Arbeit im Büro bringt gewünschte Ineffizienzen
Hybrides Arbeiten ist eine Herausforderung – auch für die Führungskräfte, für die es nicht immer einfach ist, alle An- und Abwesenden gleichwertig zu behandeln. Ein Round-Table-Gespräch gab Einblicke in den Führungsalltag.
Das Arbeiten aus der Entfernung, das in Lockdowns notwendig geworden ist, wird auch nach der Pandemie bleiben. Das ist klar. Zahlreiche Unternehmen haben daher längst Regelungen getroffen, die Home-Office auch künftig in bestimmtem Ausmaß zulassen. So weit, so einfach. Hingegen gar nicht trivial ist Remote Leadership, das Führen über die Distanz. Das wurde gleich zu Beginn des Round Table, zu dem „Die Presse“am Mittwoch Sylvia Dellantonio (Geschäftsführerin Willhaben), Doris Palz (ManagingPartnerin Great Place to Work Österreich), Ingo Raimon (General Manager AbbVie Österreich), Ralf Schweighöfer (Geschäftsführer DHL Express Austria) und Georg Westphal (Bereichsleiter Personal Verbund) geladen hatte, klar: Hybride Teams zu führen ist aufwendiger, als wären alle Mitarbeitenden remote tätig.
Denn in hybriden Gruppen, in denen manche Mitarbeitenden im Büro, andere aber von zu Hause oder unterwegs arbeiten, sei es schwieriger, alle Beteiligten gleichwertig zu behandeln. Wenig verwunderlich daher der Wunsch, die Mitarbeitenden wieder an ihre ursprünglichen Arbeitsplätze zurückzulotsen.
Führungskräfte müssen, wie Doris Palz es formuliert „eine coachende Gastgeberrolle“übernehmen. Denn das Arbeiten über Distanz habe mehrheitlich gut funktioniert, und Mitarbeitende wollen mit der Rückkehr das Maß an Freiheit, Flexibilität und Selbstbestimmtheit nicht verlieren, an das sie sich im Home-Office gewöhnt haben, sagt die Managing-Partnerin Great Place to Work Österreich.
Im Büro zu arbeiten ist mitunter ineffizienter, als im Home-Office aktiv zu sein. Doch „für uns sind es gewünschte Ineffizienzen“, sagt Sylvia Dellantonio: „Ineffizienzen, die sich auf anderen Ebenen wieder in Effizienz verwandeln.“Wenn Mitarbeitende am Wuzler Fußball spielen oder gemeinsam einen Kaffee trinken, dann zahle das in die Kultur ein. „Gemeinsames Arbeiten ist identitätsstiftend und kulturprägend, darauf wollen wir nicht verzichten“, sagt sie. Gerade bei den für die Online-Plattform willhaben.at wichtigen Software-Entwicklern entstehe so etwas wie Austauschbarkeit, wenn es gar keine persönlichen Berührungspunkte gebe. Doch genau diese Punkte brauche es, wenn man Mitarbeitende langfristig binden möchte.
Performance statt Präsenz
Was aber keinesfalls einer Präsenzkultur das Wort reden soll, wie auch Ingo Raimon betont. In dem Pharmakonzern AbbVie leben die Mitarbeitenden statt der Präsenzkultur (entscheidend ist, wer wie lang im Büro ist) eine Performancekultur. Dafür ist es für sie wichtig, im Büro zusammenzukommen, um gemeinsam an der Zielerreichung zu arbeiten. Anders wäre es kaum möglich gewesen, während des Lockdowns drei, wie Raimon sagt, für den österreichischen Markt wichtige Produkte erfolgreich zu launchen.
Bei DHL Express hatte Ralf Schweighöfer unmittelbar vor dem ersten Lockdown PerformanceDialoge
eingeführt. Bei dieser aus dem Lean Management stammenden Methode wird jeden Tag auf die Performance geschaut: „Das fördert den Austausch und den Teamzusammenhalt.“In den vergangenen Monaten wurden diese Dialoge zu einem wichtigen Kommunikationsinstrument innerhalb des Unternehmens und diese „moments that matter“auch digital erlebbar gemacht.
