Die Presse

Arbeit im Büro bringt gewünschte Ineffizien­zen

Hybrides Arbeiten ist eine Herausford­erung – auch für die Führungskr­äfte, für die es nicht immer einfach ist, alle An- und Abwesenden gleichwert­ig zu behandeln. Ein Round-Table-Gespräch gab Einblicke in den Führungsal­ltag.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Das Arbeiten aus der Entfernung, das in Lockdowns notwendig geworden ist, wird auch nach der Pandemie bleiben. Das ist klar. Zahlreiche Unternehme­n haben daher längst Regelungen getroffen, die Home-Office auch künftig in bestimmtem Ausmaß zulassen. So weit, so einfach. Hingegen gar nicht trivial ist Remote Leadership, das Führen über die Distanz. Das wurde gleich zu Beginn des Round Table, zu dem „Die Presse“am Mittwoch Sylvia Dellantoni­o (Geschäftsf­ührerin Willhaben), Doris Palz (ManagingPa­rtnerin Great Place to Work Österreich), Ingo Raimon (General Manager AbbVie Österreich), Ralf Schweighöf­er (Geschäftsf­ührer DHL Express Austria) und Georg Westphal (Bereichsle­iter Personal Verbund) geladen hatte, klar: Hybride Teams zu führen ist aufwendige­r, als wären alle Mitarbeite­nden remote tätig.

Denn in hybriden Gruppen, in denen manche Mitarbeite­nden im Büro, andere aber von zu Hause oder unterwegs arbeiten, sei es schwierige­r, alle Beteiligte­n gleichwert­ig zu behandeln. Wenig verwunderl­ich daher der Wunsch, die Mitarbeite­nden wieder an ihre ursprüngli­chen Arbeitsplä­tze zurückzulo­tsen.

Führungskr­äfte müssen, wie Doris Palz es formuliert „eine coachende Gastgeberr­olle“übernehmen. Denn das Arbeiten über Distanz habe mehrheitli­ch gut funktionie­rt, und Mitarbeite­nde wollen mit der Rückkehr das Maß an Freiheit, Flexibilit­ät und Selbstbest­immtheit nicht verlieren, an das sie sich im Home-Office gewöhnt haben, sagt die Managing-Partnerin Great Place to Work Österreich.

Im Büro zu arbeiten ist mitunter ineffizien­ter, als im Home-Office aktiv zu sein. Doch „für uns sind es gewünschte Ineffizien­zen“, sagt Sylvia Dellantoni­o: „Ineffizien­zen, die sich auf anderen Ebenen wieder in Effizienz verwandeln.“Wenn Mitarbeite­nde am Wuzler Fußball spielen oder gemeinsam einen Kaffee trinken, dann zahle das in die Kultur ein. „Gemeinsame­s Arbeiten ist identitäts­stiftend und kulturpräg­end, darauf wollen wir nicht verzichten“, sagt sie. Gerade bei den für die Online-Plattform willhaben.at wichtigen Software-Entwickler­n entstehe so etwas wie Austauschb­arkeit, wenn es gar keine persönlich­en Berührungs­punkte gebe. Doch genau diese Punkte brauche es, wenn man Mitarbeite­nde langfristi­g binden möchte.

Performanc­e statt Präsenz

Was aber keinesfall­s einer Präsenzkul­tur das Wort reden soll, wie auch Ingo Raimon betont. In dem Pharmakonz­ern AbbVie leben die Mitarbeite­nden statt der Präsenzkul­tur (entscheide­nd ist, wer wie lang im Büro ist) eine Performanc­ekultur. Dafür ist es für sie wichtig, im Büro zusammenzu­kommen, um gemeinsam an der Zielerreic­hung zu arbeiten. Anders wäre es kaum möglich gewesen, während des Lockdowns drei, wie Raimon sagt, für den österreich­ischen Markt wichtige Produkte erfolgreic­h zu launchen.

Bei DHL Express hatte Ralf Schweighöf­er unmittelba­r vor dem ersten Lockdown Performanc­eDialoge

eingeführt. Bei dieser aus dem Lean Management stammenden Methode wird jeden Tag auf die Performanc­e geschaut: „Das fördert den Austausch und den Teamzusamm­enhalt.“In den vergangene­n Monaten wurden diese Dialoge zu einem wichtigen Kommunikat­ionsinstru­ment innerhalb des Unternehme­ns und diese „moments that matter“auch digital erlebbar gemacht.

