ZUR PERSON
Wir müssen wachsen“, sagt der Geschäftsführer. Seine Mitarbeitenden übersetzen das in: „Arbeitet mehr, strengt euch mehr an, bringt mehr Umsatz.“Der Geschäftsführer will auch einen Beitrag leisten: Er gestaltet die Büros um, malt die Wände bunt an, stellt schicke Möbel hinein und einen Wuzeltisch. Das soll seine Leute anspornen und erfüllt für ein paar Wochen auch seinen Zweck. Dann haben sich alle an das neue Büro gewöhnt und nörgeln wieder.
„Unzufriedenheit lässt sich nur zu zehn Prozent durch äußere Faktoren beeinflussen“, weiß Oliver Haas. Haas war jener Berater, der vor zehn Jahren die darniederliegende Unternehmenskultur der deutschen Upstalsboom-Gruppe zusammen mit Gründersohn Bodo Janssen in ein internationales Vorzeigemodell verwandelte. Janssen, damals in einer Mitarbeiterumfrage mit einem glatten „Nicht genügend“bewertet, meinte es ernst. Aufbauend auf Haas‘ Ansätzen aus der Positiven Psychologie krempelte er die Hotel- und Apartmentkette von Grund auf um. Fortan stellte er das Glück und die Selbstverwirklichung seiner 600 Mitarbeitenden ins Zentrum seines Handelns.
Das führte die Gruppe zu ungeahnten Höhen, wirtschaftlich wie personaltechnisch. Den Gästen gefiel der neue Geist. Auch an Bewerbungen mangelte es nicht mehr, seit sich herumsprach, dass vom Zimmermädchen bis zum Koch jeder (glaubhaft) dazu animiert wurde, seinen Lebenssinn zu suchen und seine Bestimmung seinen persönlichen Stärken entsprechend zu finden.
Eine Frage der Haltung
Das Upstalsboom-Erfolgsrezept damals, interpretiert von Haas: „Zuerst: Jeder Mitarbeitende wird angeregt nachzudenken, was er oder sie eigentlich will, was die Vision ist. Die darf man dann auch dem Management sagen – das war neu. Das Management half, sie herausfinden und zu verwirklichen.“
Das Zimmermädchen, das von einem Schreibtischjob geträumt hatte, fand – nach dem Absolvieren einschlägiger Kurse – die berufliche Verwirklichung als Rezeptionistin. Der Koch, der nicht mehr kochen wollte, sich aber als privates Excel-Genie outete, ist heute Controller.
„Eine Frage der Haltung“, sagt Haas, der am Mittwoch auf Einladung des Forums Aufsichtsrat in der Schoellerbank in Wien sprach. Die Mitarbeitenden erlebten sich nun ermächtigt und bestärkt, ihren Wünschen nachzuspüren und ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. „Theoretisch weiß man ja, dass das möglich ist. Aber Wissen allein führt zu keiner Verhaltensänderung.“
Sondern nur das Tun, die Umsetzung, deren Erfolg man am eigenen Leib spüren könne. Nur so erlebe man Selbstwirksamkeit. „Corporate Happiness“nannte Haas sein Konzept, „provokant, denn viele hielten es für eine andauernde Weihnachtsfeier“.
Bei Upstalsboom und in vergleichsweise guter Konjunktur funktionierte das Konzept. Doch wie bewährt es sich in Krisenzeiten? „Sobald es schwierig wird, rufen in einer normalen Kultur alle nach dem Chef“, beschreibt Haas. Doch der erlebte sich gerade in der Coronakrise oft selbst als hilf- und planlos. „Seine Ohnmacht legt ein System frei, das ohnehin nicht mehr funktioniert.“
Ermächtigung statt Kontolle
Haas’ Lösung, die auch wieder bei Upstalsboom funktionierte: „Den Mitarbeitern Eigenverantwortung geben. Nicht auf starker Mann machen, sondern sich demütig zeigen. Sagen: ,Wir halten zusammen, ich bleibe bei euch, aber ich brauche euch.‘“Damit gebe man jedem Mitarbeitenden die Ermächtigung, sich selbst zu überlegen, was er für seinen Bereich jetzt tun könne.
Die Umsetzung brauche zweierlei: Erstens Mitarbeiter, die in die Eigenverantwortung gehen. Zweitens Führungskräfte, die ihr eigenes Kontrollbedürfnis zurückfahren. „Nicht sagen: ,Du kannst entscheiden, aber liefere mir bitte alle zwei Tage einen Report.‘“Hinter diesem Kontrollbedürfnis stehe pures Streben nach Sicherheit: „Die Führungskräfte klammern sich an Zahlen, Daten und Fakten.“
Haas’ Appell: „Hört auf, die Krise managen zu wollen. Das ist nicht möglich. Beschäftigt euch lieber mit Führung!“
Praktische Umsetzung
Man sollte meinen, je größer das Unternehmen ist, desto schwieriger ist es, Corporate Happiness entfachen zu können. Kein Problem für Haas, der auch die Deutsche Telekom berät: „Fang bei dir selbst an. Hör auf zu jammern, nimm dein Leben in die Hand und verändere dich. Wenn du Gleichgesinnte findest, macht es mehr Spaß, notwendig ist es nicht. Du veränderst deine Haltung, weil du anders auf die Dinge schaust.“
Haas berichtet von Unternehmen, die sich ein eigenes Corona-Leitbild verpassten („Was treibt uns auch im Sturm an?“). Und von Einzelpersonen, die in der Krise einen Sinn für sich erkannten („Sie gibt mir die Chance, mich so zu entwickeln, dass ich künftig gut mit schwierigen Rahmenbedingungen umgehen kann“).
Auch Humor spielt eine Rolle: „Humor ist etwas Verbindendes, schafft gute Stimmung
Oliver Haas war ursprünglich Controller, später Geschäftsführer, Aufsichtsrat und Wirtschaftsprofessor in München. 2011 schrieb er sein erstes Buch, „Corporate Happiness“, das ihn mit Upstalsboom-Erbe Bodo Janssen zusammenführte. Drei Jahre begleitete er die inzwischen weithin bekannte Transformation der Hotel- und Apartmentgruppe. Heute berät Haas KMU und Konzerne wie die Deutsche Telekom.
und Aufbruch.“Berührt uns etwas emotional, sagt Haas, verknüpften sich die Nervenzellen im Gehirn neu: „Ohne emotionale Berührtheit entsteht nichts Neues.“
Wer dem humorvollen Ansatz nähertreten will: Am 24. und 25. November findet im Andaz Vienna am Belvedere die von LSZ Consulting veranstaltete „HumorExpo“statt. Sie sieht Humor, gelebte Zuversicht und Begeisterung als bestes Gegenmittel zur Krise und will dazu anregen, mehr Leichtigkeit im Berufsleben zuzulassen. https://bit.ly/3zzQxEk