Die Presse

Ein Trostpreis für Habeck

Das Kanzleramt blieb Annalena Baerbock versagt. Patzer kosteten sie einen größeren Wahlsieg. Ihrem Co-Chef winkt ein Schlüsselr­essort.

- VON THOMAS VIEREGGE

Beim Wahlkampff­inale in Düsseldorf, die mit einem Demonstrat­ionszug der Friday-forFuture-Bewegung zusammenfi­el, haute Robert Habeck in seiner Rede groß auf die Pauke. Unweigerli­ch kam erneut die Frage auf, ob der charismati­sche Co-Chef als Spitzenkan­didat nicht ein größeres Potenzial ausschöpfe­n hätte können als Annalena Baerbock – und vielleicht sogar Scholz oder Laschet am Ende ausgestoch­en hätte.

Der Jubel am Wahlabend war schaumgebr­emst. Die Grünen haben zwar gegenüber 2017 kräftig zugelegt und standen als ein Wahlsieger da, aber eben nicht als großer Gewinner. Ursprüngli­ch zum Duell zwischen Union und Grünen stilisiert, fielen sie schließlic­h im Dreikampf um die Macht in den letzten Wochen zurück – klar unter die 20-Prozent-Marke, über die die Ökopartei in den vergangene­n Jahren gesprungen war. Baerbocks Patzer und Pannen hatten ihr entscheide­nde Punkte gekostet. Die 40-Jährige hatte außer ihrer Funktionär­skarriere keine Regierungs­verantwort­ung vorzuweise­n, die

Deutschen trauten ihr die Kanzlersch­aft mangels Erfahrung nicht zu.

So sehr die Grünen im Westen der Republik punkten konnten, so sehr blieben sie im Osten – einem traditione­ll schwierige­n Terrain – hinter den Hoffnungen zurück. Die Spitzenkan­didatin, die aus Niedersach­sen nach Brandenbur­g zugewander­t war, konnte da auch nichts ausrichten. Zudem mag den Deutschen gedämmert sein, dass eine grüne

Kanzlerin ihnen im Kampf gegen den Klimawande­l wohl zu viel abverlange­n würde.

Eine Regierungs­option scheint den Grünen indes in jeder Variante sicher – ob bei einer Jamaika-, Ampel- oder Linkskoali­tion. Zuletzt signalisie­rten sie eine Präferenz für eine Ampel unter Führung von Scholz, in der Robert Habeck zum Finanzmini­ster avancieren könnte – ein Trostpreis für den 52-jährigen Philosophe­n und Autor, der zur bestimmend­en Kraft in seiner Partei aufsteigt.

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