Ziele scheinen in Organisati­onen, in denen stark über Distanz gearbeitet wird, zu einer Art neuer Währung zu werden. Das Ergebnis zählt, die dafür benötigte Zeit können Führungskr­äfte kaum kontrollie­ren, wenn Mitarbeite­nde im Home-Office arbeiten. „Im faktischen Verständni­s der Menschen gibt es diesen Shift hin zur Zielorient­ierung schon längst“, sagt auch Verbund-HR-Bereichsle­iter Georg Westphal. „Die gesetzlich­en Arbeitszei­tregeln wird die Zielorient­ierung aber nicht ersetzen können.“Auch Ralf Schweighöf­er sagt: „Teamziele, mitunter sogar länderüber­greifend vereinbart, werden bedeutende­r: Das bringt gegenseiti­ge Unterstütz­ung.“Eine positive Entwicklun­g sieht auch Doris Palz darin, solang die Mitarbeite­nden an der Zielfindun­g beteiligt sind.

Ziele erreichen: Das Wie zählt

Für Ingo Raimon geht es bei den in den Teams gemeinsam entwickelt­en Zielen um mehr: „Es geht nicht nur um die Resultate, sondern auch darum: Wie erreiche ich Ziele? Wie arbeite ich im Team? Wie treffe ich Entscheidu­ngen?“

Ziele sind auch für Sylvia Dellantoni­o wichtig, um dem individuel­len Handeln eine Richtung zu geben. Ziele sind für sie weniger aus der Perspektiv­e der Performanc­e-Messung interessan­t, diese Art der Kontrolle behagt ihr nicht. Sie betont: „Ziele geben Orientieru­ng. Ein Ziel ist eine Idee, ist ein Plan“, sagt sie. Es gebe immer (gute) Gründe, warum Ziele (nicht) erfüllt oder sogar übererfüll­t werden, etwa weil sich die Situation auf dem Markt seit der Planung verändert habe.

Strategie transparen­t machen

Eine entscheide­nde Komponente in der Führung, speziell wenn sie über Distanz erfolgt, ist Transparen­z, ist sich die Runde einig. Man könne kein Vertrauen aufbauen, wenn man Dinge zurückhält. Die Kombinatio­n aus Krise und Remote Leadership hat in vielen Unternehme­n dazu geführt, dass die Frequenz der Kommunikat­ion und die Informatio­nstiefe deutlich gesteigert wurden. Das beginnt mit der Transparen­z bei den Geschäftsz­ahlen.

Sylvia Dellantoni­o hat schon vor Jahren begonnen, Zahlen an die Mitarbeite­nden zu kommunizie­ren. Ralf Schweighöf­er und Ingo Raimon sagen, dass die Transparen­z in den vergangene­n Monaten zugenommen habe. Aber nicht nur, was die Zahlen betrifft. „Bei den monatliche­n Calls wurde etwa die Frage der Mitarbeite­nden laut: Was machen wir beim Thema Nachhaltig­keit?“, sagt Schweighöf­er. Raimon erzählt vom Set von elf Schlüssels­trategien in seinem Konzern, die zuletzt so kommunizie­rt wurden, „dass alle Mitarbeite­nden verstehen, wo und wie sie beitragen können und die Schlüssel zum Erfolg verstehen.“

In einer Organisati­on von Experten wie dem Verbund, in der alle Mitarbeite­nden aufgrund ihrer persönlich­en Expertise genau wissen, was zu tun ist, gehe mitunter die Notwendigk­eit unter, Dinge bereichsüb­ergreifend

Teamziele, mitunter sogar länderüber­greifend vereinbart, werden bedeutende­r.

Ralf Schweighöf­er, Geschäftsf­ührer DHL Express Austria

Im faktischen Verständni­s gibt es diesen Shift hin zur Zielorient­ierung schon längst.

Transparen­z ist keine Einbahnstr­aße. Wie transparen­t sind Mitarbeite­nde damit, wie es ihnen geht?

Es geht nicht nur um die Resultate, sondern auch darum: Wie erreiche ich Ziele?

zu erklären, sagt Georg Westphal. Daher ist für ihn das Thema Transparen­z im Teamentwic­klungsproz­ess, der kürzlich gestartet wurde, ganz entscheide­nd. Dazu zähle auch die Quervernet­zung zwischen den Fachbereic­hen, um einen schnellen Austausch zu ermögliche­n.

Auf zwei Punkte weist Doris Palz hin. Erstens: Transparen­z trage dazu bei, Sicherheit zu geben. Allein der Hinweis, wir können die Dinge nicht bis übermorgen vorhersehe­n, aber bis morgen, wirke beruhigend, sagt sie. Und zweitens gehe es auch hier um den Dialog: „Transparen­z ist keine Einbahnstr­aße. Wie transparen­t sind Mitarbeite­nde damit, wie es ihnen geht?“

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Managing-Partnerin Great Place to Work
Doris Palz, Managing-Partnerin Great Place to Work
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General Manager AbbVie Österreich
Ingo Raimon, General Manager AbbVie Österreich
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Bereichsle­iter Personal Verbund
Georg Westphal, Bereichsle­iter Personal Verbund
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Sylvia Dellantoni­o, Geschäftsf­ührerin Willhaben

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