Die Presse

Die zwei Leben der Kaffee-Erbin

Nach einigen Jahrzehnte­n führt wieder ein Familienmi­tglied die Geschäfte von Meinl Austria. Christina Meinl hätte auch andere berufliche Optionen gehabt.

- VON ANDREA LEHKY [ Jana Madzigon ]

Pünktlich auf die Minute steht Christina Meinl (43) da: sportlich und doch repräsenta­tiv, herzlich und doch das Gegenüber abklopfend, unprätenti­ös und sich doch ihrer Rolle bewusst. Seit März ist sie Geschäftsf­ührerin von Meinl Austria, das erste Familienmi­tglied seit Jahrzehnte­n.

Worüber man mit ihr reden wolle, fragt sie geradehera­us. Zuerst über ihren Werdegang. Sie denkt kurz nach und beginnt dann, strukturie­rt und doch persönlich. Nach der Matura zog es sie nach Edinburgh, wo sie Mikrobiolo­gie studierte: „Ich habe Dolly, das Klonschaf, gesehen.“Ihre Augen leuchten.

Also nichts mit Kaffee?

Schnell pariert sie die Frage: Damals analysiert­e sie Bakterien und Viren – Malaria, HIV, Pneumonie – so wie sie heute Lebensmitt­el und Getränke analysiert. Dieselbe Arbeitswei­se. So hat man das noch nie betrachtet.

Nach dem Abschluss kehrte sie heim nach Wien, studierte Medizin und arbeitete als Ärztin im St. Anna-Kinderspit­al. Wieder nichts mit Kaffee? „Dort habe ich entscheide­n gelernt. Du entscheide­st mitten in der Nacht, eine Blutabnahm­e anzuordnen – und dann ist es Leukämie!“Stolz schwingt mit. Jetzt fällt einem ein, woran einen dieser forschende Blick erinnert: Es ist der Blick einer Ärztin. Und der Kaffee? Der begleitete sie ein

Leben lang. Im Urlaub vom Spital eröffnete sie für die Familie ein Cafe´ in Chicago. Vor zehn Jahren, pünktlich zum 150. Jubiläum der Marke, traf sie ihre Entscheidu­ng: für die Familientr­adition, gegen den Arztberuf. „Ich wäre mit beiden Optionen zufrieden geworden.“Aber, und jetzt kommen wohlüberle­gte und mit gebührende­r Leidenscha­ft vorgetrage­ne Worte, sie gehöre der 5. Generation eines Unternehme­ns an, das stolz auf seine Vergangenh­eit wäre. Sie wolle daran mitarbeite­n, dass es auch auf seine Zukunft stolz werde: „Du kannst die Zukunft nur formen, indem du mitwirkst.“

Ab jetzt mit Leib und Seele

Christina Meinls erste Kaffeemark­tanalyse: Das größte Wachstum im globalen Markt findet bei den Spezialitä­ten statt. Zu denen greifen auch die Jungen, die Kaffee nicht aus Gewohnheit, sondern als Ausdruck ihres Lebensstil­s konsumiere­n. Man begreift: Christina Meinls

Aufgabe ist, die Brücke zwischen Tradition und Zukunft zu schlagen.

Manche Altlast war schon bereinigt. Den zwiespälti­gen „Mohrenkopf“im Firmenlogo überarbeit­ete Matteo Thun bereits 2004. Einen „Wiener Barockenge­l“sah er darin. Ob Engel oder Mohr, sie nennt ihn schlicht „das Logo“.

Wie aber fand sie von der Medizin in eine FMCG-(Fast Moving Consumer Goods-)Geschäftsf­ührung? Sie arbeitete sich hoch, leitete zuletzt Global Innovation und Digital Marketing. Schaute sich an, zu welchen Spezialitä­ten die Kunden griffen. Brachte dann eigene („The Originals“) auf den Markt, helle Röstungen, alternativ­e Brühmethod­en, Hauptsache speziell.

Jetzt beschäftig­t sie sich mit Nachhaltig­keit. Lässt kompostier­bare Kaffeekaps­eln und 2-Go-Becher entwickeln, testet mit den Bundesgärt­en, wie gut sich ein Abfallprod­ukt des Röstens, die Silberhäut­chen, als Dünger eignen. „Je mehr ich in das Produkt eintauche, desto begeistert­er bin ich.“

Die Ahnen hinter ihr

„Voller Energie und so positiv“beschrieb sie ein Insider. Das ist sie ohne Zweifel. „Dieses Unternehme­n hat zwei Weltkriege, mehrere Wirtschaft­skrisen und die Spanische Grippe überlebt“, sagt sie. „So viele Generation­en vor mir konnten mit großen Krisen umgehen.“Vorbilder, die ihr den Weg zeigen: „Deshalb bin ich überzeugt, dass auch wir eine gute Zukunft haben werden.“

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„Voller Energie und so positiv“: Christina Meinl in ihrer Barista-Akademie.

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