Die zwei Leben der Kaffee-Erbin
Nach einigen Jahrzehnten führt wieder ein Familienmitglied die Geschäfte von Meinl Austria. Christina Meinl hätte auch andere berufliche Optionen gehabt.
Pünktlich auf die Minute steht Christina Meinl (43) da: sportlich und doch repräsentativ, herzlich und doch das Gegenüber abklopfend, unprätentiös und sich doch ihrer Rolle bewusst. Seit März ist sie Geschäftsführerin von Meinl Austria, das erste Familienmitglied seit Jahrzehnten.
Worüber man mit ihr reden wolle, fragt sie geradeheraus. Zuerst über ihren Werdegang. Sie denkt kurz nach und beginnt dann, strukturiert und doch persönlich. Nach der Matura zog es sie nach Edinburgh, wo sie Mikrobiologie studierte: „Ich habe Dolly, das Klonschaf, gesehen.“Ihre Augen leuchten.
Also nichts mit Kaffee?
Schnell pariert sie die Frage: Damals analysierte sie Bakterien und Viren – Malaria, HIV, Pneumonie – so wie sie heute Lebensmittel und Getränke analysiert. Dieselbe Arbeitsweise. So hat man das noch nie betrachtet.
Nach dem Abschluss kehrte sie heim nach Wien, studierte Medizin und arbeitete als Ärztin im St. Anna-Kinderspital. Wieder nichts mit Kaffee? „Dort habe ich entscheiden gelernt. Du entscheidest mitten in der Nacht, eine Blutabnahme anzuordnen – und dann ist es Leukämie!“Stolz schwingt mit. Jetzt fällt einem ein, woran einen dieser forschende Blick erinnert: Es ist der Blick einer Ärztin. Und der Kaffee? Der begleitete sie ein
Leben lang. Im Urlaub vom Spital eröffnete sie für die Familie ein Cafe´ in Chicago. Vor zehn Jahren, pünktlich zum 150. Jubiläum der Marke, traf sie ihre Entscheidung: für die Familientradition, gegen den Arztberuf. „Ich wäre mit beiden Optionen zufrieden geworden.“Aber, und jetzt kommen wohlüberlegte und mit gebührender Leidenschaft vorgetragene Worte, sie gehöre der 5. Generation eines Unternehmens an, das stolz auf seine Vergangenheit wäre. Sie wolle daran mitarbeiten, dass es auch auf seine Zukunft stolz werde: „Du kannst die Zukunft nur formen, indem du mitwirkst.“
Ab jetzt mit Leib und Seele
Christina Meinls erste Kaffeemarktanalyse: Das größte Wachstum im globalen Markt findet bei den Spezialitäten statt. Zu denen greifen auch die Jungen, die Kaffee nicht aus Gewohnheit, sondern als Ausdruck ihres Lebensstils konsumieren. Man begreift: Christina Meinls
Aufgabe ist, die Brücke zwischen Tradition und Zukunft zu schlagen.
Manche Altlast war schon bereinigt. Den zwiespältigen „Mohrenkopf“im Firmenlogo überarbeitete Matteo Thun bereits 2004. Einen „Wiener Barockengel“sah er darin. Ob Engel oder Mohr, sie nennt ihn schlicht „das Logo“.
Wie aber fand sie von der Medizin in eine FMCG-(Fast Moving Consumer Goods-)Geschäftsführung? Sie arbeitete sich hoch, leitete zuletzt Global Innovation und Digital Marketing. Schaute sich an, zu welchen Spezialitäten die Kunden griffen. Brachte dann eigene („The Originals“) auf den Markt, helle Röstungen, alternative Brühmethoden, Hauptsache speziell.
Jetzt beschäftigt sie sich mit Nachhaltigkeit. Lässt kompostierbare Kaffeekapseln und 2-Go-Becher entwickeln, testet mit den Bundesgärten, wie gut sich ein Abfallprodukt des Röstens, die Silberhäutchen, als Dünger eignen. „Je mehr ich in das Produkt eintauche, desto begeisterter bin ich.“
Die Ahnen hinter ihr
„Voller Energie und so positiv“beschrieb sie ein Insider. Das ist sie ohne Zweifel. „Dieses Unternehmen hat zwei Weltkriege, mehrere Wirtschaftskrisen und die Spanische Grippe überlebt“, sagt sie. „So viele Generationen vor mir konnten mit großen Krisen umgehen.“Vorbilder, die ihr den Weg zeigen: „Deshalb bin ich überzeugt, dass auch wir eine gute Zukunft haben werden.“