die Analyse basiert auf Antworten von über 700 Händlern, die im Kunst- und Antiquität­enmarkt in 54 Regionen oder Ländern tätig sind.

Allerdings besteht ein erhebliche­r Unterschie­d zwischen den Regionen. Während der Umsatz in Asien im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 im Schnitt um 18 Prozent zulegte, kämpft Europa nach wie vor mit Umsatzrück­gängen. Und auch die Größe der Galerie spielt eine enorme Rolle. Demnach hat sich die Situation vor allem für größere Händler verbessert, während mittlere und kleinere immer noch darum kämpfen, das Umsatznive­au von vor der Pandemie zu erreichen. Insgesamt ist der Kunsthande­l aber optimistis­ch. So gehen 91 Prozent der Befragten davon aus, dass ihre Verkäufe in den nächsten zwölf Monaten entweder steigen oder stabil bleiben.

Digital ist Trumpf

Mit der Pandemie kam es zu einer Beschleuni­gung des digitalen Ausbaus, und dieser Trend hält an. Auf die Online-Verkaufska­näle entfielen 37 Prozent aller Händlerver­käufe, einschließ­lich der Verkäufe, die über auf Kunstmesse­n eingericht­ete Online Viewing Rooms getätigt wurden. Das ist doppelt so viel wie 2019. „Vieles von dem, was wir im Vorjahr über die neuen und angepasste­n digitalen Strategien gelernt haben, wird auch längerfris­tig von Relevanz bleiben“, sagt Marc Spiegler, Global Director der Art Basel.

Es boomt aber auch die digitale Kunst, nicht zuletzt wegen des NFT-Hypes (NonFungibl­e Tokens) seit März diesen Jahres. Das Auktionsha­us Christie’s versteiger­te im März um 69 Millionen Dollar ein Werk von Beeple, einem Künstler, der vorher nur in der Kryptoszen­e ein Begriff war. Seither steht der Markt Kopf und alle springen auf den NFT-Boom auf. So hat neben Christie’s auch Sotheby’s bereits mehrere NFTAuktion­en durchgefüh­rt. Fast die Hälfte der befragten Sammler gab an, im nächsten Jahr digitale Kunstwerke, einschließ­lich Film- und Videokunst, erwerben zu wollen. Wenig überrasche­nd wird dieser Markt von den Millennial­s dominiert, die am meisten Geld für digitale Kunst ausgegeben haben, im Durchschni­tt 20.000 Dollar in der ersten Hälfte 2021. Insgesamt machen die Verkäufe digitaler Kunst jedoch nur einen kleinen Teil des Gesamtumsa­tzes der Galerien aus, nämlich weniger als 0,5 Prozent.

Dennoch sorgen sich Galerien, dass NFT den traditione­llen Handel verdrängt. Dafür sieht McAndrew aber keinen Grund: Da immer mehr Kunst online und außerhalb des traditione­llen Galerienra­hmens verkauft werde, spielten der Aufbau und die Verwaltung von Künstlerka­rrieren durch Galerien eine immer wichtigere Rolle. Das sehen auch Sammler so. Die meisten Befragten

waren der Meinung, dass sowohl Galerien als auch Museen für Künstlerka­rrieren wichtig sind, wobei die Galerien leicht vor den Museen liegen. Bemerkensw­ert ist auch, dass die Sammler die großen Galerien ähnlich wichtig im Aufbau von Künstlern einschätze­n wie kleine bis mittlere Galerien. Anderersei­ts gebe es auch Beratungsb­edarf bei Käufern. Händler, die sich mit NFTs auskennen, können in diesem neuen Bereich des Kunstmarkt­s Orientieru­ng bieten. NFTs sind auf Onlineplat­tformen inzwischen so weit verbreitet, dass neue Käufer nur schwer herausfind­en können, welches Kunstwerk den geforderte­n Preis wert ist und welches nicht. Und wie schon vorher bemerkt, der Anteil an digitaler Kunst ist immer noch gering, und das wird sich so schnell nicht ändern.

Das zeigt sich auch bei der Umfrage dAuf die Frage, welche Kunst Sammler in der zweiten Jahreshälf­te 2021 kaufen würden, nannten 70 Prozent der Befragten ein Gemälde, gefolgt von Skulpturen, Drucken und Arbeiten auf Papier. er Kunstökono­min. „Der Kunsthande­l muss endlich damit beginnen, sich selbst als Beruf zu sehen“, betont McAndrew. Der Kunst- und Antiquität­enhandel wird oft als eine Art Maklergesc­häft wahrgenomm­en: Kunst wird etwa bei einer Auktion gekauft und dann zu einem höheren Preis weiterverk­auft. Doch „nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein“, so die Kunstökono­min. Vertrauen sei das größte Asset. „Mein Arzt, mein Anwalt, mein Galerist – der Fokus ist derselbe: profession­elle Expertise, Vertrauen und Verlässlic­hkeit“, bringt es McAndrew auf den Punkt.

Das sieht auch Spiegler von der Art Basel so: „Der Bericht zeigt, dass das bemerkensw­ert robuste und anhaltende Interesse am

Sammeln ein wichtiger Treiber für die Erholung des Sektors ist, da Sammler weiterhin bestrebt sind, Kunst durch Händler und Galerien persönlich zu kaufen.“

Frauen und Millennial­s holen auf

Denn die gute Nachricht ist, dass Sammler trotz der Coronapand­emie weiterhin Geld für Kunst ausgeben. Dabei spielen die Millenials eine immer größere Rolle, zumindest im High-Net-Worth-Segment, das Personen umfasst, die über ein investierb­ares Vermögen von mindestens einer Million Dollar verfügen. So gab die junge HNW-Generation im ersten Halbjahr durchschni­ttlich 378.000 Dollar aus, also etwa dreimal so viel wie ältere Sammler. Übrigens holen auch Frauen auf, die erstmals mehr für Kunst und Antiquität­en ausgaben als Männer. So stiegen laut Bericht in der ersten Hälfte des Jahres 2021 die Ausgaben von Frauen um etwas mehr als ein Drittel auf 410.000 Dollar.

Sammler sind weiterhin bestrebt, Kunst durch Galerien persönlich zu kaufen.

Marc Spiegler, Art Basel Global Director

 ?? ?? Seit Ausbruch der Pandemie findet heuer erstmals wieder eine physische Art Basel in der Schweiz statt. Im Vorfeld hat die Messe die Stimmung und wirtschaft­liche Verfassung des Kunsthande­ls analysiere­n lassen.
Seit Ausbruch der Pandemie findet heuer erstmals wieder eine physische Art Basel in der Schweiz statt. Im Vorfeld hat die Messe die Stimmung und wirtschaft­liche Verfassung des Kunsthande­ls analysiere­n lassen.
 ?? ?? Clare McAndrew ist Kunstökono­min und Gründerin von Arts Economics. Sie verfasst im Auftrag der Art-BaselMesse­betreiber und der Bank UBS den jährlichen „Art Market Report“sowie eine Halbjahres­umfrage zum Marktgesch­ehen.
Clare McAndrew ist Kunstökono­min und Gründerin von Arts Economics. Sie verfasst im Auftrag der Art-BaselMesse­betreiber und der Bank UBS den jährlichen „Art Market Report“sowie eine Halbjahres­umfrage zum Marktgesch­ehen.

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