Ziele scheinen in Organisationen, in denen stark über Distanz gearbeitet wird, zu einer Art neuer Währung zu werden. Das Ergebnis zählt, die dafür benötigte Zeit können Führungskräfte kaum kontrollieren, wenn Mitarbeitende im Home-Office arbeiten. „Im faktischen Verständnis der Menschen gibt es diesen Shift hin zur Zielorientierung schon längst“, sagt auch Verbund-HR-Bereichsleiter Georg Westphal. „Die gesetzlichen Arbeitszeitregeln wird die Zielorientierung aber nicht ersetzen können.“Auch Ralf Schweighöfer sagt: „Teamziele, mitunter sogar länderübergreifend vereinbart, werden bedeutender: Das bringt gegenseitige Unterstützung.“Eine positive Entwicklung sieht auch Doris Palz darin, solang die Mitarbeitenden an der Zielfindung beteiligt sind.
Ziele erreichen: Das Wie zählt
Für Ingo Raimon geht es bei den in den Teams gemeinsam entwickelten Zielen um mehr: „Es geht nicht nur um die Resultate, sondern auch darum: Wie erreiche ich Ziele? Wie arbeite ich im Team? Wie treffe ich Entscheidungen?“
Ziele sind auch für Sylvia Dellantonio wichtig, um dem individuellen Handeln eine Richtung zu geben. Ziele sind für sie weniger aus der Perspektive der Performance-Messung interessant, diese Art der Kontrolle behagt ihr nicht. Sie betont: „Ziele geben Orientierung. Ein Ziel ist eine Idee, ist ein Plan“, sagt sie. Es gebe immer (gute) Gründe, warum Ziele (nicht) erfüllt oder sogar übererfüllt werden, etwa weil sich die Situation auf dem Markt seit der Planung verändert habe.
Strategie transparent machen
Eine entscheidende Komponente in der Führung, speziell wenn sie über Distanz erfolgt, ist Transparenz, ist sich die Runde einig. Man könne kein Vertrauen aufbauen, wenn man Dinge zurückhält. Die Kombination aus Krise und Remote Leadership hat in vielen Unternehmen dazu geführt, dass die Frequenz der Kommunikation und die Informationstiefe deutlich gesteigert wurden. Das beginnt mit der Transparenz bei den Geschäftszahlen.
Sylvia Dellantonio hat schon vor Jahren begonnen, Zahlen an die Mitarbeitenden zu kommunizieren. Ralf Schweighöfer und Ingo Raimon sagen, dass die Transparenz in den vergangenen Monaten zugenommen habe. Aber nicht nur, was die Zahlen betrifft. „Bei den monatlichen Calls wurde etwa die Frage der Mitarbeitenden laut: Was machen wir beim Thema Nachhaltigkeit?“, sagt Schweighöfer. Raimon erzählt vom Set von elf Schlüsselstrategien in seinem Konzern, die zuletzt so kommuniziert wurden, „dass alle Mitarbeitenden verstehen, wo und wie sie beitragen können und die Schlüssel zum Erfolg verstehen.“
In einer Organisation von Experten wie dem Verbund, in der alle Mitarbeitenden aufgrund ihrer persönlichen Expertise genau wissen, was zu tun ist, gehe mitunter die Notwendigkeit unter, Dinge bereichsübergreifend
Teamziele, mitunter sogar länderübergreifend vereinbart, werden bedeutender.
Ralf Schweighöfer, Geschäftsführer DHL Express Austria
Im faktischen Verständnis gibt es diesen Shift hin zur Zielorientierung schon längst.
Transparenz ist keine Einbahnstraße. Wie transparent sind Mitarbeitende damit, wie es ihnen geht?
Es geht nicht nur um die Resultate, sondern auch darum: Wie erreiche ich Ziele?
zu erklären, sagt Georg Westphal. Daher ist für ihn das Thema Transparenz im Teamentwicklungsprozess, der kürzlich gestartet wurde, ganz entscheidend. Dazu zähle auch die Quervernetzung zwischen den Fachbereichen, um einen schnellen Austausch zu ermöglichen.
Auf zwei Punkte weist Doris Palz hin. Erstens: Transparenz trage dazu bei, Sicherheit zu geben. Allein der Hinweis, wir können die Dinge nicht bis übermorgen vorhersehen, aber bis morgen, wirke beruhigend, sagt sie. Und zweitens gehe es auch hier um den Dialog: „Transparenz ist keine Einbahnstraße. Wie transparent sind Mitarbeitende damit, wie es ihnen geht?“