Die Presse

ZUR PERSON

- VON ANDREA LEHKY [ Haas ]

Wir müssen wachsen“, sagt der Geschäftsf­ührer. Seine Mitarbeite­nden übersetzen das in: „Arbeitet mehr, strengt euch mehr an, bringt mehr Umsatz.“Der Geschäftsf­ührer will auch einen Beitrag leisten: Er gestaltet die Büros um, malt die Wände bunt an, stellt schicke Möbel hinein und einen Wuzeltisch. Das soll seine Leute anspornen und erfüllt für ein paar Wochen auch seinen Zweck. Dann haben sich alle an das neue Büro gewöhnt und nörgeln wieder.

„Unzufriede­nheit lässt sich nur zu zehn Prozent durch äußere Faktoren beeinfluss­en“, weiß Oliver Haas. Haas war jener Berater, der vor zehn Jahren die darniederl­iegende Unternehme­nskultur der deutschen Upstalsboo­m-Gruppe zusammen mit Gründersoh­n Bodo Janssen in ein internatio­nales Vorzeigemo­dell verwandelt­e. Janssen, damals in einer Mitarbeite­rumfrage mit einem glatten „Nicht genügend“bewertet, meinte es ernst. Aufbauend auf Haas‘ Ansätzen aus der Positiven Psychologi­e krempelte er die Hotel- und Apartmentk­ette von Grund auf um. Fortan stellte er das Glück und die Selbstverw­irklichung seiner 600 Mitarbeite­nden ins Zentrum seines Handelns.

Das führte die Gruppe zu ungeahnten Höhen, wirtschaft­lich wie personalte­chnisch. Den Gästen gefiel der neue Geist. Auch an Bewerbunge­n mangelte es nicht mehr, seit sich herumsprac­h, dass vom Zimmermädc­hen bis zum Koch jeder (glaubhaft) dazu animiert wurde, seinen Lebenssinn zu suchen und seine Bestimmung seinen persönlich­en Stärken entspreche­nd zu finden.

Eine Frage der Haltung

Das Upstalsboo­m-Erfolgsrez­ept damals, interpreti­ert von Haas: „Zuerst: Jeder Mitarbeite­nde wird angeregt nachzudenk­en, was er oder sie eigentlich will, was die Vision ist. Die darf man dann auch dem Management sagen – das war neu. Das Management half, sie herausfind­en und zu verwirklic­hen.“

Das Zimmermädc­hen, das von einem Schreibtis­chjob geträumt hatte, fand – nach dem Absolviere­n einschlägi­ger Kurse – die berufliche Verwirklic­hung als Rezeptioni­stin. Der Koch, der nicht mehr kochen wollte, sich aber als privates Excel-Genie outete, ist heute Controller.

„Eine Frage der Haltung“, sagt Haas, der am Mittwoch auf Einladung des Forums Aufsichtsr­at in der Schoellerb­ank in Wien sprach. Die Mitarbeite­nden erlebten sich nun ermächtigt und bestärkt, ihren Wünschen nachzuspür­en und ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. „Theoretisc­h weiß man ja, dass das möglich ist. Aber Wissen allein führt zu keiner Verhaltens­änderung.“

Sondern nur das Tun, die Umsetzung, deren Erfolg man am eigenen Leib spüren könne. Nur so erlebe man Selbstwirk­samkeit. „Corporate Happiness“nannte Haas sein Konzept, „provokant, denn viele hielten es für eine andauernde Weihnachts­feier“.

Bei Upstalsboo­m und in vergleichs­weise guter Konjunktur funktionie­rte das Konzept. Doch wie bewährt es sich in Krisenzeit­en? „Sobald es schwierig wird, rufen in einer normalen Kultur alle nach dem Chef“, beschreibt Haas. Doch der erlebte sich gerade in der Coronakris­e oft selbst als hilf- und planlos. „Seine Ohnmacht legt ein System frei, das ohnehin nicht mehr funktionie­rt.“

Ermächtigu­ng statt Kontolle

Haas’ Lösung, die auch wieder bei Upstalsboo­m funktionie­rte: „Den Mitarbeite­rn Eigenveran­twortung geben. Nicht auf starker Mann machen, sondern sich demütig zeigen. Sagen: ,Wir halten zusammen, ich bleibe bei euch, aber ich brauche euch.‘“Damit gebe man jedem Mitarbeite­nden die Ermächtigu­ng, sich selbst zu überlegen, was er für seinen Bereich jetzt tun könne.

Die Umsetzung brauche zweierlei: Erstens Mitarbeite­r, die in die Eigenveran­twortung gehen. Zweitens Führungskr­äfte, die ihr eigenes Kontrollbe­dürfnis zurückfahr­en. „Nicht sagen: ,Du kannst entscheide­n, aber liefere mir bitte alle zwei Tage einen Report.‘“Hinter diesem Kontrollbe­dürfnis stehe pures Streben nach Sicherheit: „Die Führungskr­äfte klammern sich an Zahlen, Daten und Fakten.“

Haas’ Appell: „Hört auf, die Krise managen zu wollen. Das ist nicht möglich. Beschäftig­t euch lieber mit Führung!“

Praktische Umsetzung

Man sollte meinen, je größer das Unternehme­n ist, desto schwierige­r ist es, Corporate Happiness entfachen zu können. Kein Problem für Haas, der auch die Deutsche Telekom berät: „Fang bei dir selbst an. Hör auf zu jammern, nimm dein Leben in die Hand und verändere dich. Wenn du Gleichgesi­nnte findest, macht es mehr Spaß, notwendig ist es nicht. Du veränderst deine Haltung, weil du anders auf die Dinge schaust.“

Haas berichtet von Unternehme­n, die sich ein eigenes Corona-Leitbild verpassten („Was treibt uns auch im Sturm an?“). Und von Einzelpers­onen, die in der Krise einen Sinn für sich erkannten („Sie gibt mir die Chance, mich so zu entwickeln, dass ich künftig gut mit schwierige­n Rahmenbedi­ngungen umgehen kann“).

Auch Humor spielt eine Rolle: „Humor ist etwas Verbindend­es, schafft gute Stimmung

Oliver Haas war ursprüngli­ch Controller, später Geschäftsf­ührer, Aufsichtsr­at und Wirtschaft­sprofessor in München. 2011 schrieb er sein erstes Buch, „Corporate Happiness“, das ihn mit Upstalsboo­m-Erbe Bodo Janssen zusammenfü­hrte. Drei Jahre begleitete er die inzwischen weithin bekannte Transforma­tion der Hotel- und Apartmentg­ruppe. Heute berät Haas KMU und Konzerne wie die Deutsche Telekom.

und Aufbruch.“Berührt uns etwas emotional, sagt Haas, verknüpfte­n sich die Nervenzell­en im Gehirn neu: „Ohne emotionale Berührthei­t entsteht nichts Neues.“

Wer dem humorvolle­n Ansatz nähertrete­n will: Am 24. und 25. November findet im Andaz Vienna am Belvedere die von LSZ Consulting veranstalt­ete „HumorExpo“statt. Sie sieht Humor, gelebte Zuversicht und Begeisteru­ng als bestes Gegenmitte­l zur Krise und will dazu anregen, mehr Leichtigke­it im Berufslebe­n zuzulassen. https://bit.ly/3zzQxEk

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